Bauwelt

Flächenkosten & kommunale Finanzautonomie

Für eine Theorie der Stadtwirtschaft

Text: Schüßler, Achim

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Flächenkosten & kommunale Finanzautonomie

Für eine Theorie der Stadtwirtschaft

Text: Schüßler, Achim

Dieter Hoffmann-Axthelm dreht den Spieß um: Statt sich als Stadtplaner ständig die Ökonomie um die Ohren schlagen zu lassen, stellt er sich selber auf den Standpunkt der Ökonomie.
Wo im weiten Feld „wissenschaftlicher“ Spekulation so viel wie selten zuvor über Städte publiziert wird, kommt er mit Kosten und erinnert die Planer in aller Nüchternheit an ihre Pflichten: sich um die Zukunft der Stadt, und das heißt: um ihre Nutzer und ihre Wirtschaft zu kümmern. Die Finanznot der Gemeinden ist für diesen Autor ein strukturelles Problem, das mit der aktuel­len Krise nichts zu tun hat, sondern durch sie le­diglich an Schärfe gewinnt.
Hoffmann-Axthelm sieht Städte als Flächenunternehmen, die das Gut „urbanisierte Fläche“ anbieten. Gleichzeitig sind sie als Bürgerschaft eine Gemeinde von Nutzern, die von diesem Gut bestimmte Leistungen und Vorteile erwarten dürfen. Hierauf gründet das demokratische Wesen der Stadt als „res publica“, deren gemeinsame Angelegenheiten die Bürger selbst regeln, indem sie Öffentlichkeit herstellen. Selbstverwaltung im Sinne einer „guten Regierung“ ist seit Jahrzehnten das Thema des Autors, der mit preußischer Genauigkeit nach den strukturellen Voraussetzungen eines verantwortlichen Machtaufbaus „von unten“ her sucht.
Damit die Bürger mitentscheiden können, müssen sie über die wahren Kosten des Gemeinwesens informiert sein und wissen, wofür ihr Geld verwendet wird. Selbstverwaltung braucht Finanzautonomie. Jede alternative Finanzpolitik fordert Budgethoheit, z.B. in Form des Bürgerhaushalts. Nur: Zunehmend überfrachtet mit genuin staatlichen Aufgaben, ist den Städten jeglicher Handlungsspielraum verloren gegangen. Um die Kommunalfinanzen aus dem fatalen Netz der staatlichen Steuerpolitik herauszuhalten, schlägt der Autor eine spezifisch städtische Abgabe vor, die auf jede erschlossene Fläche – öffentlich wie privat, genutzt oder ungenutzt, Park oder Parkplatz – erhoben wird. Denn strukturelle Ursache der Finanzknappheit sind die uneinholbar steigenden Flächenkosten. Zu bedenkenlos seien in der Vergangenheit Flächen erschlossen, beschildert, vergeudet und beplant worden.
Hier setzt Hoffmann-Axthelms Theorie einer Stadtwirtschaft an: Sie sieht, als Voraussetzung für Transparenz, eine Besteuerung vor, welche klar zwischen kommunalen und staatlichen Aufgaben trennt; es darf keine wie auch immer motivierte Vermengung der Territorien geben. Der Bürger braucht klare Fronten, damit er weiß, welcher der gewählten Volksvertreter wofür zuständig ist. Hier sind eine Reihe „heiliger Kühe“ zu schlachten.
Eine bürgerorientierte Stadtwirtschaft verschlankt Stadtverwaltungen auf die Kernkompetenz ihrer hoheitlichen Aufgaben, deren wirkungsvollste das Erteilen von Baurecht ist. Dicht bebaute, multifunktionale Kernstädte mit guter Infrastruktur sind stadtwirtschaftlich produktiv – sie ernähren bisher eine Peripherie mit aufwendiger, aber kaum ausgelasteter Infrastruktur. Um hier Kostengerechtigkeit zu erzielen, soll die Flächenabgabe im Zentrum geringer ausfallen („Stadtmauereffekt“), was kleinteilige Mischung erhält und fördert. Daraus folgt Kontraktion als Strukturmodell: Ausdünnung der Randberei­che (Schrumpfung), Stärkung der Zentren – eine klare Absage an die Zwischenstadt.
Dieter Hoffmann-Axthelm enthält sich jeder Schwärmerei, was die ökologischen und gestaltgebenden Effekte seiner Vorschläge angeht, sie sind gleichwohl zwischen den Zeilen zu lesen: Mehr Flächenökonomie schont die Natur und erzeugt lebendige Stadträume mit nahbarer Architektur. Offenbar gibt es keine Alternative zu einer wirtschaftlichen, also kostenorientierten Betrachtung städtischer Flächen, wenn man will, dass sorgfältiger mit ihnen umgegangen wird, dass Wege kürzer werden, dass der räumlichen Dimension politischen Lebens wie­der Wirkung und Bedeutung zukommen und dass die natürlichen Ressourcen gestärkt werden, indem man sie unberührt lässt.
Die kritischen Punkte seiner Recherche sind schnell aufgezählt: Für eine Theorie der Stadtwirtschaft sind die Ausführungen eher Anstoß als Programm; viele Details reizen zur Diskussion, manches ist überholt. Andere, fiskalisch schon erprobte Al­ternativen einer gerechteren Umlegung von Flächenkosten bleiben unerwähnt. Ebenso wie das alltäg­-li­che Problem, Nutzerwünsche an der Schnittstelle von Entscheidungsprozessen zu implementieren – die Erfindung von „Nutzerforen“ reicht nicht. Hinweise für den Umgang mit den großen Spielern im Stadtgeschehen fehlen; kein Wort auch über die ethisch blinden Flecken reiner Nutzerdemokratien. Zwar werden die Schwierigkeiten einer Umsetzung nicht verschwiegen, teilweise auch selbstkritisch problematisiert, dann aber durch geschickte Sprünge zwischen den Ebenen unbestechlicher Sachkenntnis und ungefähren Wunschdenkens verschleiert.
Mancher wird das Buch als lästige Ablenkung ablehnen, manchem wird der (beabsichtigte) Widerspruch zu jeglicher Routine so rabiat erscheinen, dass er das Buch mit Schulterzucken zur Seite legt. Nachdenken sollten allerdings jene, die sich kulturkritisch über Wasser halten oder mit ökologischen Verheißungen ihre Ideologie anreichern, ohne dabei ans Eingemachte zu gehen. Dieter Hoffmann-Axthelm nämlich will sich nicht mit der Kritik an Zuständen und dem Hinweis auf bessere Lösungen begnügen, sondern zeigen, mit welchen Konsequenzen finanz­politisch umgesteuert werden muss, damit die besse­ren Lösungen nicht Exoten bleiben, sondern selbstverständlich werden.
Fakten

Verlag Verlag Dorothea Rohn, Detmold 2010
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aus Bauwelt 48.2010
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