Das Museum soll Brücken bauen
Jack Persekian über das Konzept eines palästinensischen Museums
Text: Mühlbauer, Lore, München
Das Museum soll Brücken bauen
Jack Persekian über das Konzept eines palästinensischen Museums
Text: Mühlbauer, Lore, München
Herr Persekian, Sie leiten das Palestinian Museum, das derzeit in Bir Zait gebaut wird.
Worin sehen Sie die Aufgabe des Museums und was wollen Sie präsentieren?
Worin sehen Sie die Aufgabe des Museums und was wollen Sie präsentieren?
Das Museum soll in erster Linie ein sicherer Hafen werden, wo die Menschen ihre Geschichte erzählen können und sich die über die Welt verstreuten Palästinenser treffen können. Wir versuchen Ableger zu gründen und gehen Partnerschaften mit größeren palästinensischen Gemeinschaften in der ganzen Welt ein. Das Museum soll sich dann als Knotenpunkt dieses Netzwerks etablieren, als transnationales Museum. Die Ausstellungen werden die palästinensische Kultur aus einer breiten Perspektive zeigen und verfestigte Ansichten in Frage stellen. An diesem Ort soll es Freiräume geben.
An wen richtet sich das Programm?
Das Museum ist nicht an irgendeine politische, religiöse oder andere Richtung gebunden, und es ist finanziell unabhängig. Hier wird nicht gewertet und beurteilt. Insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten hat eine stetige Fragmentierung und Segregation von Land und Leuten, von Gemeinden in Gaza, der Westbank und Israel stattgefunden. Das Museum soll Brücken bauen, nicht nur in Palästina.
Wie entwickelt sich der Bau?
Das Museum wird in zwei Abschnitten gebaut. Wir beginnen mit einem kleineren Gebäude, welches auf 3500 Quadratmetern temporäre Ausstellungsflächen, Büros und Funktionsräume beherbergt. In den nächsten fünf bis zehn Jahren soll das zweite Gebäude folgen. Es soll genug Fläche für Dauerausstellungen, eine öffentliche Bibliothek und weitere Einrichtungen bieten. Geplant ist eine bebaute Fläche von insgesamt 10.000 Quadratmetern. Der Garten soll einmal 2000 Quadratmeter einnehmen und archäologische Ausstellungen oder eine Schau der Agrargeschichte aufnehmen.
Welche Beziehung haben Sie zu dem Projekt?
Ich stamme aus Palästina und meine Familie lebt hier. Ich arbeitete vorher bei der Sharjah Biennale in den Vereinigten Arabischen Emiraten und war dort in alle Bereiche, von Ausstellung bis Orga-nisation, stark eingebunden, da blieb keine Zeit zum Nachdenken. Die Entlassung gab den Anstoß, meine Situation zu reflektieren. Was will ich eigentlich im Leben? In Palästina zu arbeiten, erfüllt einen Traum und machte mir klar, dass ich mich von den wirklich wichtigen Arbeiten zuhause entfernt hatte. Mit den Erfahrungen aus dem Ausland kann ich die Dinge hier nun einmal nicht auf die eingefahrene Art und Weise betreiben, sondern mit dem Museum etwas Außergewöhnliches versuchen.
Die Architektur des Palestinian Museum
2011 lobte die gemeinnützige Welfare Association für das Palestinian Museum einen internationalen Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren aus. Aus 40 Bewerbungen wurden fünf Architekturbüros ausgewählt, eine konzeptionelle und technische Idee einzureichen. Nach der Präsentation in London erhielt das Büro Heneghan Peng den Auftrag.
Unser Konzept bettet das Museum in eine Reihe kaskadenartig abfallender Terrassen ein, die durch ihre Bepflanzung eine Vielzahl von Geschichten über Palästina erzählen: über eine abwechslungsreiche Landschaft mit Verbindungen nach Ost und West, über einheimische Kräuter oder über Pflanzen wie z.B. Zitrusbäume, die auf historischen Handelswegen ins Land kamen. Das Gebäude haben wir auf dem höchsten Punkt des Geländes platziert. Es erstreckt sich von Nord nach Süd und verleiht der Hügelkuppe ein markantes Profil.
Das Museum ist überwiegend eingeschossig. Es wird auf halber Länge betreten, von hier öffnet sich der Blick auf die Landschaft und den Garten. Auf der Nordseite liegt ein Café mit Terrasse. Auf der Westseite bieten zwei dreieckige Glasflächen einen freien Blick in Richtung Mittelmeer. In einer partiellen, tiefer gelegenen Ebene sind die Sammlungslager und ein Bildungszentrum untergebracht, das auf ein Amphitheater hinausführt.
Die Stahlbetonkonstruktion besteht aus einer Reihe von Rahmen, die durch dünne Betonscheiben verbunden sind. Sie wird komplett mit Kalkstein verkleidet, der aus einem Steinbruch bei Bethlehem gewonnen wird. Die Steinverkleidung reflektiert stark, womit eine übermäßige Wärmeentwicklung vermieden wird. Im Innern dienen die freiliegende Betonkonstruktion und der Fußboden aus Naturstein als Kühlkörper. Über das Dach wird Regenwasser gesammelt und in unterirdischen Behältern gespeichert, es wird für die Bewässerung der Gärten genutzt.
Zu Beginn haben wir das Konzept mit einer Gruppe von europäischen Beratern entwickelt. In der fortgeschrittenen Entwurfsphase hatten wir Experten aus der Gegend. Seit Beginn der Bauarbeiten reisen wir einmal im Monat nach Palästina, um mit dem lokalen Projektteam und dem Bauausführer zusammenzuarbeiten. In dieser Region zu arbeiten ist eine bereichernde Erfahrung, da ein echter Austausch stattfindet. Das Gebäude wird Ende diesen Jahres fertig sein, die offizielle Eröffnung ist am 15. Mai 2016, dem „Tag der Nakba“. Conor Sreenan
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