Ökologisches Bauen ist Teil meines Unabhängigkeitskampfes
Danna Massad über die Arbeit des jungen palästinensischen Architekturbüros ShamsArd
Text: Mühlbauer, Lore, München
Ökologisches Bauen ist Teil meines Unabhängigkeitskampfes
Danna Massad über die Arbeit des jungen palästinensischen Architekturbüros ShamsArd
Text: Mühlbauer, Lore, München
Frau Massad, Sie haben sich vor drei Jahren mit jungen Kollegen in Ramallah selbstständig
gemacht. Was hat Sie zu dem Schritt bewogen?
gemacht. Was hat Sie zu dem Schritt bewogen?
Wir wollten neue Wege gehen, auf verschiedenen Feldern experimentieren, mit Materialien und mit Techniken, die historisch in diesem Land verankert sind. Wir verstehen uns als ein ökologisch arbeitendes Büro, verwenden natürliche Baustoffe und wollen überliefertes Wissen von Bauen und Entwerfen nutzen.
Ihr Haus in Jericho wird wegen seiner Form als „Mondhaus“ bezeichnet. Wie kam es zu dem Auftrag?
Der Bauherr, Ahmed Daoud, kam ins Büro, weil er ein Sofa suchte. Er wusste, dass wir Möbel aus recycelten Materialien entwerfen. Nebenbei erzählte er, dass er sich mit dem Gedanken trägt, ein Haus zu bauen. Er erinnerte sich an das Haus seiner Großmutter, wie angenehm es war, im Sommer wie im Winter. Da sagten wir ihm, dass wir auch in unserer Architektur natürliche Materialien nutzen würden und ob er sich so etwas für sein Haus vorstellen könnte. Das Treffen erwies sich als Glücksfall für uns.
Wie kam es zu der außergewöhnlichen Geometrie des Hauses?
Wir stellten dem Bauherrn eine Reihe von Entwürfen mit unterschiedlichen Materialien und Bauweisen vor. Er entschied sich für diese Erdbautechnik, bei der große Mengen Lehm zu dicken Mauern und Dächern verbaut werden. Wegen der besonderen Form, aber auch weil sie ihn an die traditionellen Kuppelbauten in Syrien erinnert, ein Land, in dem er die meiste Zeit seines Lebens als palästinensischer Flüchtling verbracht hat. Die Konstruktion ist sehr kostengünstig und zudem erdbebensicher.
Die an das Projekt angrenzende Siedlung sieht aus wie Mini-Deutschland, von den Dachformen über die Materialien bis hin zu den Gartenzäunen. Warum?
Ich denke, das ist eine Sache des Minderwertigkeitskomplexes. Die Leute kaufen diese Häuser, weil sie nach Häusern „entwickelter“ Länder aussehen, und das wird auch erfolgreich vermarktet. Unser Weg ist das Gegenteil. Wir wollen Schönheit, die aus unserer eigenen Kultur kommt. Man sollte stolz sein auf das Wissen, das vorhanden ist. Auch weil die hiesigen Materialien am geeignetsten sind. Diese Häuser in Jericho sind verkleidete Stahlbetonkonstruktionen, mit viel PVC – überhaupt nicht geeignet für diese Region mit ihrem wüstenähnlichen Klima.
Welchen Platz nimmt Ihr Ansatz in der palästinensischen Architekturszene ein?
Es gibt diesen Trend, blind alles Westliche zu kopieren, aber es gibt auch die Gegenbewegung, zurück zu den Wurzeln. Unsere Arbeit ist sehr politisch. Haben wir die Wahl, entscheiden wir uns immer für in Palästina hergestellte Materialien. Unsere Bauindustrie ist vollständig von Israel abhängig, bei uns gibt es keine Zementfabriken und keine stahlproduzierenden Betriebe. Wir müssen alles importieren. Aber in der Vergangenheit wurde die Einfuhr von Baumaterialien in die Westbank oft gestoppt, ob als Kollektivstrafe oder als Druckmittel bei Verhandlungen mit der palästinensischen Regierung. Sich davon frei zu machen, ist Teil meines Kampfes um Unabhängigkeit, als Palästinenserin wie auch als Architek-tin. Wir wollen etwas bauen, auf das die israeli-sche Regierung keinen Einfluss nehmen kann.
Wie gehen Sie mit den Reglementierungen bei Baulandausweisungen und Baugenehmigungen um?
In Jenin sollten wir für eine Farm mit ökologischem Landbau ein Ausbildungscenter errichten. Für dauerhafte Gebäude bekamen wir aber keine Bauerlaubnis. So haben wir am Ende den Garten entworfen, die Bepflanzung und das Wassersystem, aber auch Konstruktionen für Hochbeete und vertikale Gärten, unter Verwendung recycelter Materialien. Hier können sich die Leute beraten lassen, wie man auf kleinen Flächen gute Erträge erzielt. Gebaut im herkömmlichen Sinn haben wir Konstruktionen zur Verschattung. Zum Beispiel eine einfache, kuppelförmige Tragstruktur aus Metallresten, die berankt ein dichtes Dach ausbildet – also ein sehr billiges, materialeffizientes Bauen.
0 Kommentare