Bauwelt

BUGA-Pavillon


Debüt Nr. 12


Text: Meyer, Friederike, Berlin


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Von Studenten am Rechner entworfen, von jungen Handwerkern errichtet und von Mediendesignern ausgestattet. Der BUGA-Pavillon in Koblenz will zeigen, was heute technisch machbar ist.
Der Baum bleibt stehen. So wollten es die Architekturstudenten von der Fachhochschule Trier, die am Deutschen Eck in Koblenz einen Pavillon für die diesjährige Bundesgartenschau entworfen haben. Dass sie dabei mit 3D-Programmen arbeiteten, liegt an Holger Hoffmann, der in Trier Entwerfen mit dem Computer unterrichtet und der Christoph Krause kennt. Krause, Leiter des Kompetenzzentrums der Handwerkskammer Koblenz, wollte einen Pavillon entwickeln, der zum Ausbildungsgegenstand für Studenten und Handwerker wird und zeigt, was heute technisch machbar ist.
150 Quadratmeter Fläche sollte er haben, Raum für Veranstaltungen, Ausstellungen und Workshops bieten und im Oktober, nach Ende der BUGA, auf das Gelände der Handwerkskammer umziehen können. Dass die Konstruktion aus Holz­modulen sein würde, war allen ziemlich schnell klar – Holz ist kostengünstig, einfach zu bearbeiten und schnell zu montieren. Und schließlich ist Holzbau im waldreichen Rheinland-Pfalz ein großes Thema. Der Pavillon umarmt den Baum auf dem Parkplatz neben der Kirche, daher sein Name treehugger. Um den Baum herum rotiert eine Struktur aus Fünfecken und Rhomben. Der Boden spiegelt sich in der Decke und umgekehrt. Die Studenten bezeichnen das System als einen Rost, der an fünf Punkten verformt ist, um dort als Stütze die Decke zu tragen. An der Form haben sie am Rechner lange gefeilt, damit zum Beispiel Nischen für die Ausstellung entstehen, damit der Lichteinfall stimmt, damit die Stütze statisch funktioniert.
FM
Als Ihr Pavillon-Projekt in der Bauwelt-Redaktion eintraf, hat es eine Redakteurin auf den „Parametrik“-Stapel gelegt. War das richtig?
Holger Hoffmann | Das ist schon in meinem Sinne. Obwohl Parametrik kein Selbstzweck ist und das Entwerfen mit Parametern nichts Neues. Mich interessiert hier vor allem die Methodik, weniger die Ästhetik. Architekten nehmen immer Parameter. Neu ist nur, dass wir sie im Computer ergebnisoffen verhandeln können, weil sie nicht von Beginn an mit einem Formwillen überladen werden.

Welche Parameter haben sie beim Pavillon im Computer verhandelt?
Im Bereich der Verbindung von Boden und Decke ging es zum Beispiel um die Statik, den Lichteinfall und die Organisation des Raumes. Das Besondere ist, dass man nicht wie beim analogen Entwerfen immer nur einen Parameter optimiert, sondern mehrere gleichzeitig. Die Auswirkungen können im Computer schnell simuliert werden.

Gab es beim Entwerfen keinerlei Formwillen?
Es gab Referenzen an das Dach der Kirche zum Beispiel, die Bäume auf dem Grundstück, das BUGA-Logo. Die Tragkonstruktion sollte die Ornamentik des Raums bestimmen. Wir haben sie aus Fünfecken aufgebaut, die symmetrisch um einen zentralen Punkt angeordnet sind. An jeder Kante wird ein weiteres Fünfeck gespiegelt, dazwischen entstehen Rauten. Aus diesem Muster entsteht die Decke, die sich wiederum im Boden spiegelt. An fünf Stellen sind Boden und Decke verbunden. Wie diese Verbindung aussieht, ist jedoch weniger Formwillen, sondern Ergebnis des digitalen Entwurfsprozesses.
Warum Fünfecke?
Wir haben verschiedene polygonale Ordnungssysteme ausprobiert. Das fünfeckige war vergleichsweise einfach. Anders als etwa hexagonale Strukturen lässt das Fünfeck Sondergeometrien zu.
Welche Botschaft soll der Pavillon den BUGA-Besuchern vermitteln?

Zunächst soll er ein gut proportionierter und angenehmer Raum sein und nebenbei zeigen, wie weit man heute mit aktuellen Fertigungsmethoden gehen kann und wie junge Architekten heute arbeiten.
Um welche aktuelle Fertigungsmethode handelt es sich hier?
Wir haben aus Kostengründen Kerto-Platten und gerade Brettschichtholz-Träger verwendet, die mit einer Standard-Abbundmaschine hergestellt werden. Diese sägt sie auf Gehrung, bohrt Löcher und schneidet die Spitze ein. Das Holzstück kriegt am Ende einen Stempel, damit man weiß, wo es hinkommt. Der Vorteil ist, dass wir die 3D-Daten aus dem Rechner direkt an die Hersteller geben können. Die muss sie zwar überarbeiten, aber wir können uns die ganze 2D-Zeichenarbeit sparen. Und der Pavillon steht ziemlich exakt so hier, wie wir ihn im Computer entworfen haben.
Mit klassischem NURBS-Modeling, wie es im Projekttext steht?
Nicht nur. Das Geometriemodell hat eine Studentin programmiert. NURBS bedeutet mathematisch abgebildetes Rechnen im Computer. Wir arbeiten mit Rhino, einem Programm, das ähnlich einem CAD-Programm sehr präzise ist, mit dem man aber auch intuitiv entwerfen kann. Ich glaube, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen dem Computerprogramm und dem architektonischen Output. Das war schon immer so: Mit einem 6B-Bleistift entsteht etwas anderes, als wenn ich mit Tusche zeichne. Mit Pappmodellen etwas anderes, als wenn ich mit Nylonstrümpfen und Drähten arbeite. Die Architektur hat immer mit dem Medium zu tun, mit dem wir arbeiten.
Haben die Studenten ein Modell gebaut?
Ein Arbeitsmodell gab es nicht. Aber ein Präsentationsmodell, mit einem 3D-Drucker produziert  bzw. mit dem Lasercutter geschnitten.   
Ein Argument der Kritiker des digitalen Entwerfens ist, dass Formen generiert werden, weil sie möglich und nicht weil sie sinnvoll sind. Was antworten Sie denen, die Modellbau und Freihandzeichnen für das essientielle Handwerkszeug von Architekten halten?
Die CAD-Ausbildung an der FH Trier beginnt im 2. Semester. Davor lernen die Studierenden natürlich Skizzieren und Modellbau. Komplexe Formen können aber mit dem Computer schneller und präziser abgebildet werden. Das bedeutet nicht nur Zeitersparnis, sondern auch Komplexitätsgewinn. Die Ambition muss doch sein, sich nicht durch das Medium in seinem Schaffen beschränken zu lassen. Es hat immer Erfindungen gegeben, die Architektur nachhaltig verändern. Perspektive, Eisenbeton und jetzt der Computer. Wir unterrichten eine Generation, für die Facebook Lebenswirklichkeit ist, die ein Alter ego im Computer hat. Denen kann ich doch nicht verbieten, mit dem Computer zu arbeiten, oder ihn nur zum Zeichnen von Fassaden zu verwenden. Vor allem nicht, wenn weltweit Projekte am Computer entworfen werden. Wir können uns guten Gewissens von einigen Dogmen des 20. Jahrhunderts verabschieden.

Stehen wir vor einer Wende in der Architektur?
Die hat längst stattgefunden. Wir haben das hier nur nicht gemerkt, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, die Relevanz vergangener Architekturstile zu diskutieren. Und zur gleichen Zeit entstehen in Deutschland fantastische und international rezipierte Projekte: das Mercedes-Benz Museum, das Phaeno, die Allianz-Arena, usw., die von ausländischen Büros geplant wurden, in denen ausgewanderte junge deutsche Architekten arbeiten. Leider wird das Potenzial dieser Generation hier im Land viel zu wenig genutzt. Und jetzt drängen gut ausgebildete asiatische Architekten auf den Markt – deren Arbeit, anders als bei uns, von sehr dynamischen Volkswirtschaften mitgetragen wird. Ich kann mir vorstellen, dass damit eine europäische Perspektive zunehmend unwichtiger wird.
Patrick Schumacher sieht die Parametrik als das nächste große Ding – nach Antike, Renaissance und Moderne. Sie auch?
Er formuliert „parametricsm“ auch als Stil. Das kann ich so nicht teilen. Ich finde es aber bemerkenswert, dass er für die wahrscheinlich wichtigste Entwicklung der zeitgenössischen Architektur eine so fundierte theoretische Basis formuliert hat. Und der Stellenwert des Büros Zaha Hadid gibt ihm dabei Recht.
Man kann den Auftraggebern von Zaha Hadid unterstellen, eher ein Marketinginteresse denn ein Interesse an guter Architektur zu haben.

Das trifft ja auf alle Architekten zu, die ein Branding etabliert haben. Wenn ich aus den Schweizer Bergen komme und mich ein bisschen spröde gebe und Bretter oder alte römische Ziegel stapele, ist das Marketing wie alles andere auch.



Fakten
Architekten one fine day : office for architectural design, Düsseldorf
aus Bauwelt 23.2011
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