Beäugtes Planen
Der Ideenwettbewerb „Königsufer und Neustädter Markt in Dresden“ reklamierte Bürgerbeteiligung. Nun steht der Sieger fest.
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Beäugtes Planen
Der Ideenwettbewerb „Königsufer und Neustädter Markt in Dresden“ reklamierte Bürgerbeteiligung. Nun steht der Sieger fest.
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Das Gebiet rund um den Neustädter Kopf der Augustusbrücke gehört zu den meist diskutierten Arealen Dresdens. Hier prallen so einige bauliche Zeitschichten aufeinander. Am sogenannten Königsufer reihen sich Solitärbauten: westlich des Brückenkopfes das barocke Blockhaus (Bauwelt 7.2018), daneben das Hotel „Bellevue“, eine Chimäre aus Barockpalais und 80er-Jahre Interhotel. Östlich klafft eine Leerstelle, wo einst das „Narrenhäusel“ stand, daneben thront das klassizistische Finanzministerium über der Elbe.
Die DDR-Stadtplanung durchschnitt den angrenzenden Neustädter Markt mit einer Hauptverkehrsstraße, der Großen Meißner Landstraße/Köpckestraße. Jenseits davon führt eine baumbestandene Wohn- und Geschäftsstraße, die 1974-80 entwickelte Hauptstraße, als Fortsetzung der Brückenachse ins Herz der Neustadt. Hinter dem West-Teil dieses teilsanierten Plattenbau-Ensembles, verbirgt sich ein aufwändig hergerichtetes barockes Wohnviertel.
Jede einzelne bauliche Struktur hat in Dresden ihre Lobbygruppe. Und die streiten sich über die weitere Entwicklung des Areals. Um die verschiedenen Interessen in Einklang zu bringen, führte die Stadt in den vergangenen anderthalb Jahren ein offenes Wettbewerbsverfahren, genannt „Bürgerwerkstatt“, durch.
Das Königsufer
Auf die Tagesordnung gelangte das Gebiet durch die Bestrebung der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND), das Narrenhäusel wiederzuerrichten. Der freie, aktuell als Biergarten genutzte Bereich des Königsufers war vor 1945 ein heterogenes, sich ständig veränderndes Areal. Bis zur Umgestaltung 1936/37 gab es hier Sportplätze und Biergärten, Gaststätten, Hotels, Kunstgalerien und ein Lichtspieltheater.
Die unmittelbar an der Brücke gelegenen Flurstücke gehören der Stadt Dresden, der Rest verschiedenen Eigentümern. Der von der GHND mithilfe einer Petition 2016 durchgesetzte Stadtratsbeschluss zur Wiedererrichtung des Narrenhäusel weckte bei einigen Grundstücksbesitzern und Projektentwicklern den Wunsch nach der grundsätzlichen Klärung der zukünftigen Bebaubarkeit des gesamten Königsufer-Areals. Dresden gehört zu den am schnellsten wachsenden deutschen Städten, überall schießen neue Wohnbauten aus dem Boden und einige der Parzellen des Königsufers sind noch zu haben. Ein großer Teilbereich war im letzten Herbst sogar in einer Zwangsversteigerung angeboten worden.
Das Wettbewerbsverfahren
Eine zentrale Frage des Wettbewerbs war, welche Nutzungen, baulichen Strukturen und Dimensionen sich auf den vakanten Flächen am Elbufer schlüssig einfügen würden. Bereits Gottfried Semper hatte am Königsufer eine Gemäldegalerie geplant. Daher war das Narrenhäusel-Grundstück lange Zeit als Standort für den Neubau einer Kunsthalle oder eines Konzertsaals im Gespräch. Derartige Konzepte versuchte die GHND aber zu verhindern: „Aus Sicht der GHND ist es enorm wichtig, dass beide Seiten links und rechts des Brückenkopfes (…) eine Geschlossenheit des Straßenzuges aufweisen und die neu entstehenden Gebäude (…) möglichst eng, auch durch die Nutzung eines Gebäudes mit Arkadengängen, zum Blockhaus hin sich orientieren.“ Eine Linie, die sich in der Wettbewerbs-Zielsetzung wiederfand. Auch sollte auf ehemalige Grundrissstrukturen zurückgegriffen werden – die Tendenz also war klar restaurativ.
Erster Bürgerblick
Die erste Wettbewerbsphase umfasste denn eine städtebauliche und freiraumplanerische Grundkonzeption für das gesamte Königsufer und das Areal des Neustädter Markts. Das denkmalgeschützte DDR-Ensemble an der Hauptstraße stand dabei jedoch (mit Ausnahme einiger seit Jahren diskutierter Durchbrüche) nicht zur Disposition. Am Wettbewerb beteiligten sich 28 Planungsteams. Mehrere Entwürfe setzten auf eine massive Verbesserung der freiräumlichen Qualität entlang der Straßenachse, andere betonten den aktuell öffentlich zugänglichen Grünzug an der Elbe und wollten nur vereinzelt Neubauten anordnen. Für das Königsufer wurden sowohl große Solitäre, Kamm- als auch durchlässige Baustrukturen angeboten.
Die 570 Teilnehmer des ersten Bürgerblicks gaben rund 2500 Meinungsbögen zu den Entwürfen ab. Diese waren sich in Bezug auf den Erhalt der beiden aus der DDR-Zeit stammenden, in den potenziellen Baufeldern des Neustädter Marktes stehenden Brunnenanlagen, die Schaffung eines größeren Durchgangs ins hinter den Plattenbauten liegende Barockviertel und die grundsätzliche Ablehnung von privaten Flächen am Elbufer einig. Über die bei den Neubauten anzustrebende Architektursprache und die wünschenswerten Dimensionen des Neustädter Marktes gab es kontroverse Meinungen. Bei der darauffolgenden Jury-Sitzung kamen dann - obwohl acht Entwürfe und bis zu zwei Nachrücker für die weitere Bearbeitung ausgewählt werden sollten – nur fünf Projekte weiter. Größtenteils Konzepte mit weitestgehend geschlossenen Baustrukturen aus mehreren miteinander verbundenen Wohn- und Geschäftshäusern.
Zweiter Bürgerblick und Jury-Entscheidung
Diese fünf Konzepte wurden in Bezug auf Nutzungskonzeption, Bebauungsstruktur, Freiraum- und Erschließungskonzept vertiefend überarbeitet und erneut öffentlich präsentiert. Von den 577 Teilnehmern des zweiten Bürgerblicks gaben 364 die von der Stadt vorbereiteten 21-seitigen Bewertungsbögen ab; mit dem Ergebnis, dass durchgängig die Auswahl der weitergekommenen Entwürfe hinsichtlich „fehlender Diversität“ kritisiert wurde, bei allen Entwürfen die vorgeschlagene Bebauung des Neustädter Marktes als „zu massiv“ wahrgenommen und „abgelehnt“ sowie die vorgeschlagene „Wohnnutzung am Elbufer (…) als großes Konfliktpotenzial gesehen“ wurde.
Davon unberührt vergab die Jury den ersten Preis an die Arbeit von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten, die mit Vogt Landschaftsarchitekten eingereicht hatte. Der Entwurf überzeugte sie (trotz der weiterhin als Barriere wirkenden Verkehrsachse) vor allem aufgrund seiner Maßstäblichkeit und relativen Einheitlichkeit der Baublöcke. Dabei sollen zeitgenössische Neubauten entstehen und die alten Bürgerhäuser teilweise rekonstruiert werden.
Besonders stark diskutiert wurde die mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Arbeit von Jordi-Keller-Pellnitz Architekten, die mit Christina Kautz Landschaftarchitektur und dem Verkehrsplaner Lutz Krause eingereicht hatten. Sie wollen aus der aktuellen städtebaulichen Situation unter Rückgriff auf den historischen Schwung der Großen Meißner Straße langfristig mehr Langsamkeit in der Stadt bringen wollen.
Mit dem dritten Preis wurde die Arbeit von ksg – Kister, Scheithauer, Gross Architekten und Stadtplaner, die mit plandrei Landschaftsarchitektur einreichten, ausgezeichnet. Sie überzeugte die Jury durch die Klarheit des konzeptionellen Ansatzes einer sich mit dem Landschaftsraumes der Elbwiesen verzahnenden Baustruktur.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse wird das Stadtplanungsamt jetzt die Erarbeitung eines Bebauungsplans in Angriff nehmen. Dabei wird es zunächst um die an der Elbe gelegenen Baufelder gehen. Die zukünftige Gestaltung des Neustädter Marktes soll erst später, wenn klar ist, wie die neue bauliche Fassung des Platzes am Elbufer wirkt, entschieden werden.
Es bleibt ein schaler Nachgeschmack und eine Ahnung davon, dass, wenn viele durchsetzungsstarke Interessengruppen an einem Tisch sitzen, am Ende vor allem Entwürfe bestehen können, die als Kompromis gelten dürfen. Schade, denn die Filetgrundstücke an der Schnittstelle zwischen Alt- und Neustadt hätten einen großen Wurf gebrauchen können.
Offener, zweiphasiger städtebaulicher und freiraumplanerischer Ideenwettbewerb
1. Preis (24.000 Euro) Bernd Albers Gesellschaft von Architekten, Berlin, mit Prof. Günther Vogt, Berlin/Zürich
2. Preis (15.000 Euro) Jordi- Keller-Pellnitz Architekten, Berlin, mit Christina Kautz Landschaftsarchitektur, Berlin, und Lutz Krause Verkehrsplaner, Berlin
3. Preis (9000 Euro) ksg – kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, Leipzig, mit plandrei Landschaftsarchitektur, Erfurt
Anerkennungen (je 6000 Euro) Andreas Weise, Dresden, mit Michael Simonsen Freier Garten- und Landschaftsarchitekt, Dresden; Brune Architekten, München, mit ver.de landschaftsarchitektur, Freising
1. Preis (24.000 Euro) Bernd Albers Gesellschaft von Architekten, Berlin, mit Prof. Günther Vogt, Berlin/Zürich
2. Preis (15.000 Euro) Jordi- Keller-Pellnitz Architekten, Berlin, mit Christina Kautz Landschaftsarchitektur, Berlin, und Lutz Krause Verkehrsplaner, Berlin
3. Preis (9000 Euro) ksg – kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, Leipzig, mit plandrei Landschaftsarchitektur, Erfurt
Anerkennungen (je 6000 Euro) Andreas Weise, Dresden, mit Michael Simonsen Freier Garten- und Landschaftsarchitekt, Dresden; Brune Architekten, München, mit ver.de landschaftsarchitektur, Freising
Auslober
Landeshauptstadt Dresden
Landeshauptstadt Dresden
Jury-Vorsitz
Jórunn Ragnarsdóttir
Jórunn Ragnarsdóttir
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