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The Design Ethos of Dieter Rams

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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The Design Ethos of Dieter Rams

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Sein auf der Doppelseite 690/691 abgebildetes Wohn­haus bestätigt mit Kieselsteinen, Miniaturbäumen und Holzdeck, dass Dieter Rams von der japanischen Ästhetik eingenommen ist. Ein Essay schlägt den feinen Bogen vom Metabolismus zu seinem „Lebensentwurf“. Wenig erstaunt somit, dass die Ausstellung, zu der das Buch konzipiert wurde, die ers­ten Stationen in Japan hatte und dann erst über London nach Frankfurt am Main gekommen ist.
Wie wurde Rams der erfolgreichste deutsche Industriedesigner? Er kam als 23-jähriger Architekt zu den jungen Unternehmern Artur und Erwin Braun, um die Qualität der Büro-, Ausstellungs- und Gäste­räume zu verbessern. Seinerzeit erneuerte die Firma ihr Produktdesign mit dem externen Gestalter Wilhelm Wagenfeld und der Hochschule für Gestaltung Ulm. Diese Innovationen und die Visionen des Phi­lanthropen Erwin Braun zogen Rams in ihren Bann. Zunächst qualifizierte er sich zum Leiter Produktgestaltung, nach über vierzig Jahren bei Braun schied er als Vorstand mit dem Aufgabengebiet Design aus.
Seine Entwürfe zeichnet das Selbsterklärende aus. Einfachheit wurde nicht als Ziel und Selbstzweck betrachtet, sondern aus der Funktion heraus entwickelt. Beispielgebend sei auf die Schalttafel eines HiFi-Steuergeräts von 1964 verweisen: Druckschalter in Weiß mit konkaver Oberfläche, um ein Abgleiten des Fingers zu vermeiden, Drehknöpfe in Schwarz, große für die Wellenbereiche, kleine für Lautstärke, Klangfarbe, Balance, ein Drehschalter in Form eines Knebels zum Einstellen der jeweils anzusteuernden Einheit.
Auch die Möbelentwürfe, denen ein Kapitel gewidmet ist, bestechen durch eine Zurückhaltung, die an die Räume Nippons anknüpfen. Rams erklärt das so: „In der traditionellen japanischen Architek­tur werden Räume aus einer Haltung heraus gestaltet, die meiner verwandt ist. Die Ästhetik des lee­ren Raumes mit der klaren, präzisen Gliederung von Boden, Wänden, Decke, mit der Sorgfalt der Gestaltung von Materialien und Strukturen ist um vieles differenzierter als die europäische Ästhetik der Fülle, des Dekors, der lauten Formen.“
Die von ihm und seinem ausführlich gewürdig­ten Team entwickelten Produkte sind hinlänglich bekannt. Fast jeder von uns wird etwas davon in seinem Haushalt finden, sei es eine Version des schwarzen, an Autotachometer erinnernden Reiseweckers, sei es die verblüffend klare Zitruspresse, beides bis heute im Programm. Vieles verbannt die rasch fortschreitende Technik allerdings ins Museum: Das Zeitlose dieses Designs wird von der geringen Halbwertzeit der Technik durchkreuzt.
Das Buch ist ein Nachschlagewerk. Die Produkte werden mit charakteristischen Aufnahmen, mit Beschreibung und mit Abmaßen vorgestellt. Darin finde ich meinen Fön wieder, ein gemeinschaftlich ausgewähltes Geschenk der Eltern: Mutter plädierte für die Marke Braun, Vater wollte Schwarz für den damaligen Architekturstudenten. Das Gerät funktioniert, nach über zwanzig Jahren nur etwas lauter.
Um der Schlüssigkeit von Rams Arbeiten kongenial zu entsprechen, haben die Autoren – die Osakaer Kuratorin Keiko Ueki-Polet und der Frankfurter Ausstellungsleiter Klaus Klemp – die über 800 Seiten in klare Text- und Abbildungsblöcke gegliedert. Durch den Druck des Textes und der Schwarz-Weiß-Abbildungen auf dünnem Papier wird der physische Umfang des Buches verringert; in einem weißen PVC-Umschlag gebunden und im hellgrauen Schuber geliefert, erscheint es selbst als Design-Objekt.
Bis auf wenige Unstimmigkeiten bei der Übersetzung – England hielt sich nicht in gesuchter, sondern in sicherer Distanz – ist das Buch so makellos wie sein Gegenstand: aufschlussreicher Inhalt, unprätentiöse Machart, vermutlich haltbar, so wie Erwin Braun einst vorgab: Produkte, die „wie ein stummer Diener zurücktreten, wenn man sie nicht benötigt, und präsent sind, wenn man sie benötigt.“
Fakten

Verlag Die Gestalten Verlag, Berlin 2010
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aus Bauwelt 43.2010
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