Wo sind sie geblieben, die Utopisten, Träumer, Phantasten und Idealisten in einer Zeit, wo das Machbare, das Bezahlbare Konjunktur hat? Früher, ja früher gab es sie zuhauf, nicht nur in der Renaissance, als Filarete und Scamozzi den Gonzagas Idealstädte entwarfen, dann später, als in Italien die Futuristen und in Japan die Metabolisten von der Zukunft träumten, Corbusier sein Paris oder Howard seine Gartenstädte zeichnete, bis zu Reichows autogerechter Stadt. Die Phantasie kannte keine Grenzen.

Anatol Ginelli zählt nicht zu den Spintisierern. Als Emeritus der TU Graz, Institut für Stadt- und Baugeschichte, hat er etlichen angehenden Architekten das trockene Brot des Planens und Bauens gelehrt. Selbst Schüler von Scharoun, konnte er sich eine gehörige Portion Phantasie bewahren. Und nun, wo er „frei“ ist, erlaubt er sich eine „imaginäre Vorlesung“ über seine durch und durch erdachte Stadt. Zu Papier gebracht in einem schmalen Hochformat, links Skizzen und Collagen, rechts ein Text ohne Punkt und Komma, eher ein Gedicht, ein innerer Monolog, seine ideale Stadt mehr um- als beschreibend. Da geht es zunächst in die Vergangenheit, dann: „wozu noch andere Beispiele mache nicht Neues die Vorgänger und Anreger waren oft besser“. Nichtsdestotrotz lässt er seinen Gedanken freien Lauf, sucht ideale Orte, spielt Alternativen durch, befragt sich, „fügt alles zueinander was nicht zusammengehört... spezifisch lokal doch universal eklektisch doch gleichzeitig neu erfunden in der Tradition stehend doch modern höchst individuell doch anonym wie ein zufällig gefundener Gegenstand“. Zuletzt holt Ginelli sich Rat bei befreundeten Kollegen, „alles talentierte und erfahrene Leute mit Ideen je­der mit seiner Position und seinen Urteilen Vorurteilen Verurteilungen“. Mit mehr oder weniger Resonanz. Also bleibt „alles endgültig vorläufig und definitiv unvollendet selbst wenn ich den Endpunkt setze ... und ohne Ende am Ende“.