Der Britische Pavillon
Der Britische Pavillon bleibt in diesem Jahr leer. Täglich um 16 Uhr gibt es aber Tee auf dem Dach, verspricht Kurator Adam Caruso. Bevor Großbritannien die EU verlässt, soll der großzügige Charakter der Briten unter Beweis gestellt werden.
Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main
Der Britische Pavillon
Der Britische Pavillon bleibt in diesem Jahr leer. Täglich um 16 Uhr gibt es aber Tee auf dem Dach, verspricht Kurator Adam Caruso. Bevor Großbritannien die EU verlässt, soll der großzügige Charakter der Briten unter Beweis gestellt werden.
Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main
Für Adam Caruso und Peter St John ist es bereits die dritte Venedig-Biennale, an der sie teilnehmen. Erstmals waren sie 2004 als eine von neun Positionen im Britischen Pavillon vertreten. Dann realisierten sie 2012 die Ausstellung „Pasticcio“ im Hauptpavillon der Giardini mit Pistazien-farbenen Wänden und einem großen Tisch, auf dem sie eigene Arbeiten und die befreundeter Architekten wie Hermann Czech, Andreas Hild und Peter Märkli präsentierten. Das brachte einen kühlen Hauch britischer Herrenclub-Atmosphäre in den verschwitzten Trubel Venedigs. Nun verantworten sie als Kuratoren gemeinsam mit dem Künstler Marcus Taylor den Britischen Pavillon. Ausgewählt im Rahmen eines Open Calls und beauftragt durch den British Council, haben sie sich entschlossen, den Pavillon leer stehen zu lassen und durch eine auf Gerüststangen montierte Piazza zu überbrücken. Oliver Elser, Kurator des Deutschen Pavillons „Making Heimat“ 2016, hat Adam Caruso per E-Mail einige Fragen gestellt.
Ihr Konzept erinnert an den Deutschen Pavillon von 2006, damals kuratiert von Grüntuch Ernst Architekten: Da gab es auch eine Plattform auf dem Dach, allerdings in leuchtendem Rot, von der man einen schönen Blick aufs Meer genießen sollte. Allerdings waren alle überrascht, wie hoch die Bäume tatsächlich sind und wie wenig man sieht. Geht es auch bei Ihrer Dachterrasse darum, romantisch in die Ferne zu schweifen?
Der Britische Pavillon steht auf der höchsten Stelle von ganz Venedig. Es stimmt, dass man von unserer Plattform einen ganz besonderen Blick auf die Giardini und die Lagune haben wird. Aber das ist nicht das Wichtigste. Wir verstecken den Pavillon hinter einem Gerüst, denn 2018 ist das letzte Jahr, in dem Großbritannien der EU angehört und deshalb wird es unklar bleiben, ob der Pavillon nun offen oder geschlossen ist, ob er abgerissen oder renoviert wird. Man findet dann zwar heraus, dass das Innere betretbar ist, aber die Räume bleiben leer. Diese Geste ist vielleicht romantisch, ja, aber sie ist zugleich witzig – oder auch sehr traurig.
Was geschieht auf dem Dach?
Die Plattform auf dem Gerüst bildet einen neuen Horizont. Die Spitze des Pavillondachs stößt jedoch durch das Zentrum der Plattform und erscheint als eine Insel auf der neuen Horizontlinie. Daher der Name unseres Beitrags, „Island“. Der Begriff Insel bezieht sich auch auf den Inselstaat Großbritannien, auf eine weltabgeschiedene Insel oder auch auf eine Insel, die für einen schiffbrüchigen Flüchtling die Rettung ist. Shakespeares Stück „Der Sturm“ war ein wichtiger Bezugspunkt, ein Drama, das ich nie ganz verstanden habe. Seine Rätsel und seine Unabgeschlossenheit sind vergleichbar mit unserem Projekt! Die leeren Innenräume werden wir benötigen, wenn es draußen regnet. Auf das Dach gelangt man aber nur von außen, über eine Treppe, die aus den Giardini hinaufführt.
Nochmal auf den Punkt gebracht: Was ist die politische Botschaft des Projekts?
Das zunächst zwiespältige Bild des eingehausten Pavillons ist eigentlich ein Hoffnungszeichen. Statt Leute draußen zu halten, geht es uns um Großzügigkeit, wir laden alle auf die Plattform ein, unseren ultimativen „Freespace“ im Sinne der Kuratoren Grafton. Es gibt dort ein Programm mit Performances, Konzerten, Tanz, Theater und Vorträgen. Jeden Tag um 16 Uhr wird Tee serviert. Wir haben alle anderen Teilnehmer der Biennale dazu eingeladen, Veranstaltungen bei uns durchzuführen, was auf großes Interesse stößt. Das alles bedeutet, dass wir in diesem Sommer den gastlichen und großzügigen Charakter der Briten unter Beweis stellen möchten. Außerdem erinnert die Plattform an die Hochwasserstege in Venedig: Die Stadt versinkt, der Meeresspiegel steigt, auch darum geht es.
Gab es Überraschungen bei der Vorbereitung?
Keine großen, wir waren ja schon mehrmals dabei. Es sind so viele Nationen und andere Beteiligte involviert, das fühlt sich an wie eine Mini-UNO. Unsere Nachbarn Kanada, Frankreich und Deutschland waren sehr verständnisvoll und haben unserem vergrößerten Flächenbedarf zugestimmt.
Sie arbeiten ausschließlich mit Standardelementen wie dem Gerüstbausystem, richtig? Das heißt, es ist alles „as found“ und nichts „entworfen“?
Ja, wir bemühen uns, das Entwerfen oder Gestalten zu vermeiden, es geht nur ums Anordnen und Organisieren. Lediglich das Bodenmuster auf der Plattform ist Gestaltung, es erinnert an eine Piazza. Aber das ist nicht das Wichtigste: Im Zentrum stehen der neue Ort und seine räumliche Qualität.
Wovon handelt der Katalog?
Während der Pavillon darauf abzielt, viele Nutzungen und Interpretationen zu ermöglichen, wollen wir den Katalog dazu nutzen, Ideen und Leute zusammenzubringen, die uns bei der Vorbereitung in den Sinn gekommen sind. Es gibt speziell von uns beauftragte Beiträge, ebenso wie eine Materialsammlung von Dingen und freien Assoziationen. Es geht um das Fluten, das British Empire, um Migration und ums Klima. Wir wollten das Thema ziemlich breit angehen.
Die Kuratoren des Britischen Pavillons: Caruso St John und Marcus Taylor
Adam Caruso and Peter St John gründeten 1990 ihr gemeinsames Architekturbüro. Der Künstler Marcus Taylor arbeitet häufig an Architekturprojekten mit; zuletzt kooperierte er mit Caruso St John für den Wettbewerb des United Kingdom Holocaust Memorial.
Adam Caruso and Peter St John gründeten 1990 ihr gemeinsames Architekturbüro. Der Künstler Marcus Taylor arbeitet häufig an Architekturprojekten mit; zuletzt kooperierte er mit Caruso St John für den Wettbewerb des United Kingdom Holocaust Memorial.
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