Touch Me! Das Geheimnis der Oberfläche
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Touch Me! Das Geheimnis der Oberfläche
Text: Kasiske, Michael, Berlin
„Benutzeroberfläche“ wird die visuelle Schnittstelle zwischen Nutzer und Computer bezeichnet, auf der durch grafische Elemente symbolisierte Funktionen aktiviert werden können. Der für Innenraumgestaltung bekannte Wiener Architekt Gregor Eichinger versteht den Begriff ganz real – Oberfläche.
Was daraus für die Architektur folgt, erläutet er in der Publikation „Touch Me!“ im Gespräch mit Eberhard Tröger. Beide lehrten sechs Jahre an der ETH Zürich. Der Fokus der Arbeiten an Eichingers „Lehrstuhl für Benutzeroberfläche“ lag auf Atmosphäre, Materialwahl, Akustik und Licht. „Die Spuren unserer Präsenz und unserer Bedürfnisse hinterlassen einen Abdruck in der Benutzeroberfläche der Architektur. Dieses Abbilden des Lebens in den Räumen und ihren Materialien müssen wir ermöglichen. Wenn die Oberfläche das nicht kann, dann erfüllt die Architektur ihre Funktion nicht.“ Diesen Anspruch einlösend entwickelte Eichinger den Ansatz, Architek-
tur konsequent von innen nach außen zu denken. Am Anfang steht die Frage, was in den Räumen stattfinden soll oder könnte, davon ausgehend werden erst die Oberfläche und dann die innere Struktur entworfen.
Um für die Entwurfsaufgaben möglichst alltagsnahe Umstände zu erzeugen, standen reale Perso-nen als fiktive „Bauherren“ zur Verfügung, die Anforderungen einspeisten, Rückfragen beantworteten und das Ergebnis bewerteten. Zu ihnen zählten der Künstler Peter Weibel und der Philosoph Peter Sloterdijk, die jeweils außerordentlich spezifische Vorstellungen für ihre Bibliotheken als Denk- und gleichzeitig Wohnraum hatten.
Den methodischen Ansatz entwickelte Eichin-ger einst für Berlin. 1991 hatte der Senator für Stadtentwicklung – neben fünf anderen Teams – die „Gruppe Rastlos“ unter der Ägide von Andreas Brandolini und eben Eichinger mit der Konzeption einer „Stadtidee“ für Berlin beauftragt. Beide Architekten erarbeiteten eine fragmentarische Corporate Iden-tity mit dem Titel „Die Benutzeroberfläche der Stadt“, die neben Gestaltung auch Dienstleistungen beinhaltete. Das stieß damals auf wenig Verständnis. Wie sie selbst ihre Arbeit sahen, wird in den am Lehrstuhl entstandenen Filmen lebendig, die unter http://bof.arch.ethz.ch/films/ zu sehen sind.
Die Thesen von Eichinger sind manchmal verstiegen, manchmal überraschend, wie etwa zur Inszenierung von Politikern: „Erlebt man ein und den selben Menschen einmal in einem kühl möblierten großen Loft und das andere Mal in einem intensivst eingerichteten Salon, so scheint er zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten anzunehmen.“ Idealerweise ist die Benutzeroberfläche anschaulich und offen für Interpretationen des Nutzers. Wie auch das Buch, das in rotes Leinen gebunden und auf offenes Papier gedruckt, angenehm in den Händen liegt. Es wurde vom Konzeptkünstler Ecke Bonk gestaltet.
Den Niedergang qualitätvoller Oberflächen schreibt Eichinger dem Verlust selbstbewusster Bauherren zu, die ihren subjektiven Entscheidungen mehr trauen als vermeintlichen Konventionen. Denn im Unterschied zum Bildschirm lässt sich die Oberfläche der Architektur nicht per Mausklick wechseln. Das bringt der auch äußerlich sinnenfroh wirkende Eichinger salopp auf den Punkt: „Mit einer Erdbeertorte kann man eine Affäre haben, aber mit der Benutzeroberfläche der Architektur baut sich eine echte Beziehung auf.“
tur konsequent von innen nach außen zu denken. Am Anfang steht die Frage, was in den Räumen stattfinden soll oder könnte, davon ausgehend werden erst die Oberfläche und dann die innere Struktur entworfen.
Um für die Entwurfsaufgaben möglichst alltagsnahe Umstände zu erzeugen, standen reale Perso-nen als fiktive „Bauherren“ zur Verfügung, die Anforderungen einspeisten, Rückfragen beantworteten und das Ergebnis bewerteten. Zu ihnen zählten der Künstler Peter Weibel und der Philosoph Peter Sloterdijk, die jeweils außerordentlich spezifische Vorstellungen für ihre Bibliotheken als Denk- und gleichzeitig Wohnraum hatten.
Den methodischen Ansatz entwickelte Eichin-ger einst für Berlin. 1991 hatte der Senator für Stadtentwicklung – neben fünf anderen Teams – die „Gruppe Rastlos“ unter der Ägide von Andreas Brandolini und eben Eichinger mit der Konzeption einer „Stadtidee“ für Berlin beauftragt. Beide Architekten erarbeiteten eine fragmentarische Corporate Iden-tity mit dem Titel „Die Benutzeroberfläche der Stadt“, die neben Gestaltung auch Dienstleistungen beinhaltete. Das stieß damals auf wenig Verständnis. Wie sie selbst ihre Arbeit sahen, wird in den am Lehrstuhl entstandenen Filmen lebendig, die unter http://bof.arch.ethz.ch/films/ zu sehen sind.
Die Thesen von Eichinger sind manchmal verstiegen, manchmal überraschend, wie etwa zur Inszenierung von Politikern: „Erlebt man ein und den selben Menschen einmal in einem kühl möblierten großen Loft und das andere Mal in einem intensivst eingerichteten Salon, so scheint er zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten anzunehmen.“ Idealerweise ist die Benutzeroberfläche anschaulich und offen für Interpretationen des Nutzers. Wie auch das Buch, das in rotes Leinen gebunden und auf offenes Papier gedruckt, angenehm in den Händen liegt. Es wurde vom Konzeptkünstler Ecke Bonk gestaltet.
Den Niedergang qualitätvoller Oberflächen schreibt Eichinger dem Verlust selbstbewusster Bauherren zu, die ihren subjektiven Entscheidungen mehr trauen als vermeintlichen Konventionen. Denn im Unterschied zum Bildschirm lässt sich die Oberfläche der Architektur nicht per Mausklick wechseln. Das bringt der auch äußerlich sinnenfroh wirkende Eichinger salopp auf den Punkt: „Mit einer Erdbeertorte kann man eine Affäre haben, aber mit der Benutzeroberfläche der Architektur baut sich eine echte Beziehung auf.“
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