Bauwelt

Königliche Sammlungen in Madrid


Ein Jahrhundertwerk: Nach ersten Plänen im Jahr 1932 und einem Wettbewerb 2002 eröffneten Ende 2023 die Königlichen Sammlungen in Madrid. Der Entwurf von Mansilla + Tuñón wirkt zeitlos.


Text: Schulz, Bernhard, Berlin


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    Das Ausstellungsgebäude staffelt sich den Hang unterhalb des Plateaus von Königspalast und Kathe­drale hinab.
    Foto: Luis Asín

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    Das Ausstellungsgebäude staffelt sich den Hang unterhalb des Plateaus von Königspalast und Kathe­drale hinab.

    Foto: Luis Asín

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    Wie dem historischen Bestand sind ihm Rampen aus Ziegelmauerwerk vorgelagert.
    Foto: Luis Asín

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    Wie dem historischen Bestand sind ihm Rampen aus Ziegelmauerwerk vorgelagert.

    Foto: Luis Asín

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    Deckenbalken und Fassadenpfeiler sind gleich dimensioniert.
    Foto: Luis Asín

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    Deckenbalken und Fassadenpfeiler sind gleich dimensioniert.

    Foto: Luis Asín

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    Blick ins Foyer.
    Foto: Luis Asín

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    Blick ins Foyer.

    Foto: Luis Asín

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    Die Erschließungsräume des Museums wurden großzügig dimensioniert, um dem Besucherandrang zu genügen.
    Foto: Luis Asín

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    Die Erschließungsräume des Museums wurden großzügig dimensioniert, um dem Besucherandrang zu genügen.

    Foto: Luis Asín

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    Blick vom Foyer entlang der Fassade.
    Foto: Luis Asín

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    Blick vom Foyer entlang der Fassade.

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    Foto: Luis Asín

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    Foto: Luis Asín

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    Foto: Luis Asín

Als „bedeutendstes Museumsprojekt Spaniens seit Jahrzehnten“ bezeichnet der Patrimonio Nacional die Errichtung der Galerie der Königlichen Sammlungen in Madrid. Der Patrimonio Nacional ist die Institution zur Bewahrung und Pflege des insbesondere aus einst königlichem Besitz hervorgegangen spanischen Kulturerbes, so etwas wie die spanische Nationalstiftung. Er zählt nicht nur 160.000 Kunstwerke und Kulturgüter zu seinem Bestand, sondern auch an die eintausend Baulichkeiten sowie 18.000 Hektar Grünflächen in Gestalt von Parks und Wäldern.
Dieses Kulturerbe öffentlich zu machen, ist eine der Aufgaben des Patrimonio, der auf die Gesetzgebung der Zweiten Republik im Jahr 1932 zurückgeht. Schon damals gab es Pläne für ein eigenes Museumsgebäude, nachdem die Kunstschätze des Königshauses öffentlicher Besitz geworden waren. Doch erst in jüngerer Zeit, nach dem Ende der Franco-Diktatur, wurde das Vorhaben mit Nachdruck betrieben. Dennoch dauerte es nochmals mehr als zwei Jahrzehnte, ehe aus einem allerersten Wettbewerb über etliche Zwischenstufen an Planungen das Gebäude der Galería de las Colecciones Reales hervorging, das im Sommer 2023 endlich eröffnet werden konnte.
Tatsächlich war das Bauwerk im wesentlichen bereits 2015 fertiggestellt. Doch brauchte es Zeit, um aus den reichen Sammlungen des Patrimonio ein kohärentes Museumskonzept zu entwickeln und umzusetzen. Dabei hat der architektonische Entwurf über die lange Zeitspanne seiner Ausführung hinweg ästhetisch standgehalten. Nie wurde er als zeitgebunden oder gar modisch wahrgenommen. Im Gegenteil – das Bauwerk passt sich in seine hochgradig bedeutungsvolle Umgebung in einer Weise ein, die einen Konflikt der verschiedenen Zeitschichten gar nicht erst entstehen lässt, ohne sie doch zu verleugnen.
Die Lage des Museums ist äußerst apart. Das mächtige Plateau, das den Königspalast und die erst im Laufe des 20. Jahrhunderts errichtete Kathedrale der Almudena trägt und gegen das Tal des Flusses Manzanares abschirmt, ließ einen zusätzlichen Baukörper nicht zu. Erste Überlegungen gingen dahin, ein Museum unter der Plaza de la Amería, dem weiten Platz zwischen der Kirche und dem Ehrenhof vor dem Schlosskomplex, anzulegen. Der in einem neuerlichen Wettbewerb des Jahres 2002 siegreiche Entwurf von Mansilla + Tuñón Arquitectos hingegen greift die jahrhundertelange Baugeschichte des Schloss­ensembles auf und führt sie fort. Das felsige Plateau bildet seit jeher die Grenze der Besiedelung Madrids, während im Tal entlang des Flusses Gärten entstanden, die vom Schlossberg her über Rampen zugänglich sind. Zuletzt waren diese Rampen um 1900 in südlicher Richtung komplettiert worden; dorthin, wo zu eben jener Zeit erste Planungen für eine Kathedrale anliefen.
Mit ihrem Gebäude, das sich unterhalb dieser Kathedrale den Hang hinunter bis auf Gartenniveau staffelt, schaffen Mansilla + Tuñón zweierlei: Zum einen bauen sie eben das erforderliche Museumsgebäude, zum anderen vervollständigen sie die bauliche Fassung des Plateaus. Es ist von außen und zumal aus Fernsicht von jenseits des Flusses nicht einmal mit Gewissheit auszumachen, ob es sich überhaupt um ein Gebäude handelt oder nicht vielmehr um eine sorgfältig gestaltete Substruktion, zumal dem Haus selbst wiederum in Backstein gefasste Rampen vorgelegt sind wie bei den älteren Bauteilen.
Zur optischen Bescheidung des Museumsgebäudes trägt bei, dass auf der Höhe des Almería-Platzes zwar der Haupteingang liegt, doch nur ein kompakter Bauteil zu sehen ist. Um so überraschender ist dann der Eindruck unmittelbar nach dem Eintreten, wo sich ein weites Foyer öffnet, dessen 28 Meter Breite von mächtigen Balken überspannt werden. Diese Balken finden talseitig ihre Fortsetzung in gleich dimensionierten Vierkantpfeilern, deren ebenso breite Zwischenräume gänzlich befenstert sind.
Damit ist das konstruktive wie auch ästhetische Grundprinzip des Entwurfs von Luis Moreno Mansilla und Emilio Tuñón Álvarez beschrieben. Die weißen Betonstreben bilden das Konstruk­tionsgerüst des Bauwerks, sie kommen vertikal und horizontal im immer gleichen Querschnitt von einem Quadratmeter sowie Abstand von wiederum einem Meter vor. Fassadenseitig besteht ein gewichtiger Unterschied darin, dass dort die Vertikalpfeiler bei gleich bleibendem Gesamtquerschnitt u-förmig von hellgrauem Granit umkleidet sind, um so in Material und Farbigkeit auf die Fassade des in seinen Grundzügen von Giovanni Battista Sacchetti Mitte des 18. Jahrhunderts erbauten Schlosses zu antworten.
Zum Tal hin und also mit seiner einzigen Schauseite zeigt sich das Galeriegebäude als strenge Rasterarchitektur, teils überschnitten durch die erwähnten, in Backstein verkleideten Rampen, die gleichfalls auf ihr historisches Vorbild unterhalb des Schlosses antworten. Allerdings haben die Architekten die Fassade rhythmisiert, indem Pfeiler und Zwischenräume geschossweise wechseln, zudem die durch schmale Horizontalbänder abgesetzten Geschosse unterschied­liche Höhe aufweisen. Während das oberste Geschoss tatsächlich zwei Ebenen umfasst – Foyer und Servicebereiche und darüber Auditorium und Verwaltung –, bergen die drei unterschiedlich hohen Geschosse darunter die Galerieräume, und zwar über die vollständige, je nach Geschoss bis zu 145 Metern messende Länge des Bauwerks.
Die serielle Konstruktion erlaubte es, stützenfreie Ausstellungsräume zu schaffen und so dem museologischen Konzept von Manuel Blanco größtmögliche Flexibilität zu gewähren. Erschlossen werden die drei Ebenen durch eine doppelte Rampe am südlichen Ende des Bauwerks, auch sie in Granit gefasst und mit polierten Handläufen versehen. Zudem gibt es Aufzüge, der größte von ihnen für ein Maximum von nicht weniger als 120 Personen ausgelegt – die Museumsleitung wollte für den Ansturm von gleich zwei Busladungen von Gruppenbesuchern gewappnet sein, die vom parkseitigen Eingang mit der Möglichkeit der Bus-Anfahrt her kommen sollten. Fluchttreppenhäuser befinden sich an mehreren Stellen, raumhohe Tore können im Evakuierungsfall ganze Bereiche abtrennen.
Das museologische Konzept sieht eine chronologische Präsentation entsprechend der Abfolge der spanischen Herrscher vor. Für die Dauerausstellung sind zwei Geschosse reserviert, das obere – unmittelbar unterhalb des Foyers – für die Reihe der Habsburger oder, wie die spanische Bezeichnung lautet, die Casa de Austria, das darunter folgende für die Bourbonen. Der Wechsel der Dynastien genau im Jahr 1700 gibt die Aufteilung auf die beiden Geschosse vor. Jeweils wird der Besucher, von Süden kommend, hangseitig durch die Museumsinstallation geführt, um am Ende des Raums umzudrehen und talseitig zum Ausgangspunkt, der Rampe beziehungsweise den Aufzügen, zurückzukehren. Die beiden Hallen messen jeweils 16 Meter in der Breite und 103 Meter in der Länge, die Höhe variiert, von acht Metern bei den Habsburgern zu fünfeinhalb bei den Bourbonen. Grund dafür sind die unterschiedlichen Dimensionen der Ausstellungsobjekte, zu denen bei den Habsburgern zahlreiche großformatige Wandteppiche zählen.
Besondere Sorgfalt wurde auf die Beleuchtung gelegt. Die Lichtleisten für gleichmäßige Ausleuchtung sind zwischen den Querbalken angeordnet, wie auch sonstige Installationselemente sowie die Frischluftzufuhr; sie sind dadurch schon aus geringer Entfernung von den Balken verdeckt und springen nirgends ins Auge. Talseitig, also Richtung Westen, war der starke Einfall von Sonnenlicht zu berücksichtigen. Hier sind Vertikalbalken in zwei Reihen mit einem halben Meter Zwischenraum gegeneinander versetzt, so dass aus den Ausstellungsbereichen kein Blick nach außen möglich ist und umgekehrt keine direkte Sonneneinstrahlung. Lediglich im Bereich der Verkehrsflächen vor den Ausstellungshallen gibt es diese Versetzung nicht, so dass hier, wie auch im oberen Hauptfoyer, Tageslicht mit entsprechenden, regelmäßigen Schattenwürfen eindringt. Das Kunstlicht ist warmweiß gehalten, rund zwei Kilometer an Lichtleisten wurden verbaut. Die verbrauchte Luft wird hangseitig in Bodennähe abgesaugt.
Eine Besonderheit birgt die oberste Ausstellungsebene. Hier gelangt der Besucher in einen Seitenraum, der direkt in den Fels hineinführt und hinter einer großen Glaswand eine weite Ausgrabungshöhle freigibt. Hier lagen die Grenzen der historischen Siedlungen, die dem spät erst als Stadt hervortretenden Madrid vorangingen, hier werden Mauerreste unter anderem aus arabischer Zeit sichtbar. „Almudena“, diese topographische Bezeichnung im Namen der Kathedrale entstammt dem Arabischen und meint „innerhalb der Mauern“. Der Ausgrabungsbereich musste mit Betonpfählen gesichert und freigelegt werden, er erhält nun ein schwaches, geheimnisvolles seitliches Tageslicht über eine Lichtdecke, die, für Passanten unsichtbar, zwischen der Kathedrale und dem Museumsbau liegt. Mit dieser Ausgrabungsstätte ist die Geschichte des spanischen Königtums mit der­jenigen des konkreten Ortes, dem Rand der Siedlungsfläche von Madrid, sinnfällig verbunden.
Luis Mansilla hat die Vollendung des Galeriegebäudes nicht mehr erleben können, er verstarb 2012 im Alter von 53 Jahren. Neben Emilio Tuñón war vor allem Carlos Brage an der Realisierung beteiligt. Mansilla und Tuñón, beide nahezu gleichaltrig und an der Technischen Hochschule für Architektur Madrid (ETSAM) ausgebildet, haben bei Rafael Moneo gearbeitet, ehe sie 1992 ihr eigenes Büro gründeten und 1996 mit dem Archäologie-Museum von Zamora auf sich aufmerksam machten. Seither sind weitere Kulturbauten hinzugekommen, wie das mit seiner Hanglage nicht unähnliche Privatmuseum der Sammlung Helga de Alvear in Cáceres. Die Galerie der Königlichen Sammlungen wurde zwischen 2002 und 2006 entworfen, die Bauzeit reichte bis 2015. Die Baukosten werden mit 150 Millionen Euro angegeben, die Bruttogrundfläche einschließlich eines in der Tiefe liegenden Depotgeschosses mit 50.000 Quadratmetern. Probleme gab es unter anderem mit den Lieferungen des feinen, hellgrauen Granits. Doch da kam die Pandemie zu Hilfe, denn nun gab es die nötigen Kapazitäten in Steinmetzbetrieben, um den Stein in solchen Mengen zu bearbeiten. Er harmoniert aufs Beste mit dem schalungsrau gelassenen Beton wie auch den eichenhölzernen Türen und Zargen. Entstanden ist ein Bauwerk, das ebenso heutig wie zeitlos ist. Das Museum ist eine Errungenschaft der Republik, aber aufgehoben ist in ihm ein halbes Jahrtausend königlicher Geschichte.



Fakten
Architekten Mansilla + Tuñón Arquitectos, Madrid
Adresse C. de Bailén, s/n, Centro, 28013 Madrid, Spanien


aus Bauwelt 5.2025
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