Bauwelt

Industriebau als Ressource

Text: Tietz, Jürgen, Berlin

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Industriebau als Ressource

Text: Tietz, Jürgen, Berlin

Mit dem Ende der DDR ging im Osten Deutschlands bekanntlich ein massiver Strukturwandel einher, der bis heute an den Städten ablesbar ist. Neben Kasernenanlagen sind es vor allem Industriebauten, die aus ihrer ursprünglichen Nutzung herausfielen. Doch der Wissenstransfer bei der Konversion und Entwicklung solcher Industriebrachen aus dem Westen in den Osten reichte für deren Wiederbelebung nicht aus. Das vorliegende Handbuch ist daher aus einem Forschungsvorhaben des „Instituts für Neue Industriekultur“ (INIK) hervorgegangen, das sich speziell dem brandenburgisch-polnischen Grenzgebiet gewidmet hat. Entstanden ist dabei eine sehr gut lesbare und leicht verständliche Hilfestellung, die für den Umgang mit den häufig stadtbildprägen­den und denkmalwerten Industriearealen ein strategisches Instrumentarium bietet.
Ist doch eine (nachhaltige) Wiederbelebung von Industriebrachen und den daran gekoppelten (sozialen) Stadtstrukturen ohne fundiertes immobilienwirtschaftliches Vorgehen nicht möglich. Zugleich gilt der im Buch formulierte Grundsatz: „Leere Fabriken heute einfach abzureißen heißt, die Potenziale der Gebäude zu igno­rieren.“
Um die Vielzahl der Aspekte im Umgang mit ehemaligen Industriegebieten aufzuzeigen, ist die Publikation in zwei Teile untergliedert: einen theo­-retischen und einen praktischen. Gut nachvollziehbar, werden dabei in dem „Denken“ überschriebenen theoretischen ersten Teil die einzelnen Schritte für mögliche Investoren, vor allem aber auch für die Kommunen aufgezeigt: Einer genauen Analyse des Objekts sowie der möglichen Fördermaßnahmen muss eine Bewertung des Areals folgen, zu der auch eine Definition von (realitätsnahen) Projektzielen gehört. Daraus ergibt sich eine für das jeweilige Objekt und den Ort sinnvolle Handlungsstrategie. Zu den zentralen Aspekten gehört dabei die Auswahl eines Träger- oder Betreibermodells, um die langfristige Wirtschaftlichkeit eines Projektes zu gewährleisten. Auch wenn sie nicht ganz neu ist, zählt die Schlussfolgerung der Autoren „mehr planen und weniger bauen“ zu den wichtigen Aspekten, die es in
der Praxis zu berücksichtigen gilt, trägt sie doch nachweislich zu einer höheren Erfolgsquote bei Umnutzungen bei und hilft damit, dann auch Geld zu sparen.
Teil zwei des Buches widmet sich exemplari-schen Handlungsstrategien an 30 ausgewählten
Industrieanlagen und Siedlungen im deutsch-polni­schen Grenzgebiet. Zu den im Rahmen eines „Stand­ort-Scans“ untersuchten rund 100 Standorten gehörten Orte wie Forst (Lausitz), Cottbus, Burg und auf polnischer Seite u.a. Gubin und Zielona Góra. Dabei wird in dem Buch für jedes Gebäude neben einer kurzen Analyse und Bewertung ein entsprechender Projektablauf mit vier Phasen skizziert: Vorbereitung, Entwicklung, Umsetzung und Betrieb. Die vorgestellten Nutzungsideen sind jeweils aus den örtlichen Gegebenheiten heraus entwickelt worden. Daher kommt auch der Kommunikation im Vorfeld der Maßnahmen sowie der Partizipation von Bürgern und Interessensgruppen eine wichtige Rolle für den Erfolg der Projekte zu. So lässt sich das Buch als „Baukasten“ für unterschiedliche Nachnutzungsszenarien verstehen. Auch wenn diese Strategien nicht 1:1 auf andere Orte übertragbar sind, so bieten sie doch eine breit gefächerte Auswahl und vor allem einen praxistauglichen Leitfaden. Zugleich erwiesen sich Recherche und Konzeptentwicklung des INIK in dem extrem strukturschwachen Gebiet als wichtige Initialzündung, um in einigen der aus-gewählten Orte eine Wiederbelebung der denkmalwerten Industriebrachen mit tragfähiger neuer Nutzung in Gang zu setzen.
Fakten
Autor / Herausgeber Markus Otto, Karl Plastrotmann, Lars Scharnholz, Ilija Vukorep
Verlag Jovis Verlag
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aus Bauwelt 07-08.2010

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