Nicht mehr Dämmung, mehr Energie
So weit ist Manfed Hegger mit seinem Aktiv-Stadthaus in Frankfurt am Main noch nicht gekommen, aber er ist auf dem Weg: „Wir können Dämmung sparen, wenn wir mit dem Haus Energie erzeugen“, so seine Strategie. Nach dem Interview wird er radikaler: „Ich erwarte, dass wir in Zukunft Energie aus erneuerbarer Quelle in ausreichender Menge haben werden.“ Das achtgeschossige Aktiv-Stadthaus hat für die 74 Wohnungen schon heute mehr als genug davon
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Nicht mehr Dämmung, mehr Energie
So weit ist Manfed Hegger mit seinem Aktiv-Stadthaus in Frankfurt am Main noch nicht gekommen, aber er ist auf dem Weg: „Wir können Dämmung sparen, wenn wir mit dem Haus Energie erzeugen“, so seine Strategie. Nach dem Interview wird er radikaler: „Ich erwarte, dass wir in Zukunft Energie aus erneuerbarer Quelle in ausreichender Menge haben werden.“ Das achtgeschossige Aktiv-Stadthaus hat für die 74 Wohnungen schon heute mehr als genug davon
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Herr Hegger, wie lange beschäftigen Sie sich bereits mit dem energieeffizienten Bauen?
Es begann, als ich 1973 mein Studium abgeschlossen hatte. Am Sonntag darauf erlebte ich die erste Ölkrise und das Fahrverbot. Mir wurde klar, dass diese Energiekrise auch Folgen für unsere Gebäude haben würde. Seitdem hat mich das Thema in Zusammenhang mit Architektur und Städtebau nicht mehr losgelassen.
Und wie haben sich Architektur und Städtebau seitdem entwickelt?
Man kann dies in verschiedene Phasen unterteilen. Die erste Phase war die der Verunsicherung der Architekten – das habe ich damals so wahrgenommen. Dann folgte die zweite Phase mit der ersten Wärmeschutzverordnung und dem Aufstand der Architekten, auch namhafter Architekten, die gesagt haben, diese Wärmeschutzverordnung sei das Ende der Architektur. Diese zweite Phase war also eine Phase des Widerstands gegen Maßnahmen, die zu Energieeinsparungen beitrugen, obwohl sie damals im Vergleich zu dem, was wir heute an Anforderungen erfüllen müssen, noch relativ harmlos waren. Dann kam eine Phase, die eigentlich nichts mit Architektur zu tun hatte. Fachplaner kümmerten sich um Energieeinsparung und Wärmeschutz, was nichts mit Architektur zu tun hatte. Viele Architekten haben damals versucht, die Dinge so lange wie möglich zu ignorieren. Dann vergrößerte sich der Druck der Gesetzgebung, aber auch der Bauherren und man hat sich dann allmählich darauf eingestellt. Was ich jetzt als sehr positiv wahrnehme ist, dass wir nun in einer Phase sind, in der allgemein akzeptiert wird, dass Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in der Architektur eine wichtige Rolle spielen und wir daraus Vorteile auch für unsere Gestaltungs-aufgabe ziehen können. Es gelingt zunehmend, diese Themen mit Architektur zu versöhnen.
Welche wegweisenden Bauten sind in diesen Jahren entstanden?
Zunächst einmal ging es um das Thema Energieeinsparung, das dazu geführt hat, dass es dicke Wände und weniger Fenster gab. Dann hat die Industrie angefangen, Materialien und Bauelemente zu entwickeln, die sich besser als die herkömmlichen eigneten, die Energieeinsparung zu gewährleisten. Parallel dazu standen Entwicklungen der Energieerzeugung mit dem Haus. Wichtig waren für mich in den frühen siebziger Jahren die USA. Dort spielte das Thema Solar-Architecture bereits eine Rolle. Ich bin damals zwei Monate dorthin gereist und habe mir diese Bauten angesehen.
Gab es Bauten, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ja, durchaus. Das New-Alchemy Institute in Hatchville, Massachusetts, hat mich damals sehr beeindruckt. Man betrieb dort sogar die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln. Es war also eher die ökologische Richtung. Dann gab es noch die technologische Richtung – das war um Beispiel Steve Baer in New Mexico mit seinem Solarhaus. Es hatte sechseckige Waben mit Reflektoren – sehr hightech. Mir war dann klar, es wird eine Pendelbewegung zwischen diesen beiden Richtungen geben und beide Richtungen müssen sich irgendwann auch miteinander versöhnen lassen. Heute erkenne ich in unseren damaligen Arbeiten ebenfalls diese Pendelbewegung.
Welche Ihrer Werke waren für Sie besonders richtungsweisend?
Wir haben uns zu Beginn für das ökologische Bauen entschieden. 1985 entstand die ökologische Siedlung in Kassel, Holz- und Lehmbau mit grünen Dächern. In dieser Siedlung wohne ich heute noch. Sie funktioniert sozial sehr gut und hat sich bewährt, gerade hinsichtlich ihrer passiven Eigenschaften. Die Gegenbewegung äußert sich in den Solarhäusern zur Internationalen Gartenausstellung 1993 in Stuttgart: Hier entstanden experimentelle Hightech-Solarhäuser mit beweglichen Paneelen, die gleichzeitig verschatteten und das Licht über holographisch-optische Elemente auf damals noch sündhaft teure photovoltaische Streifen konzentrierten. Ich betrachte uns nicht als ein Büro mit einem in sich abgeschlossenen Formenkanon. Wir sind auf der Suche nach der richtigen Lösung für die jeweilige Aufgabenstellung.
Sie sind aber auch noch mit weiteren Bauten bekannt geworden, besonders mit der Akademie Mont-Cenis in Herne von 1999.
Das war für uns ein Projekt, bei dem wir dachten, so etwas gibt es nur einmal im Leben. Wir haben 1994 damit begonnen. Es war spannend im Team zu arbeiten mit unseren französischen Kollegen Françoise Jourda und Gilles Perraudin. Wir kannten uns als Architektennachbarn über die IGA
in Stuttgart, hatten danach mehrere gemeinsame Wettbewerbe und waren bei der Akademie Mont-Cenis erfolgreich. Karl Ganser, Chef der IBA Emscher Park, hatte uns bei der Umsetzung sehr unterstützt. Es war aber unglaublich schwer, das Projekt glaubhaft zu machen, dies ging erst im Rahmen eines Forschungsprojekts mit EU-Mitteln. Ziel war es zu zeigen, dass die mikroklimatische Hülle kein Hirngespinst ist, sondern funktioniert. Andere Themen waren Vorfertigung, Barrierefreiheit – und natürlich auch das Thema Energie, das wir zunächst nur passiv gesehen haben und wo wir praktisch über eine Notsituation – es fehlten uns 4,5 Millionen DM – zu der aktiven Lösung mit Photovoltaik gekommen sind. Da wir damals feststellten, dass kein Geld mehr für Sonnenschutz auf dem Dach zur Verfügung stand, hatte ich Karl Ganser angerufen und gesagt: Ich habe eine Idee. Wir verschatten das Haus mit Photovoltaik. Diese Idee entstand am Abend zuvor. Wir hatten ja schon viel mit Photovoltaik gearbeitet. Ganser antwortete: „Du Idiot!“ Das war das erste Mal, dass er mich geduzt hat und auch das letzte Mal. Er hat aufgelegt und dann fünf Minuten später wieder angerufen und gesagt: „Wir müssen drüber sprechen.“
in Stuttgart, hatten danach mehrere gemeinsame Wettbewerbe und waren bei der Akademie Mont-Cenis erfolgreich. Karl Ganser, Chef der IBA Emscher Park, hatte uns bei der Umsetzung sehr unterstützt. Es war aber unglaublich schwer, das Projekt glaubhaft zu machen, dies ging erst im Rahmen eines Forschungsprojekts mit EU-Mitteln. Ziel war es zu zeigen, dass die mikroklimatische Hülle kein Hirngespinst ist, sondern funktioniert. Andere Themen waren Vorfertigung, Barrierefreiheit – und natürlich auch das Thema Energie, das wir zunächst nur passiv gesehen haben und wo wir praktisch über eine Notsituation – es fehlten uns 4,5 Millionen DM – zu der aktiven Lösung mit Photovoltaik gekommen sind. Da wir damals feststellten, dass kein Geld mehr für Sonnenschutz auf dem Dach zur Verfügung stand, hatte ich Karl Ganser angerufen und gesagt: Ich habe eine Idee. Wir verschatten das Haus mit Photovoltaik. Diese Idee entstand am Abend zuvor. Wir hatten ja schon viel mit Photovoltaik gearbeitet. Ganser antwortete: „Du Idiot!“ Das war das erste Mal, dass er mich geduzt hat und auch das letzte Mal. Er hat aufgelegt und dann fünf Minuten später wieder angerufen und gesagt: „Wir müssen drüber sprechen.“
Wie sehen Sie heute das Thema Vorfertigung?
Sie hat sich durchgesetzt im Bereich des Holzbaus, aber nicht in dem Maßstab, wie wir es damals in Herne betrieben haben, eher kleinteiliger.
Ein weiteres bekanntes Projekt von Ihnen ist der Energiebunker in Wilhelmsburg, der während der IBA für großes Aufsehen gesorgt hat. Was steckt hinter dieser Idee?
Mitten auf dem Gebiet der Hamburger IBA stand ein Gebäude, mit dem man eigentlich nichts anfangen konnte. Die Abbruchkosten wären aber unglaublich hoch gewesen. Die erste Idee war, daraus ein Haus zu machen, das für den Stadtteil, für die Nachbarschaft, das vielleicht auch für Hamburg insgesamt nützlich ist. Wir haben dann im Auftrag der Stadt und der IBA eine Reihe verschiedener Lösungen entwickelt, vom Schaulager für die Hamburger Museen über einen bewohnbaren Bunker, wo wir das Äußere des Bunkers mit Wohnungen verkleidet hatten, bis zu einem Hotel, einer Jugendherberge oder einem Arboretum auf dem Dach, das in Glas gehüllt ist. Am Ende stand die Entscheidung, eine Energiezentrale daraus zu machen, die den Stadtteil mit Wärme und Elektrizität versorgt.
Der Energiebunker leistet noch etwas anderes: er macht die Energiewende sichtbar. Die Solarthermie auf dem Dach und die Photovoltaik an der Südfassade sind unmittelbar erfahrbar. Den Energiespeicher im Innern kann man sehen, wenn man ins Café geht, das sich auf dem Dach des Bunkers befindet (Stadtbauwelt 12.2013).
Gibt es andere Beispiele, die die Energiewende so positiv sichtbar machen und das Bewusstsein schärfen?
Ich glaube, dass die Akzeptanz größer wurde, weil dieser Bunker nun für Besucher geöffnet ist. Er ist umgeprägt kein Schandfleck mehr im Stadtraum, auch kein reines technisches Infrastrukturbauwerk. Die Entwicklung war für uns als Architekten eine gefährliche Gratwanderung, weil in diesem Maßstab auch ganz schnell etwas schiefgehen kann. Am Ende ist – wiederum auch dank einer IBA – in Wilhelmsburg etwas Beispielhaftes gelungen. Ich kann nur hoffen, der Bun-ker ist ja erst zwei Jahre alt, dass es Nachahmer gibt, da ich glaube, dass sich die Energiewende nur zum kleinen Teil im Neubau bewältigen lassen kann.
Wie sehen Sie die politischen und gesetzgebenden Entwicklungen im Bereich energieeffizienten Bauens? Werden in Deutschland Innovationen angemessen gefördert?
Die Gesetzgebung hinkt immer hinter der Wirklichkeit her. Sie generalisiert innovative Projekte. Gesetzgebung ist daher nie innovativ, sondern vollzieht nach, was sich gesellschaftlich tut. Das sieht man auch an der Gesetzgebung zur Energieeffizienz. Sie kommt immer später, weil sie gehalten ist – gerade beim energieeffizienten Bauen – stets Wirtschaftlichkeit nachzuweisen, ansonsten darf das Gesetz dem Bundestag nicht zur Abstimmung vorgelegt werden.
Welche Rolle spielen im Wohnungsbau experimentelle Pilotprojekte?
Ein Experiment ist in der Regel maßstabsbildend für Zukünftiges. Wir haben zweimal am Wettbewerb Solar Decathlon teilgenommen und zweimal in Washington gewinnen können. Das hat natürlich eine öffentliche Wirkung gehabt. Gut war, dass der zuständige Referent des Bauministeriums mit in die USA gereist ist, die Häuser und die Veranstaltung unmittelbar erfahren konnte. Für ihn war dann der logische nächste Schritt, diese unmittelbare Erfahrung wiederum nach Deutschland zu tragen, als Plusenergiehaus, das durch Deutschland gereist ist, und über weitere Pilotprojekte.
Sind Erkenntnisse aus diesen beiden Projekten in Ihre aktuellen Projekte eingeflossen – vor allem in das Aktiv-Stadthaus in Frankfurt am Main?
Ja, natürlich. Was wir dort probiert und gelernt haben, haben wir auch auf dieses und andere Projekte angewandt. Ohne diese Experimente wäre das gar nicht möglich gewesen. Die gebauten Beispiele haben dazu geführt, dass uns zwei Wohnungsbaugesellschaften in Frankfurt angesprochen haben: Baut doch das mal in Groß.
Wie muss man sich die ersten Schritte beim Entwurf des Aktiv-Stadthauses mit positiver Energiebilanz vorstellen? Was ist dabei zu berücksichtigen? Sind Fachplaner schon in einer ganz frühen Phase beteiligt?
Das war in dem Fall nicht so. Wir haben uns viel mehr zunächst mit den Widrigkeiten des Grundstücks auseinandergesetzt und uns gefragt, wie wir auf einem Terrain von 150 Metern Länge und neun Metern Tiefe überhaupt eine vernünftige Wohnbebauung in dieser Dichte hinbekommen. Das waren die wichtigen Vorgaben bei diesem Projekt.
Aber das sind doch Aufgaben, die für einen Architekten „gewöhnlich“ sind. Das Besondere ist ja, dass es gelungen ist, ein Aktiv-Stadthaus darauf zu bauen.
Zunächst war es für uns wichtig, eine gute Architektur zu finden, und diese Architektur ist nicht durch energetische Betrachtungen negativ beeinflusst worden.
Ab wann sind dann energetische Betrachtungen mit eingeflossen?
Wie gesagt, zunächst einmal waren diese wirklich schwierigen Vorgaben zu bewältigen. Mit der Faltung der Fassade haben wir erreicht, dass die Grundrisse auch mal mehr als neun Meter Tiefe haben können. Dann gab es die Frage, wie wir mit möglichst wenigen Kernen hinkommen und die Suche nach einer Lösung für die Autos, die auf neun Meter Tiefe eigentlich nicht zu parken sind. Jetzt fragen Sie: „Wann kommt die Energie ins Spiel?“ Die hatten wir natürlich immer im Hinterkopf. Wir wissen, welchen Fensteranteil und wie viel Dach wir zum Beispiel benötigen. Wir wussten am Anfang auch, wir können Plusenergie nicht versprechen, jedenfalls nicht für die Bilanz Elektrizität und Wärme und Warmwasser. Deswegen haben wir dies zunächst nur für Wärme und Warmwasser und vielleicht für einen Teil der Elektrizität angestrebt. Dann haben wir den Entwurf und die Detailplanung sukzessive optimiert.
Sie sagen, Sie kennen die Parameter, wie viel Fenster- und Dachflächen man braucht. Das Dach scheint ja überproportional groß im Verhältnis zum Rest des Gebäudes zu sein. Liegt das daran, dass die Photovoltaikanlage diesen Platz benötigt?
Wir hatten zunächst ein Flachdach vorgesehen und sind heute froh, dass das Dach diese geneigte Form hat. Es zeigt ein wenig her, was das Haus tut. Es muss die Anlage nicht verstecken, sie soll sich aber auch nicht wie eine übergroße Brosche zeigen. Die Proportionen des Dachs sind nicht allein durch die Photovoltaik beeinflusst worden.
Ab wann kamen dann Fachplaner mit ins Boot?
In diesem Fall relativ spät. Wir hatten ein Konzept für die Energieversorgung und untersuchten systematisch die Möglichkeiten. Da gab es nicht viele, weil das Grundstück zu 100 Prozent überbaut wird. Wir wussten, wenn wir keine Genehmigung für Grundwassernutzung bekommen, dann haben wir eigentlich keine Wärmequelle. Wir sind dann auf die Abwasserwärme gekommen. Dann haben wir die Ingenieure eingeschaltet, die uns bei der Forschung und Planung unterstützt haben. Sie haben sich auch darum gekümmert, wie groß die Photovoltaikanlage sein muss, welche Brandabschnitte wir dafür brauchen, welche Art von Wechselrichter erforderlich sind, wie viele Batterien wir brauchen und wie die Leitungsführung der Abwasserwärme ausschauen muss. Ohne Ingenieure geht da nichts, aber wir müssen sie herausfordern – und dazu braucht es ebenso Grundkenntnisse wie Kreativität.
Welche Rolle spielte der Bauherr? Warum baut er so ein Aktiv-Stadthaus?
Die ABG Frankfurt Holding hat mit ihrer Geschichte des Passivhaus-Baus einen Weg eingeschlagen, den die Geschäftsführung mit Überzeugung vertritt. Wohnen muss im Hinblick auf die Nebenkosten bezahlbar bleiben, auch wenn die Investitionskosten etwas höher sind. Mich hat die Neugier des Bauherrn sehr beeindruckt, in Bezug auf das, was wir machen wollten, insbesondere die Bereitschaft, mit dem Forschungsprojekt gemeinsam zu lernen und weitere Erfahrungen zu sammeln. Wir haben die Forschungs- und Planungsergebnisse immer wieder gemeinsam diskutiert. Unsere Zusammenarbeit war sehr viel dichter, als man dies üblicherweise kennt.
Die ABG ist ein Wirtschaftsunternehmen und auch dieses Projekt muss sich rechnen. Können Sie etwas zu den Kosten pro Quadratmeter
sagen?
sagen?
Das rechnet sich. Der Bauherr hat uns gesagt, es sind 2200 Euro pro Quadratmeter. Er hatte zunächst mit 7,5 Prozent Mehrkosten gegenüber einem Passivhaus gerechnet, das in Frankfurt verbindlicher Standard ist. Wenn man berücksichtigt, dass die Verbrauchsenergie komplett in der Miete enthalten ist und die nicht höher
ist als eine Kaltmiete in der Nachbarschaft, nämlich 13,50 Euro pro Quadratmeter im Mittel, dann ist das, vor dem Hintergrund eines Pilotprojekts, ein ganz gutes Ergebnis.
ist als eine Kaltmiete in der Nachbarschaft, nämlich 13,50 Euro pro Quadratmeter im Mittel, dann ist das, vor dem Hintergrund eines Pilotprojekts, ein ganz gutes Ergebnis.
Was müssen die Mieter tun, damit das Ganze funktioniert?
Sie spielen mit dem Haus bzw. sie spielen mit einer App, die wir entwickelt haben. Diese App ist auf jedem iPad und iPhone installierbar. Sie zeigt dem Mieter sein Budget für Wärme, Warmwasser und Strom.
Das Budget, das er am Anfang des Jahres mit mietet?
Genau. Es zeigt, wie der reale Verbrauch im Verhältnis dazu steht. Die App haben wir in einem Team aus Informatikern, Grafikern, Sozialwissenschaftlern, uns als Architekten und den Ingenieuren entwickelt. Sie zeigt auch, wo der Mieter im Vergleich zu anderen Mietern steht, ob er über oder unter dem Durchschnitt liegt, es geht also um einen spielerischen Zugang zum Thema Energie. Der Mieter wird, davon gehen wir aus und das ist auch unser Ansinnen, Freude daran haben zu erfahren, wo stehe ich? Muss ich nachzahlen am Ende des Jahres, weil ich mein Bud-get überschritten habe? Oder bin ich im Budget und habe es praktisch mit der Miete schon abgedeckt.
Vor kurzem ist das Gebäude bezogen worden. Sie haben noch keine Erfahrungen mit den Mietern. Werden Sie verfolgen, wie sich das Nutzerverhalten und der Energieverbrauch entwickeln?
Ja, natürlich, das wird über zwei Jahre verfolgt. Die Einzugsphase läuft seit Ende August. Es wird nicht nur technisch mitverfolgt, also nicht nur Energieverbrauch und Energieerzeugung, sondern auch sozialwissenschaftlich.
Was passiert mit dem Energieüberschuss? Gehört er dem Eigentümer oder dem Mieter?
Der Überschuss geht zum großen Teil in die Batterieanlage, dann erst ins Netz, er speist auch die Carsharing-E-Mobile im Erdgeschoss. Die Plusenergie-Bilanz ist jahresbilanziell. Bei ei-nem Bürohaus würde eine ausgeglichene Jah-resbilanz bedeuten, wenn ich 100 Prozent Energie erzeuge, dass ich um die 60 Prozent im Haus verbrauche, weil das Büro tagsüber genutzt wird, wenn die meiste Energie erzeugt wird. Bei einem Wohnhaus sind das in der Regel nur 30–40 Prozent, weil morgens und abends wenig Strom gewonnen wird, aber der Verbrauch in diesen Zeiten verständlicherweise hoch ist. Die Batterieanlage erhöht den Eigenverbrauch auf über 50 Prozent.
Das Berliner Institut für Sozialforschung ist beteiligt und untersucht das Projekt Aktiv-Stadthaus sozialwissenschaftlich. Was genau wird analysiert?
Das Institut hat im Vorfeld in drei Stufen diese App mit Nutzern, einem Querschnitt der Bevöl-kerung, ausprobiert um zu sehen, ob sie damit umgehen können. Im Weiteren wird das Institut vor Ort mit den Mietern darüber reden, ob und wie sie damit umgehen. Wir haben es hier nicht mit einem Einfamilienhaus zu tun, wo jeder, der ein Plusenergiehaus baut, in der Regel ein Energie- oder Technikfreak ist. Die Mieter sollten Interesse daran finden, dass sie nicht viel bezahlen müssen. Sie haben vielleicht auch ein Umweltinteresse. Andere ziehen ein, weil sie der Überzeugung sind, sich in so einem Haus richtig zu fühlen.
Eine Frage, die auch unseren Bauwelt-Kongress im November betrifft: Wir radikal müssen sich im Zuge der Energiewende Architektur und Städtebau in den kommenden 40 Jahren ändern?
Wir sind ja lange Zeit in eine Richtung hin zum Passivhaus gegangen. Also immer mehr dämmen, immer mehr passive Maßnahmen. Nun provozieren wir eine Gegenbewegung, die sagt, wir können Dämmung sparen, wenn wir gleichzeitig mit dem Haus Energie erzeugen. Wenn wir Energie erzeugen, kann das wesentlich effizienter sein, als Energie zu sparen. Bei der Energieeinsparung erreiche ich irgendwann mit mehr Dämmung eigentlich kaum noch etwas, während ich mit der Energieerzeugung linear immer mehr erreiche. Jetzt geht es darum, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass statt mehr zu dämmen, weniger dämmen Sinn macht, also weg vom Passivhaus und hin zum Aktivhaus, das ist das, was wir vertreten. Das Aktivhaus gewinnt Energie und hat am Ende die bessere Bilanz als ein nur sparendes Haus. Das bedeutet aber für die Architektur, irgendwo muss ich Elektrizität und Wärme erzeugen. Wie integriere ich diese Systeme in die Hülle – das ist die entscheidende Frage, die die Architektur in der nächsten Zeit zu beantworten hat. Es liegt auch ein besonderer Reiz darin, dass die Energie dort erzeugt werden muss, wo sie verbraucht wird. Dies entlastet wiederum unsere Landschaften. Wir benötigen keine großen Freilandanlagen und wir brauchen weniger Ferntrassen, um die Energie von Norden nach Süden oder von Süden nach Norden zu transportieren.
Was bedeutet das für den Städtebau?
Der Städtebau muss sich auf anderen Ebenen um das Thema Energie kümmern.
Auf welchen?
Die Versorgung von Quartieren in Verbindung mit energieeffizienter Sanierung, aber nicht Energiesanierung alleine, das macht keinen Sinn. Wir befassen uns intensiv mit Gebäuden und verdichten nach. Wir kümmern uns darum, dass die gegenseitige Verschattung der Häuser nicht zu groß wird. Aber ich glaube, für Architekten ist die Aufgabe die größere. Städtebauer wären gut beraten, wenn sie mehr mit den Infrastrukturplanern, insbesondere mit den Energieversorgungsunternehmen, zusammenarbeiten würden, um die großen anstehenden Aufgaben zu lösen.
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