Bauwelt

Rading trifft Schlemmer

Das Haus Rabe hat ihrer Interieurs beraubten Villen der Klassischen Moderne, den besonderen Charme des Authentischen. Schön, dass man daran in diesem Buch ausgiebig teilhaben kann.

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Rading trifft Schlemmer

Das Haus Rabe hat ihrer Interieurs beraubten Villen der Klassischen Moderne, den besonderen Charme des Authentischen. Schön, dass man daran in diesem Buch ausgiebig teilhaben kann.

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Das Haus Rabe in Zwenkau bei Leipzig gehört zu den interessantesten Gesamtkunstwerken der Klassischen Moderne. Das von Adolf Rading 1930 errichtete Gebäude hat die gestalterische Geradlinigkeit einer „Bauhaus-Villa“ und beeindruckt durch unzählige in situ erhaltene Wand- und Raumgestaltungen von Oskar Schlemmer. Auch für die Denkmalpflege ist es ein Glücksfall, denn die Eigentümer, eine Arztfamilie, retteten das Wohnhaus mit einer integrierten Praxis in weitgehend unverändertem Zustand durch die DDR-Zeit. Es wurde Mitte der 90er Jahre an einen Hamburger Kunstliebhaber verkauft, der es mit gro-ßem Aufwand denk-malgerecht sanieren ließ. Werner Durth beleuchtet im vorliegenden Band viele bisher unbekannte Details der Planungs- und Baugeschichte dieses Meisterwerks.
Adolf Rading (1888–1957) arbeitete bei Peter Behrens und später bei August Endell, der ihn 1919 für die Architektur-Lehre an die Kunstaka-demie Breslau holte. Für die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung (1927) entwarf er ein Wohnhaus, direkt neben Mies van der Rohes Mehrgeschos-ser und Mart Stams Reihenhauszeile. Damit rückte er in den Kreis der Avantgarde auf. Sein Kollektiv-Apartmenthaus für die Breslauer Werkbund-Ausstellung (1929) war eines der meist publizierten Gebäude des Neuen Bauens. Trotzdem gehört Rading heute zu den nahezu ver-gessenen Architekten dieser Ära.
Beim Haus Rabe erhielten Rading und sein nach dem Weggang vom Bauhaus ebenfalls in Breslau lehrender Kollege Oskar Schlemmer trotz des massiven Widerstandes der zuständigen Behörden großen künstlerischen Spielraum vom befreundeten Bauherrn: Fast alle Zimmer des fast würfelförmigen Gebäudes ordnen sich um einen mehrgeschossigen Wohnraum an. Schlemmer konnte das Innere des Haus in unterschiedlichen Formen ausgestalten: vom teilweise abstrakten Wandbild bis hin zur dreidimensional-räumlichen Farbstruktur. Im Treppenhaus findet man scherenschnittartige Profilköpfe und an sein Weimarer Wandbild erinnernde Figuren, deren Farbigkeit sich an der Decke und den Nachbarwänden fortsetzt. Im zentralen Wohnraum wirft eine figürliche „Metallkomposition“ interessante Schatten an die Wand.  
Das baugeschichtlich interessante Haus verdeutlicht auch die Verwerfungen der damaligen Zeit: Rading emigrierte nach der Machtergreifung der Nazis mit seiner Frau nach Frankreich, konnte aber erst ab 1936, als sie Palästina erreichten, wieder als Architekt arbeiten; Schlemmer starb 1943, als „entartet“ gebrandmarkt, in der inneren Emigration; der kunstsinnige Bauherr Erich Rabe musste während des Krieges in einem Lager Zwangsarbeit leisten, seine Frau wurde ins KZ verschleppt.
Radings Tochter, Fachärztin für Chirurgie, nutzte Praxis und Wohnbereich bis in die ersten Nachwende-Jahre. Ihrem Engagement und ih-rer Wertschätzung ist es zu verdanken, dass das Gebäude – auch in der ostdeutschen Mangelsituation – als Kunstwerk erhalten blieb. Das Haus Rabe hat, im Gegensatz zu vielen anderen, ihrer Interieurs beraubten Villen der Klassischen Moderne, den besonderen Charme des Authentischen. Schön, dass man daran in diesem Buch ausgiebig teilhaben kann.
Fakten
Autor / Herausgeber Werner Durth
Verlag Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2014
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aus Bauwelt 31.2015
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