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Gartenstadt Hellerau | Die Geschichte ihrer Bauten

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Gartenstadt Hellerau | Die Geschichte ihrer Bauten

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Seit der Gründung 1908 haftet der Gartenstadt Hellerau (bei Dresden) ungeachtet ihrer nur kurzen Glanzzeit eine außergewöhnliche Ausstrahlung in alle Bereiche von Kunst und Kultur an. Die Vielfalt der baulichen Strukturen, von kleinen typisierten Reihenhäusern bis hin zu individuellen, frei stehenden Landhäusern, sowie die gestalterischen Unterschiede durch die Einbeziehung verschiedener Architekten hoben Hellerau heraus aus der Masse des Siedlungsbaus und machte es zum Experimentier- und Präsentationsfeld der Reformarchitektur.
Trotz der bereits umfangreichen Literatur füllt dieser zum hundertjährigen Jubiläum der Gartenstadt herausgegebene Band eine noch immer klaffende Lücke. Er verkürzt die Geschichte Helleraus nicht auf die Anfangszeit oder strickt weiter am „Mythos“, sondern beleuchtet auch Bereiche, die sonst nur als weiße Flecken auftauchen. Dafür haben die Heraus-geber (der Direktor der Kulturstiftung Sachsen und der Geschäftsführer des Dresdner Geschichtsvereins) renommierte Fachwissenschaftler gewonnen, deren Analysen und differenzierte Wertungen einen umfassenden Blick auf das Phänomen Hellerau ermöglichten. Die Zusammenstellung der 13 ausführlichen Aufsätze ergibt ein sich schlüssig verzahnendes (teil­weise auch sich überlappendes) Gesamtbild, in dem avantgardistische wie konservative Aspekte gleichermaßen zur Sprache kommen.
Essays zu den städtebaulichen Leitbildern (Wolfgang Sonne), zur englischen Gartenstadtbewegung (Christiana Hartmann) sowie zum Werkbund (Jürgen Paul) vermitteln den zeitgeschichtlichen Hintergrund. Die Entstehung der Siedlung wird facettenreich in Texten über den Initiator und Gründer der Deutschen Werkstätten Hellerau Karl Schmidt (Klaus-Peter Arnold) und über die beteiligten Architekten Richard Riemerschmid (Heidrun Laudel), Heinrich Tessenow (Marco De Michelis) und Herman Muthesius (Hendrik Karge) beleuchtet. Auch die Kontroversen zwischen Riemerschmids malerischem Heimatstil und Tesse­nows Sachlichkeit werden dargestellt, so dass der Bruch zwischen den Parteien, bzw. das Scheitern der Idee der Gartenstadt als „Gesamtkunstwerk“, der sich an Tessenows Festspielhaus (heute eine der Inkunabeln der Moderne) entzündete, klar und verständlich wird.
Die Herausforderung, die architektonische und künstlerische Qualität weiterzuführen, wird in Essays zu den Erweiterungen nach dem Ersten Weltkrieg (Nils M. Schinker) und nach 1945 (Clemens Galonska) sowie zur heutigen Gesamtbewertung (Volker Helas) thematisiert. Weitere Aufsätze über die Holz-Fertighäuser der Hellerauer Werkstätten (Claudia Klinkenbusch), die Garten- und Freiraumgestaltung (Peter Peschel) sowie zur Künstlerkolonie (Hans-Jürgen Sarfert) runden den Band ab. Dabei werden auch sonst eher unbeachtete Epochen (Drittes Reich, DDR-Zeit) beleuchtet. Immer wieder wird der Blick auf die wirklichen Verhältnisse hinter dem „Mythos“ gelenkt, auf provinzielle Enge und völkische Tendenzen, auf die in den 20er Jahren übliche Praxis, in der „Laboratorium der Moderne“ genannten Siedlung, sachlich-moderne Gebäude durch „dreiseitige Baumkulissen“ zu tarnen, oder auch auf ehrgeizige DDR-Planungen einer „den Charakter der alten Siedlung der Gartenstadt noch verstärkenden“ Hochhausstadt für 13.000 Bewohner in unmittelbarer Nähe.
Ergänzt werden die Aufsätze durch einen reichhaltigen Bildteil mit bisher wenig bekannten historischen Fotografien, Zeichnungen und Plänen sowie aktuellen farbigen (teils ganzseitigen) Aufnahmen der Leipziger Fotografin Margret Hoppe. Allzu oft bedauert man jedoch, dass die geplante Begrünung des Vier­tels so überaus erfolgreich realisiert wurde.
Trotz eines ergänzenden Katalogs der wichtigsten Bauten mit fünf Übersichtsplänen zur städtebaulichen Entwicklung ist der Band weder von Format und Aufmachung (24 x 30 cm, quer mit Schutzumschlag) noch vom Inhalt her ein Architekturführer, sondern die erste zusammenhängende Gesamtdarstellung der Gartenstadt Hellerau und daher zum tieferen Verständnis der Siedlung nahezu unverzichtbar. Nicht nur die fachlich fundierten Aufsätze überzeugen, sondern auch die ansprechende Aufmachung und der dafür günstige Preis.
Fakten
Autor / Herausgeber Herausgegeben von Ralph Lindner und Hans-Peter Lühr

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aus Bauwelt 03.2010

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