Herbert Rimpl (1902-1978)
Architektur-Konzern unter Göring und Speer
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
Herbert Rimpl (1902-1978)
Architektur-Konzern unter Göring und Speer
Text: Hotze, Benedikt, Berlin
In der jüngeren Baugeschichte Deutschlands fällt im Zusammenhang mit „moderner“ Architektur im Nationalsozialismus immer wieder der Name Herbert Rimpl. Dessen Büro, so eine oft gestreute Erzählung, habe eine „Nische“ der Moderne geboten, in der viele fortschrittlich gesinnte Architekten Beschäftigung fanden.
Hier seien Industriebauten entstanden, die sich gewisse gestalterische Freiheiten erlauben durften; manche haben „Rimpls Laden“ gar als einen Ort der „Inneren Emigration“ dargestellt, der es „anständigen“ Architekten ermöglicht habe, im Nationalsozialismus ohne Verbiegen ihrer Ideale zu „überwintern“. War Rimpl also eine Lichtgestalt in dunkler Zeit?
Jo Sollichs Untersuchung, die erste substanzielle zu Rimpl überhaupt, macht mit solchen Darstellungen unaufgeregt, aber gründlich Schluss. Rimpl war nicht mehr und nicht weniger als einer der führenden Staatsarchitekten der NS-Zeit; er hat spätestens ab 1938 bis zum Kriegsende nichts anderes gebaut als Rüstungsanlagen. Die massenhafte Beschäftigung von Zwangsarbeitern kann er nicht übersehen haben – allein das wäre schon ein hinreichender Grund, die moralische Integrität des Architekten in Frage zu stellen. Richtig ist, dass unter Rimpls Namen vor 1945 eine Reihe von Bauten entstanden sind, die formal der „Neuen Sachlichkeit“ zuzurechnen sind; die Heinkel-Flugzeugwerke in Oranienburg sind
das bekannteste Beispiel. Neu ist hingegen die Erkenntnis, dass eine Urheberschaft Rimpls an solchen Bauten durchgängig nicht nachgewiesen werden kann. Das ist eine zentrale Pointe dieses Buches.
Mit einem Studium an der TH München bei Theodor Fischer, einer Station bei der „Bayerischen Postbauschule“ in Augsburg und einer Anstellung bei Dominikus Böhm in Ostpreußen hatte Herbert Rimpl in den 20er Jahren hervorragende Referenzen für sein Berufsleben gesammelt. Ab 1934 begann er mit Bauten für die Luftfahrtindustrie. Sein Büro „erhielt Aufträge durch engsten Kontakt mit staatlichen Stellen und wuchs dabei selbst nahezu zu einer Behörde staatlichen Charakters an“, resümiert Jo Sollich, der dafür den Begriff des „Architektur-Konzerns“ gebraucht, der auch im Untertitel auftaucht. Rimpls Leistung bestand nicht in Entwurf und Planung, sondern in der Leitung eines solchen Konzerns, der Arbeitstechniken von Großbüros der Nachkriegsjahrzehnte vorwegnahm: Mitarbeiterführung, Kommunikation, Delegieren an dezentrale Teams.
Gestalterisch-formale Fragen waren ihm offenbar gleichgültig; so sind zeitgleich Entwürfe dokumentiert, die im Heimatschutzstil, im monumentalen Neoklassizismus und eben auch in der geraden Sachlichkeit der Moderne gehalten sind. „Rimpls Laden“ war also keine Nische der Moderne, sondern deckte alle Architekturdoktrinen des Nationalsozialismus ab. Dass die – namentlich immer aufgeführten – Mitarbeiter hier maßgeblich selbst für die Gestaltung verantwortlich zeichneten, ist mehr als naheliegend.
Das Buch geht sogar so weit, Rimpl abzusprechen, er sei Architekt. In einem Zitat eines ehemaligen Mitarbeiters von 1950 heißt es: „Der Rahmen des sogenannten ‚Baubüro Rimpl‘ war überhaupt nur in der wirtschaftlichen und politischen Konstruktion des Dritten Reiches möglich. Rimpl war auch kein Architekt mit einem ‚architektonischen Gewissen‘. Man konnte alles bei ihm bestellen. [...] Ich kann Herrn Rimpl mit dem bestem Willen nicht als Architekten bezeichnen, er ist der Prototyp des sachverständigen Managers.“
Nach dem Krieg wurde der Parteigenosse Rimpl entnazifiziert, was hauptsächlich auf eigenen Angaben und von ihm aufwendig beschafften Zeugenaussagen beruhte. Er machte in der Bundesrepublik Karriere als freier Architekt und baute u.a. Kirchen und Kasernen. Während Zwangsarbeiter des NS-Regimes erst 60 Jahre nach Kriegsende Entschädigungen beanspruchen konnten, galt der führende Architekt der Nazi-Rüstungsbetriebe als unbelastet. So richtete er noch bis Mitte der 50er Jahre Bagatellforderungen wie Fahrtkostenerstattungen aus der Zeit von vor 1945 an die deutschen Behörden.
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