Bauwelt

Umstritten

Die Novelle des säch­sischen Denkmalschutzgesetzes

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Umstritten

Die Novelle des säch­sischen Denkmalschutzgesetzes

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Welche Zukunft hat der Denkmalschutz in Sachsen? Über diese Frage wird gegenwärtig erbittert gestritten. Auslöser der Debatte ist ein Entwurf des sächsi­schen Innenministeriums vom März 2010 für eine Änderung des Denkmalschutzgesetzes.
Eine wichtige Änderung betrifft die Denkmaleigenschaften. Derzeit werden Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, die von geschichtlicher, künstlerischer, wissenschaftlicher, städtebaulicher oder landschaftsgestalterischer Bedeutung sind. In Zukunft soll die städtebauliche Bedeutung keine Rolle mehr spielen. Bauwerke, die aus städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz stehen, weil sie beispielsweise Teil einer geschlossenen Blockrandbebauung sind, könnten infolgedessen ihren Denkmalschutz verlieren.
Eine weitere Neuerung stellt die geplante Klassifizierung der Denkmale dar. Nach der bisherigen Regelung genießen alle Einzeldenkmale den gleichen Schutz und können nur im Einvernehmen mit den Oberen Denkmalbehörden abgerissen werden. Künftig soll zwischen einfachen Denkmalen und „Kul­turdenkmalen von herausragender Bedeutung“ unterschieden werden. Welchen Baudenkmalen eine her­ausragende Bedeutung zukommt, wird in dem Gesetzesentwurf relativ vage formuliert, konkret benannt werden UNESCO-Welterbestätten und Baudenk­male von internationaler, nationaler und überörtli­cher Bedeutung. Schätzungen des Innenministeriums gehen davon aus, dass ungefähr 30 Prozent der jetzigen Baudenkmale von herausragender Bedeutung sind. Für diese Bauten soll der bisherige Schutz weiterhin gelten. Für die übrigen Baudenkmale wären dagegen dann allein die Unteren Denkmalbehörden zuständig. Diese sind allerdings den Bürgermeistern und Landräten gegenüber weisungsgebunden und können deshalb den Abriss von Baudenkmalen nur sehr eingeschränkt verhindern.
Des Weiteren soll die Erhaltungspflicht für Eigentümer von Baudenkmalen deutlich eingeschränkt werden. Zukünftig gilt der Erhalt nur noch dann als zumutbar, wenn die Erhaltungskosten durch die Erträge der Gebäude gedeckt werden können. Folgerichtig könnten die vielen unrentablen Baudenkmale in Sachsen künftig viel einfacher abgerissen werden.
Das sächsische Innenministerium begründet die Gesetzesnovelle mit dem Widerspruch zwischen der Vielzahl an Denkmalen in Sachsen und den schwin­denden Möglichkeiten des Erhalts. Insgesamt gibt es im Freistaat rund 105.000 Einzeldenkmale. Spitzenreiter ist Leipzig mit über 15.000 Einzeldenkmalen, es folgen Dresden mit 13.000, Chemnitz mit 5000 und Görlitz mit 4000. Zum Vergleich: Hamburg verfügt über 2800, München über 7000 Einzeldenkmale. Seit 1990 sind in Sachsen rund 3400 denkmalgeschützte Bauten der Abrissbirne zum Oper gefallen, selbst wertvollste Altstadthäuser aus der Renaissance- und Barockzeit. Das Innenministerium sieht mit dem neuen Gesetz bessere Chancen für den Erhalt eben dieser Altstadtkerne.
Allerdings stößt der Gesetzesentwurf auch auf Widerstand. Das deutsche Nationalkomitee des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) pro­testierte ebenso wie der Freiberger Altertumsverein, der Verband der deutschen Kunsthistoriker, die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger Deutschlands, der Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. und andere Initiativen. Die Gegner befürchten, dass das neue Gesetz den Schutz der Baudenkmale nicht verbessert, sondern verschlechtert. Besonders kritisch wird die Verknüpfung der Geset­zesänderung mit der geplanten personellen Ausdünnung der Denkmalbehörden gesehen. Denn die Unterscheidung zwischen herausragenden und einfachen Baudenkmalen würde ein qualifiziertes Personal in den Denkmalbehörden erfordern, das dann aber fehlen würde. Am Ende könnte es sein, dass nicht wissenschaftliche Expertise, sondern politische Willkür darüber entscheidet, welche Baudenkmale als her­aus­ragend eingeschätzt werden und welche nicht.

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