Bauwelt

An die 50er Jahre anknüpfen

Ein Schulhaus in Bremen soll erweitert werden. Die Sieger des Wettbewerbs, dem eine intensive Planungsphase vorangegangen war, fügen Alt und Neu respektvoll zusammen

Text: Syring, Eberhard, Bremen

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    ein 1. Preis Kleyer Koblitz Letzel Freivogel Architekten bilden einen langgestreckten Vorplatz aus
    Abb.: Architekten

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    ein 1. Preis IBUS Architekten und Ingenieure integrieren den Bestand komplett in den Neubau
    Abb. (vor der Überarbeitung): Architekten

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    Abb. (vor der Überarbeitung): Architekten

An die 50er Jahre anknüpfen

Ein Schulhaus in Bremen soll erweitert werden. Die Sieger des Wettbewerbs, dem eine intensive Planungsphase vorangegangen war, fügen Alt und Neu respektvoll zusammen

Text: Syring, Eberhard, Bremen

Bremen hatte im Schulbau mal einen ausgezeichneten Ruf. Fachleute aus dem In- und Ausland besuchten in den 50er Jahren die Schulneubauten, in denen pädagogische Konzepte der Reformschulbewegung der 20er Jahre und der Reeducation (Bremen war Enklave der US-amerikanischen Besatzungsmacht) architektonisch ihren Niederschlag fanden. Zum Beispiel ineiner offenen, zur Natur und zum Quartier hin ausgerichteten Bauweise. Von den frühen, nach dem Zweiten Weltkrieg realisierten Neubauten ist die Schule am Baumschulenweg die wohl am besten erhaltene. Das Kollegium der heutigen Grundschule weiß die Offenheit der Bauweise noch immer zu schätzen, gerade wegen ihrer Schwerpunktthemen Umwelt und Bewegung, wie Schulleiter Lars Beulke betont.
Die vergangenen Jahrzehnte haben allerdings an der „leichtfüßigen“ 50er-Jahre-Architektur deutliche Spuren hinterlassen. Die Fundamente sackten ab, die zwischenzeitlich verglasten Gänge sind nur schwer als Aufenthalts- und Lernorte zu nutzen, von den energetischen Problemen ganz zu schweigen. Außerdem soll die Schule zu einer vierzügigen Ganztagsschule erweitert werden, was eine zweigeschossige Anlage unumgänglich macht. So war schon schnell entschieden, vom Altbau nur den zweigeschossigen Flügel mit Klassen- und Sonderräumen zu erhalten sowie einen Erweiterungsbau von 2005, der das Forum aufnimmt.
Bevor es aber zu einem Wettbewerb kam, wurde ein ausführliches Bedarfsermittlungsverfahren der „Phase Null“ durchgeführt. Die „Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft“ hat diesen Begriff (in Anlehnung an die Leistungsphasen für Architekten) geprägt, den sie so definiert: „Ziel der Phase Null ist es, an der Schnittstelle von Pädagogik und Architektur ein tragfähiges inhaltliches und räumliches Konzept zu entwickeln. Das pädagogische Konzept wird präzisiert und an den baulichen Möglichkeiten gespiegelt – Chancen und Grenzen werden ausgelotet, was gerade im Fall eines Umbaus von zentraler Relevanz ist.“ Schulen konnten sich um ein von der Stiftung finanziertes Pilotprojekt bewerben. Die Schule am Baumschulenweg wurde ausgewählt und kam in den Genuss einer intensiven Vorplanungsphase mit Schülern, Lehrern und Eltern, die von dem renommierten Pädagogen Otto Seydel und den Stuttgarter Architekten von Buero-schneidermeyer geleitet wurde.
Der Schlussbericht formuliert klare Vorgaben, die der Ausschreibung zugrunde lagen. Dazu zählt die Untergliederung der Schule mit rund 400 Schülern in vier Lernhäuser („Cluster“) mit je vier Klassen, denen paarweise ein Differenzierungsraum für den Individualunterricht zugeordnet sein soll. Außerdem sollen die Erschließungsfläche als offener Lernbereich und Ort der Begegnung mit genutzt und ein Lehrerstützpunkt angeschlossen werden. Zum Lehrkonzept gehört, dass die Cluster nicht jahrgangsweise zugeordnet werden, sondern als Kombinationen von 1. und 3. bzw. 2. und 4. Klasse. Kurze Wege zu den Gemeinschaftsbereichen und ins Freigelände mit Bauerngarten, Hühnerstall und Bienenstöcken wurden von den acht Teilnehmern ebenfalls erwartet. Die anspruchsvollen Vorgaben forderten auch die Jury, die sich nicht auf einen besten Entwurf einigen konnte, sondern zwei erste Preise vergab: an IBUS Architekten und Ingenieure aus Bremen und an Kleyer Koblitz Letzel Freivogel Architekten aus Berlin.
Das Bremer Büro setzt auf eine kompakte Anlage, in der zwei zweigeschossige Clusterbereiche eine „neue Mitte“ umrahmen. Letztere nimmt – an eine zentrale Halle angrenzend – alle schul- und quartiersöffentlichen Bereiche auf. Eine gebäudehohe Pergola unterstützt die einladende Geste der transparenten Fassade der neuen Mitte, während die beiden Clusterflügel mit Lochfassaden in hellem Ziegelmauerwerk und angedeuteten Doppelgiebeln ein optisches Gegengewicht setzen. Dabei wird der Altbau voll – von außen ist er nicht mehr zu sehen – in den südöstlichen Clusterflügel integriert, der aus der Hauptflucht herausgerückt ist und so die sonst vielleicht zu strenge Symmetrie bricht.
Die Berliner Architekten legen dagegen alle schul- und quartiersöffentlichen Bereiche in das Forum und den 50er-Jahre-Bau, dem sie dadurch auch architektonisch ihre Referenz erweisen. Alle vier Cluster werden in einem winkelförmigen Neubau zusammengefasst. Während der eine Schenkel die Achse (und die Dachlinie) des Altbaus aufgreift, wendet sich der andere zur Straßenseite und flankiert einen langgestreckten Eingangsplatz. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass das traufenständige Dach des rückwärtigen Flügels hier zu einem unregelmäßigem Doppelgiebeldach verlängert wird, das im Obergeschoss eigene architektonische Qualitäten entfalten soll.
Beide Preisträger wurden aufgefordert, ausgemachte Schwachpunkte in einer Überarbeitungsphase zu korrigieren. Beim IBUS-Entwurf wurden vor allem der „weitgehende Eingriff in den vorhandenen Baukörper“ und die Flächenüberschreitung kritisiert, außerdem die unzureichende Belichtung der offenen Lernbereiche. Bei den Berliner Architekten waren es Defizite in den Gemeinschaftszonen und den Differenzierungsräumen und in der gestalterischen Ausformulierung: Der geschlossene Charakter der Klinkerfassade entspreche nicht der geforderten Vermittlung von Offenheit und Kommunikationsbereitschaft.
Nach der Überarbeitung empfahl die Jury den Entwurf des Berliner Büros vor allem wegen der gelungenen Cluster-Bereiche und der architektonischen Präsenz des Neubaus im Stadtraum zur Realisierung. Beim IBUS-Entwurf wurde der Eingriff in die Bausubstanz immer noch als zu massiv bewertet und die nachträgliche eingefügten Lichthöfe in den Clustern als „nicht überzeugend“. Bleibt zu hoffen, dass es den Berliner Architekten gelingt, die gewünschte Offenheit noch deutlicher in der Architektur sichtbar werden zu lassen (hier ließe sich in der Tat einiges von der 50er-Jahre-Architektur lernen). Und für die Hansestadt wäre zu wünschen, dass sich die Phase Null nicht nur auf dieses extern finanzierte Pilotprojekt beschränkt, sondern zum Alltagsgeschäft wird. Mit einer klaren Position zur „pädagogischen Architektur“ könnte der Schulbau in Bremen dann vielleicht an die Bedeutung vergangener Zeiten anschließen.
Nicht offener Realisierungswettbewerb
ein 1. Preis/1. Rang (zur Realisierung empfohlen) Kleyer Koblitz Letzel Freivogel Gesellschaft von Architekten, Berlin
ein 1. Preis/ 1. Rang IBUS Architekten und Ingenieure, Bremen
3. Rang Alten Architekten, Berlin, mit Landschaftsarchitekt Harms Wulf, Berlin
Fachjury
Thomas Bieling, Dörte Gatermann, Edgar Melzer, Iris Reuther, Jost Westphal
Fakten
Architekten Kleyer Koblitz Letzel Freivogel Gesellschaft von Architekten, Berlin; Rang IBUS Architekten und Ingenieure, Bremen
aus Bauwelt 8.2016
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