Hilft viel viel? Oder ist weniger mehr?
Baukunst in Zeiten des Klimawandels
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Hilft viel viel? Oder ist weniger mehr?
Baukunst in Zeiten des Klimawandels
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Ja, man konnte ins Grübeln kommen, im Laufe dieses Vormittags Ende Juni im Sheraton-Hotel Hannover. Um „Nachhaltiges Bauen“ sollte es gehen; die Architektenkammer Niedersachsen hatte in die ehemaligen Pelikan-Hallen zu ihrem 4. Symposium für Baukultur eingeladen.
Und dann erläuterte Architekt Gerd Mrohs vom Büro KSP Jürgen Engel, was sich die Projektteams alles hatten einfallen lassen, um das Ziel zu erreichen, möglichst weitgehend verglaste Gebäude zu planen, welche transparent seien und Offenheit verkörperten, ohne dabei als Energieschleudern aufzutreten. Technisch ist da eine Menge machbar, das wurde schnell klar, und Gütesiegel gibt es inzwischen auch genug: Neben dem Gold und Silber der DGNB etwa das LEED-Platinum aus den USA. Ohne solche Plaketten geht es nicht mehr, weil sonst ein Projekt weniger marktgängig ist, den Investoren auf längere Sicht also weniger Rendite verspricht – „nachhaltig bauen“ dank den Mechanismen der Immobilienspekulation.
Und so sah das Publikum Projekte wie den Neubau der Deutschen Börse in Eschborn, die Verwaltung der Deutschen Flugsicherung oder das Westendduo in Frankfurt am Main – architektonisch allesamt gewiss anspruchsvoll geplant und realisiert. Aber sieht so „nachhaltiges Bauen“ aus, Zertifikate hin oder her? Taugen diese Gebäude als ikonographische Wegweiser hin zu einer eleganteren, sauberen, emissionslosen Gesellschaft? Lässt sich diese überhaupt visualisieren mit derart hoch gerüsteten Objekten, frei im Raum verteilt, mit reichlich Abstandsgrün und Parkplätzen drum herum? Sind das nicht letztlich Ikonen von vorgestern, aus der Hochzeit der autogerechten Stadt? Die Herangehensweise ist doch diese: Weitermachen wie bisher, nur technisch gescheiter. Nichts gegen technische Innovation; Innovationen machen den „Standort Deutschland“ konkurrenzfähiger, öffnen Märkte, schaffen Jobs. Um im globalen Kapitalismus unseren Wohlstand zu verteidigen, brauchen wir Innovation, Beschleunigung, Zugriff, Wachstum. Viel hilft viel.
Wider eine neue Technokratie des Ökologischen
Oder ist weniger mehr? Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, fragte am Nachmittag grundsätzlich und mahnte Augenmaß an: Solange wir alle im Eigenheim im Grünen wohnen und nur mit einem oder gar mehreren privaten PKW unseren Alltag zu bewältigen wissen, seien isolierte technische Applikationen bestenfalls nachsorgende Beruhigung. Für ein wahrhaft „nachhaltiges Bauen“ brauche es zuallererst mehr gesunden Menschenverstand, mehr bodenständiges Denken; einfache Lösungen, die auch da helfen, wo die Highend-Hochtechnologie-Systeme gar nicht erschwinglich sind. Häuser würden gebaut, um Menschen zu beheimaten, nicht, um Energie zu sparen. Und solange Fragen des Kontextes und der Organisation der Mobilität bei der Zertifizierung von Gebäuden unberücksichtigt blieben, könne eine aufrichtige ökologische Bilanz gar nicht aufgestellt werden, warnte Braum – bloß kein neuer funktionalistisch verengter Blick aufs Bauen. Aber wer könnte eine solche, über die noch fassbaren Grenzen eines einzelnen Projektes hinaus blickende Bewertung vornehmen?
Immerhin ein Projekt wurde noch dargestellt, auf dessen „Nachhaltigkeit“ sich wohl alle umstandslos einigen konnten: der Sanierungsplan für ein Wohngebäude in der Wolfsburger Gustav-Freytag-Straße. Das denkmalgeschützte Gebäude stammt aus der Gründungszeit der „Stadt des KdF-Wagens“ und bedarf der Anpassung an heutige Ansprüche. Seine gestalterischen Qualitäten, die beispielsweise in den unterschiedlichen Strukturen der Putzfassaden liegen, sollten erhalten bleiben, so Denkmalpflegerin Heidi Fengel; die übliche Einpackung mit einem Wärmedämmverbundsystem kam also nicht in Frage. Und auch die Wohnqualität sollte „nachhaltig“ gesichert werden, was bedeutet, den Mieter weder mit technischer Ausstattung wie einem komplizierten Lüftungssystem zu überfordern noch mit chemischen Wandoberflächen zu schädigen. Nachdem mit fast wissenschaftlicher Akribie unterschiedliche Maßnahmen untersucht wurden, steht nun die Realisierung dieses Pilotprojekts bevor. Dabei wird eine innere Ziegelschale den Wandquerschnitt verstärken; die Decken über dem Keller und unter dem Dachboden werden gedämmt, Plattenheizkörper durch ein Fußleistenheizsystem ausgetauscht, das die Temperatur der Wandoberflächen erhöht und das Raumklima verbessert. Der Endenergieverbrauch soll um ein Drittel sinken, ist die Zielmarke der Wolfsburger Neuland Wohnungsgesellschaft.
Und so sah das Publikum Projekte wie den Neubau der Deutschen Börse in Eschborn, die Verwaltung der Deutschen Flugsicherung oder das Westendduo in Frankfurt am Main – architektonisch allesamt gewiss anspruchsvoll geplant und realisiert. Aber sieht so „nachhaltiges Bauen“ aus, Zertifikate hin oder her? Taugen diese Gebäude als ikonographische Wegweiser hin zu einer eleganteren, sauberen, emissionslosen Gesellschaft? Lässt sich diese überhaupt visualisieren mit derart hoch gerüsteten Objekten, frei im Raum verteilt, mit reichlich Abstandsgrün und Parkplätzen drum herum? Sind das nicht letztlich Ikonen von vorgestern, aus der Hochzeit der autogerechten Stadt? Die Herangehensweise ist doch diese: Weitermachen wie bisher, nur technisch gescheiter. Nichts gegen technische Innovation; Innovationen machen den „Standort Deutschland“ konkurrenzfähiger, öffnen Märkte, schaffen Jobs. Um im globalen Kapitalismus unseren Wohlstand zu verteidigen, brauchen wir Innovation, Beschleunigung, Zugriff, Wachstum. Viel hilft viel.
Wider eine neue Technokratie des Ökologischen
Oder ist weniger mehr? Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, fragte am Nachmittag grundsätzlich und mahnte Augenmaß an: Solange wir alle im Eigenheim im Grünen wohnen und nur mit einem oder gar mehreren privaten PKW unseren Alltag zu bewältigen wissen, seien isolierte technische Applikationen bestenfalls nachsorgende Beruhigung. Für ein wahrhaft „nachhaltiges Bauen“ brauche es zuallererst mehr gesunden Menschenverstand, mehr bodenständiges Denken; einfache Lösungen, die auch da helfen, wo die Highend-Hochtechnologie-Systeme gar nicht erschwinglich sind. Häuser würden gebaut, um Menschen zu beheimaten, nicht, um Energie zu sparen. Und solange Fragen des Kontextes und der Organisation der Mobilität bei der Zertifizierung von Gebäuden unberücksichtigt blieben, könne eine aufrichtige ökologische Bilanz gar nicht aufgestellt werden, warnte Braum – bloß kein neuer funktionalistisch verengter Blick aufs Bauen. Aber wer könnte eine solche, über die noch fassbaren Grenzen eines einzelnen Projektes hinaus blickende Bewertung vornehmen?
Immerhin ein Projekt wurde noch dargestellt, auf dessen „Nachhaltigkeit“ sich wohl alle umstandslos einigen konnten: der Sanierungsplan für ein Wohngebäude in der Wolfsburger Gustav-Freytag-Straße. Das denkmalgeschützte Gebäude stammt aus der Gründungszeit der „Stadt des KdF-Wagens“ und bedarf der Anpassung an heutige Ansprüche. Seine gestalterischen Qualitäten, die beispielsweise in den unterschiedlichen Strukturen der Putzfassaden liegen, sollten erhalten bleiben, so Denkmalpflegerin Heidi Fengel; die übliche Einpackung mit einem Wärmedämmverbundsystem kam also nicht in Frage. Und auch die Wohnqualität sollte „nachhaltig“ gesichert werden, was bedeutet, den Mieter weder mit technischer Ausstattung wie einem komplizierten Lüftungssystem zu überfordern noch mit chemischen Wandoberflächen zu schädigen. Nachdem mit fast wissenschaftlicher Akribie unterschiedliche Maßnahmen untersucht wurden, steht nun die Realisierung dieses Pilotprojekts bevor. Dabei wird eine innere Ziegelschale den Wandquerschnitt verstärken; die Decken über dem Keller und unter dem Dachboden werden gedämmt, Plattenheizkörper durch ein Fußleistenheizsystem ausgetauscht, das die Temperatur der Wandoberflächen erhöht und das Raumklima verbessert. Der Endenergieverbrauch soll um ein Drittel sinken, ist die Zielmarke der Wolfsburger Neuland Wohnungsgesellschaft.
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