Bauwelt

Kapitel 13: Japanische Superflatness und der Abbau von Hierarchien

Interview mit Taro Igarashi

Text: Gutiérrez, Vicente; Rabe, Henrike; Igarashi, Taro, Tokyo

Kapitel 13: Japanische Superflatness und der Abbau von Hierarchien

Interview mit Taro Igarashi

Text: Gutiérrez, Vicente; Rabe, Henrike; Igarashi, Taro, Tokyo

Wir warten am schicken, belebten Omotesando-Boulevard auf Taro Igarashi, dem Kommissar des Japanischen Pavillons auf der letzten Biennale in Venedig 2008. Er ist Architekturkritiker und Professor an der Tohoku-Universität Sendai. In Japan ist Igarashi omnipräsent, mit über 30 Publikationen ist seine Stimme unüberhörbar. Als Igarashi auf uns zukommt, sieht er jünger und weniger förmlich aus als erwartet. Sobald aber die Rede auf „superflat architecture“ kommt, hängt eine andere Atmosphäre im Raum: etwas von Seminar.
 
Der Künstler Takeshi Murakami verwendete den Begriff „superflat“ erstmals 2000 im Zusammenhang mit seiner „Superflat“-Ausstellung über Manga-Kultur. Wie kam es dazu, dass Siediesen Begriff auch auf Architektur anwenden?

1999, als die Idee von Superflat gerade aufkam, beauftragte mich die Zeitschrift Kohkoku damit, dieses Konzept explizit in Hinsicht auf Archi- tektur zu untersuchen. Das Heft geriet zu einer Sonderausgabe über die möglichen Anwendun­gen des Begriffes. Zu gleicher Zeit hatten mehrere neue interessante Entwicklungen, etwa der Bau von Toyo Itos Sendai Mediathek und das QFRONT-Gebäude in Shibuya, einen Zeitenwech­sel bereits angekündigt.
 
Superflatness – was ist die eigentliche Essenz von „superflat“-Comics, -Kunst, -Fotografie, -Mode, Architektur und urbaner Lebenskultur?

Zwei Punkte sind zentral für diese „Flachheit“. Zum einen die Auflösung von Hierarchie in eine Richtung, die sich eher an horizontalen Modellen und Strategien orientiert. Der zweite Punkt liegt im Vergleich zwischen der Perspektive und der Tiefenwirkung in der westlichen Malerei und dem historischen Fehlen von Tiefe und Drei­dimensionalität in der traditionellen japani­schen Malerei.
 
Wie genau wird die Frage der Hierarchie durch die japanischen Architekten neu betrachtet?

In erster Linie betraf das die organisatorische Hierarchie im praktischen Alltag der Büros. In den 90er Jahren gab es ein Anwachsen der klei­neren Architekturbüros – auf Japanisch nennt man sie „unitpa“ –, etwa Mikan Gumi und Atelier Bow-Wow. Junge Architekten bildeten lose Gruppen, die sich nicht nach vertikalen, hierarchischen Mustern organisierten.
Ein zweiter Punkt ist das Bauprogramm selbst. Das horizontale Arrangement der Räume in SANAAs 21st Century Museum of Modern Art ist das Ergebnis aus einer neuen Lektüre des Raumprogramms „gegen den Strich“ und dem Überdenken konventioneller Layouts und Raumstrukturen. Ein typisches Museum hat eine sehr klar definierte Aufteilung, also Vorderfassade und Abseite – dieses Museum hat eine 360°-Fassade, an jeder beliebigen Stelle ist „die“ Front. Dieser Bau mit einem Grundriss von ei­ner Kreisfläche von mehr als 100 Metern Durchmesser ist ein Non-Monument mit einem sehr heutigen Raumgefühl, fast wie bei einem Supermarkt.
 
Können Sie ein Beispiel nennen, wie die „Unter­schiede zwischen tragender Konstruktion,
Innenausbau und Dekor“ verwischt werden?

Nehmen wir Toyo Itos „K House“. Aluminium wird normalerweise nur für Fensterrahmen oder als Oberflächenfinish verwendet. In diesem Fall experimentierte Ito damit, das Material Aluminium für das gesamte Tragwerk des Baus ein-zusetzen. Die Beschränkung auf ein einziges Material hat einen „flattening“ Effekt: Das Haus wirkt dann eher wie ein Architekturmodell.
 
Wie kommt es, dass Architekten, die eine „superflache Architektur“ exportieren, derzeit
zu Japans erfolgreichsten Architekten zählen?

Diese Frage können Ihnen die Ausländer sicherlich viel besser beantworten (lacht).

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