Bauwelt

3 Wie positioniert sich kommunale Planung in der Stadtentwicklung?

Reicht eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit als Stadtbaurat, oder braucht es mehr Kompetenz auch in den nachgeordneten Stuben der Planungsämter? Lässt die alltägliche Gefahrenabwehr überhaupt noch Zeit, Handlungsspielräume auszu­loten? Moderiert von Tim Rieniets, diskutierten im dritten Panel Frauke Burgdorff, Jörn Walter und Hartwig Schultheiß über die Frage, wie die Stadtplanungsämter wieder mehr Zugriff auf die Entwicklung gewinnen könnten.

Text: Rieniets, Tim

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    Hartwig Schultheiß
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    Moderator Tim Rieniets
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    Moderator Tim Rieniets

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3 Wie positioniert sich kommunale Planung in der Stadtentwicklung?

Reicht eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit als Stadtbaurat, oder braucht es mehr Kompetenz auch in den nachgeordneten Stuben der Planungsämter? Lässt die alltägliche Gefahrenabwehr überhaupt noch Zeit, Handlungsspielräume auszu­loten? Moderiert von Tim Rieniets, diskutierten im dritten Panel Frauke Burgdorff, Jörn Walter und Hartwig Schultheiß über die Frage, wie die Stadtplanungsämter wieder mehr Zugriff auf die Entwicklung gewinnen könnten.

Text: Rieniets, Tim

Tim Rieniets Ich möchte zwei Themen aufgreifen. Das eine ist die Struktur der Kommune: Wie kann integriertes Handeln zwischen den verschiedenen Dezernaten stattfinden? Könnte ein Stadtbaumeister als eine Person, die unabhängig von den Dezernaten angesiedelt ist und einen direkten Draht zum Bürgermeister hat, diese Strukturen miteinander verbinden? Das andere betrifft das Instrumentarium: Könnte es sein, dass das, was baurechtlich zur Verfügung steht, nur ein Rahmen ist, der noch lange nicht darüber entscheidet, ob ein städtebauliches Projekt gut oder schlecht wird?
Hartwig Schultheiß Wir können natürlich nur innerhalb des gesetzten Rechtsrahmens arbeiten. Dieser reicht jedoch aus, um auch – gut begründet – gute Lösungen zu vertreten und umzusetzen. Das setzt eine Stadtgesellschaft voraus, die offen und interessiert ist an der Entwicklung der eigenen Stadt, die Arbeit setzt viel früher an. Fachübergreifende Kommunikation auf breiter Ebene spielt da eine große Rolle.
Tim Rieniets Was heißt das im Arbeitsalltag?
Hartwig Schultheiß Zwischen den Individualinteressen und dem Gemeinwohl den Pfad zu finden, das ist die Kunst, die man auch lernen kann. Aber das können die Hochschulen eben nicht lehren, das ist auch eine Frage des menschlichen Umgangs und der Erfahrung.
Frauke Burgdorff Stadtentwicklung funktioniert dann, wenn sie in der Kommune ganz oben angesiedelt ist, beim Bürgermeister. Denn Stadtentwicklung ist nicht nur Städtebau, sondern auch Wirtschaftsentwicklung oder Bildungsentwicklung. Oft ist es so, dass die Stadtentwicklung das aushandeln muss, wovor sich die Politik gescheut hat.
Jörn Walter Das Thema auf die Stadtbaumeister-Frage zu reduzieren, wäre genau nicht mein Ansatz. In der „Kölner Erklärung“ geht es nicht um Gottvater-Modelle, sondern darum, dass der normale Stadtplaner, der Bauingenieur, der Landschaftsplaner das auch alles kann. Das Denken über Stadt hat sich in den letzten Jahren immer stärker auf Einzelthemen und -projekte konzentriert. Und die Frage, die hinter der „Kölner Erklärung“ steht, zielt darauf ab, ob es nicht notwendig ist, die stadträumlichen Dimensionen im Sinne des klassischen Städtebaus wieder zu befördern? Auf der Stadtebene zu sagen, das muss unbedingt passieren, heißt, Planungs- und Bauordnungsämter wieder zu stärken, mit Qualifikationen zu besetzen, die wir in den letzten zwanzig Jahren gestrichen haben.
Tim Rieniets Aber reicht Kompetenz in den Ämtern aus, wenn es um gestalterische Entscheidungen geht? Bedarf es nicht auch Formen der Überzeugungsarbeit und der Durchsetzung? Und, wenn ja, reichen dafür Qualitätssicherungswerkzeuge wie Gestaltungsbeiräte?
Hartwig Schultheiß Gestalt ist nicht demokratisch entscheidbar. Man braucht Verbündete. Als Planungsdezernent kann man eine Idee haben, aber die kriegt man nicht umgesetzt, wenn man nicht eine Reihe Mitstreiter hat, die man von dieser Idee überzeugen kann.
Jörn Walter Es ist eine Frage der Bildung, nicht nur der Ausbildung, sondern auch der allgemeinen Bildung. Stichwort: Prozesskultur. Haben Sie in einer Bürgerversammlung schon mal erlebt, dass Ihnen einer gesagt hat, das ist schön, das will ich haben? Ich noch nie. Wir reden dort über die Frage, wie hoch ist der Anteil des sozialen Wohnungsbaus? Wie ist der ökologische Standard? Funktioniert das mit dem Müll? Habe ich einen Parkplatz? Wir reden ganz selten über die Frage, ist das schön? Wollen wir so leben? Weil diejenigen, mit denen wir darüber sprechen, in diesem Feld unsicher sind.
Frauke Burgdorff Prozesskultur auf offene Bürgerveranstaltungen zu reduzieren, ist wohlfeil. Ich finde es wichtig, dass wir uns trauen, Bürgern Alternativen vorzustellen. Häufig liegt bei Bürgerversammlungen ein Projekt auf dem Tisch, das durchgesetzt werden soll, und das erzeugt Ängste. Nur mit Zutrauen bekommt man auch ehrliche Antworten.
Wolfgang Sonne Unsere Diskussion zeigt, wie analphabetisch wir beim Städtebau sind. Wir reden über Organisationsformen der Kommune und über Prozesskultur. Wir müssten eigentlich darüber reden, was guter Städtebau ist, und das in der Lehre zu fassen versuchen. Damit ist das andere nicht weg. Aber wir sollten nicht wieder Ausflüchte in etwas anderes suchen, was wir heute so gut können.
Tim Rieniets Sind es denn Ausflüchte, wenn man darüber diskutiert, wie eine Kommune guten Städtebau umsetzen kann? Die Kommunen sind nicht nur Ermöglicher, sondern können auch Verhinderer guten Städtebaus sein – und zwar dann, wenn Prozesse nicht in richtiger Weise durchlaufen werden.
Hilmar von Lojewski Die Amplitude schlägt immer in beide Richtungen aus. Es ist eben nicht so schlimm, wie es nie war, und es könnte wirklich noch besser sein, als es heute ist. Wichtig sind mir drei Schlaglichter. Zum einen: Die Stadtbauräte der Republik treffen sich zwei Mal im Jahr im Bau- und Verkehrsausschuss und verständigen sich zu jedweden Fragen des Planens, Bauens, Wohnens und des Verkehrs, so auch zur Planungs- und Baukultur. Das ist ein lesenswertes Papier, das den Status quo der Disziplin darstellt. Und der ist aus meiner Sicht bei Weitem nicht so schlecht, wie er beschrien wird. Zum anderen: Dass eine Vereinigung von 19.000 Verkehrs- und Straßenbauingenieuren Reiner Nagel einlädt, ihre Hauptveranstaltung mit Baukultur aufzuladen, zeigt doch, dass es zwischen den Disziplinen mehr Gesprächsfähigkeit gibt, als uns glauben gemacht wird. Diese zu kultivieren ist die Aufgabe. Drittes Schlaglicht: Ich prüfe seit achtzehn Jahren Städtebaureferendare. Meine Erfahrung der letzten Jahre in Richtung der Hochschulen ist, dass „Bologna“ dem Städtebau nutzt. All die, die aus unterschiedlichen Disziplinen kommen, um dann einen Master zu machen, schneiden in den Prüfungen besser ab als die, die nur in einer Disziplin zuhause waren. Und die Ergebnisse aus schriftlichen, entwerferischen und mündlichen Prüfungen sind durchaus aussagekräftig. Das ist ein Fingerzeig für die Hochschulen, noch mehr Durchlässigkeit zuzulassen.
Reiner Nagel Könnte Städtebau nicht eine Querschnittskompetenz für alle Fachdisziplinen sein? Dass es so wenig gute Städtebaubüros gibt, liegt doch auch daran, dass dieses Aufgabenfeld nicht richtig honoriert wird. Vielleicht müssten wir über eine „Phase 0“ nachdenken, über Vorlaufprozesse vorm Bauen, die dem Städtebau auch in der Honorierung mehr Gewicht verleihen könnten.
Jörn Walter Mit Städtebau kann man nicht wirklich Geld verdienen. Aber das ist nicht der Kern. Das eigentliche Thema ist schon, wie wichtig wir es nehmen. Die Frage der Gewichtung etwa spielt sehr konkret in die Hochschulen hinein: Dort steht der Städtebau in Konkurrenz zu einer Vielzahl von anderen Anforderungen – auch bei der Wiederbesetzung von Lehrstühlen. Der Grundfehler liegt doch in der Verschulung der Studiengänge, wir haben die im Zuge des Bologna-Prozesses so vollgepackt, dass da gar nichts mehr reinpasst. Die Hälfte zu streichen würde Luft schaffen und dem nutzen, was für die Zukunft wirklich notwendig ist.

Die drei Eröffnungsstatements

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Wir Investoren erwarten von Städtebauern Kenntnis auf drei Ebenen

Frauke Burgdorff
Wie können wir die Profession Städtebau handlungsfähiger machen? Diese Frage ist auch in dem Papier „100% Stadt“ zu finden. Wir als Montag Stiftung Urbane Räume sind Koproduzenten von Stadt, wir sind Investoren. Es ist aufschlussreich, von dieser Warte aus auf die Kommunen zu gucken. Was erwartet ein gemeinnütziger Investor von der Stadtplanung? Erstens eine sehr gute Kenntnis der Stadt auf Grundlage einer umfassenden Analyse, von der Planung über die Technik bis zur Bewohnerschaft. Zweitens klare Leitplanken: Was sind die Themen, die wir, wenn wir hier mit Geld reingehen oder Prozesse finanzieren, langfristig erwarten können, und was sind die Leitplanken, die ihr uns aufstellt? Drittens ist es ganz wichtig, dass die Stadtplaner in den Kommunen mit uns ein Projekt auf die Erde bekommen. Diese drei Ebenen, also eine genaue Analyse, eine Vorstellung von Zukunft und Kompetenz in der Umsetzung, müssen Städtebauer bearbeiten. Und dabei ihre Partner mit ihren Bedürfnissen genau kennen. Für Investierende ist es ganz wichtig, dass sie nicht von Amt zu Amt rennen müssen, sondern dass es einen kenntnisreichen Baurat oder Amtsleiter gibt, der einen durch die Zersplitterung dessen, was man in der Profession so alles findet, navigieren kann. Eines der wichtigsten Werkzeuge, das wir Stadtplaner haben, ist die Prozessgestaltung. Einen Prozess gut, das heißt, im richtigen Tempo, mit den richtigen Partnern und mit den richtigen Instrumenten, zu gestalten, ist ein hoch komplexer Vorgang. Denn Prozesse gestaltet man nicht nur mit Zeichnungen, man gestaltet sie mit Menschen, die Anerkennung brauchen, die gereizt oder provoziert werden wollen, vor allem aber mit den Menschen, für die man plant.
Frauke Burgdorff
Raumplanerin. Seit 2006 Vorständin der „Montag Stiftung Urbane Räume“, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Bonn. Sie war zuvor bei der EuRegionale 2008 und dem Europäischen Haus der Stadtkultur tätig.
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Wir müssen den Stadtraum wieder in den Vordergrund schieben!

Jörn Walter
Schon immer wirken verschiedene Fachdisziplinen in den Städtebau hinein. Dahinter stehen aber heute hundert Jahre Rechtsgeschichte, die sich in all diesen Disziplinen ein enormes Instrumentarium aufgebaut hat: das Baurecht, das Umweltrecht und vieles andere. Die „Kölner Erklärung“ hat sich nun ganz bescheiden erlaubt, die Frage zu stellen: Wenn wir uns das alles anschauen, spielt da eigentlich der Stadtraum selbst überhaupt noch eine Rolle? Und mit welchem Gewicht fließt er in endgültige Entscheidungen noch ein? Und sie stellt die These auf, dass der Stadtraum eben nicht mehr stark einfließt und wir darüber reden müssen, ob wir ihm nicht wieder mehr Gewicht zu geben haben. Darüber muss gesprochen werden, ob das stimmt oder nicht. Und es muss auch die Frage gestellt werden: Sind unsere Ausbildungen eigentlich noch darauf angelegt, Stadtraumkunst zu beherrschen? Man kann natürlich die Frage stellen, wie es auch die „100% Stadt“-Erklärung gemacht hat: Ist Stadtraumkunst jetzt alles im Städtebau? Natürlich nicht. Die Frage ist nur, ist es erlaubt, einen Teilaspekt unserer Profession wieder stärker in den Vordergrund zu rücken? Dafür plädiere ich. Und ich halte es für zentral, dass wir ganz offen darüber reden, was die letzten dreißig, vierzig Jahre Ausbildung in der Architektur, im Städtebau, im Bauingenieurwesen und in der Landschaftsbaukultur eigentlich gebracht haben? Ich behaupte, generell ist der Städtebau in der Architektur nicht unbedingt ein Kernfach. Das ist zu 80 Prozent hochgeblasene Architektur, was uns die Architekten als Stadt verkaufen. Gucken wir uns die Raum- und Stadtplaner an. Ehrlich gesagt, Stadtentwicklung können wir Stadtplaner schon gut. Aber hat der Städtebau in den Planungsdisziplinen ein wirklich starkes Gewicht? Da sage ich: Nein! Und wir könnten uns auch noch die Disziplin der Bauingenieure angucken. Diese ganzen Verkehrsplaner, Statiker, Umweltplaner, Energieplaner – kann da einer über Gestaltung reden? Nein, fast keiner. Das ist das Problem.
Jörn Walter
Stadtplaner und seit 1999 Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg. Zuvor leitete er das Stadtplanungsamt in Dresden und das Amt für Stadtentwicklung und Umwelt in Maintal. Er ist seit 2012 Mitglied im Beirat der Bundesstiftung Baukultur. Er lehrte an der HfbK Hamburg und ist Professor für Architektur an der HafenCity Universität.
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Es braucht Persönlichkeiten mit Gestaltungs- statt Verwaltungsanspruch

Hartwig Schultheiß
Das Handwerkszeug, das man als Planer braucht, hat sich verändert, da sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben. Das wird sich auch in unseren Städten ausdrücken. Deshalb muss auch die Lehre darauf reagieren. Sie muss stärker berücksichtigen, dass das ökonomische, politische, gesellschaftliche Umfeld globaler und komplexer geworden ist. Leitbilder und individueller Gestaltungsanspruch umfassen nur einen Baustein zukünftiger Stadtgestaltung. Eine weitere Komponente zur Umsetzung qualitätvollen Städtebaus, die über die reine Fachlichkeit hinausgeht, ist das Persönlichkeitsprofil. Die verantwortlichen Akteure sollten einen Gestaltungsanspruch haben, statt eines reinen Verwaltungsanspruchs. Die Bereitschaft und die Fähigkeit, langwierige Diskussionen mit der Stadtgesellschaft zu führen, muss kommunikativ, interdisziplinär und zielgruppenorientiert sein. Wir sollten den Mut haben, stets um die beste Lösung zu kämpfen und diese auch gegenüber Investoren nachhaltig vertreten. Wir müssen die Kraft und den Geist haben, zwischen den stets vorgetragenen Individualinteressen und dem Gemeinwohl zu unterscheiden. Zum Persönlichkeitsprofil gehört auch, unpopulär entscheiden zu können und Wünschen der Politik auf einer strategischen Ebene weitsichtig zu begegnen, statt reflexhaft zu handeln. Natürlich müssen die Hochschulen Stadt- und Architektur-Wissen vermitteln. Aber das nötige Maß an Anwendungsorientiertheit vermisse ich zuweilen. Aufgrund der heutigen Regelungsdichte beherrschen häufig die Verfahren die Inhalte. Der baurechtliche Rahmen, Lärmschutz, Verkehr, Feuerwehr, Liegenschaften, Fachplanungen etc., all die damit zusammenhängenden Fragen werden immer mehr handlungsleitend. Mit der Folge, dass man als Stadtplaner zunehmend mehr in Fehlervermeidungs- und Gefahrenabwehrstrategien denkt als bezogen auf ein städtebauliches Ziel. Wer heute in der Kommune als verantwortlicher Stadtplaner einer guten städtebaulichen Idee folgen will, muss sein fachliches Handwerk beherrschen und eine starke Persönlichkeit verkörpern, um einen qualitätsvollen Städtebau auch tatsächlich umzusetzen.
Hartwig Schultheiß
Architekt und Stadtplaner. Seit 2003 ist er als Stadtdirektor für den Bereich Planung, Bau, Wirtschaft und Marketing in Münster zuständig, wo er zuvor seit 2000 als Stadtrat tätig war. Schultheiß ist außerdem Vorstandsvorsitzender von StadtBauKultur NRW in Gelsenkirchen.

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