Bauwelt

Aabenraa. In Bewegung setzen, um zu bewegen

Trotz der Wälder, des sanften Hügels im Rücken und eines Ostseestrandes mitten in der Stadt, spielt der Tourismus für die Stadt Aabenraa eine marginale Rolle. Der Ausblick auf Containerschiffe und einen der größten Häfen in Süddänemark trägt wahrscheinlich dazu bei. Der Hafen ist wichtigster Wirtschaftszweig, beim Stadt­entwicklungskonzept übernimmt jedoch eine ganz andere Branche die Hauptrolle: Gesundheit.

Text: Flagner, Beatrix, Berlin

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    Sonnenschirme und Straßenbeleuchtung in einem: Der zentrale Platz Stortorv wurde von Topotek 1 aus Berlin umgestaltet.
    Foto: Udo Meinel

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    Sonnenschirme und Straßenbeleuchtung in einem: Der zentrale Platz Stortorv wurde von Topotek 1 aus Berlin umgestaltet.

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    Die geschlossenen Ensembles aus Bürger- und Handwerkerhäusern ...

    Foto: Udo Meinel

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    Die geschlossenen Ensembles aus Bürger- und Handwerkerhäusern ...

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    ... sind ein beliebtes Postkartenmotiv.
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    Die Werke der Agrar- und Ernährungsgesellschaft Ewers stehen direkt an der Strandpromenade.
    Foto: Udo Meinel

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    Die Werke der Agrar- und Ernährungsgesellschaft Ewers stehen direkt an der Strandpromenade.

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    Ein Neubaugebiet am Stadtrand.
    Foto: Udo Meinel

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    Ein Neubaugebiet am Stadtrand.

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    Der Blick auf Apenrade vom Industriehafen gesehen. Die Nähe zur Autobahn E45, die zur A7 wird, macht Apenrade als Produktions- und Logistikstandort attraktiv.
    Foto: Udo Meinel

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    Der Blick auf Apenrade vom Industriehafen gesehen. Die Nähe zur Autobahn E45, die zur A7 wird, macht Apenrade als Produktions- und Logistikstandort attraktiv.

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Aabenraa. In Bewegung setzen, um zu bewegen

Trotz der Wälder, des sanften Hügels im Rücken und eines Ostseestrandes mitten in der Stadt, spielt der Tourismus für die Stadt Aabenraa eine marginale Rolle. Der Ausblick auf Containerschiffe und einen der größten Häfen in Süddänemark trägt wahrscheinlich dazu bei. Der Hafen ist wichtigster Wirtschaftszweig, beim Stadt­entwicklungskonzept übernimmt jedoch eine ganz andere Branche die Hauptrolle: Gesundheit.

Text: Flagner, Beatrix, Berlin

Effizienzsteigerung – 2014 wurde das dänische Gesundheitswesen reformiert. Damit einher ging die Verwirklichung von 21 sogenannten Superkrankenhäusern. Sechs Neubauten werden realisiert, die restlichen fünfzehn entstehen durch Ausbau und Erneuerungen bestehender Krankenhäuser. Bis 2022 soll es pro 250.000 Einwohner dann nur noch ein Krankenhaus geben – in Deutschland sind es zum Vergleich ungefähr fünf Mal so viele. Eines dieser Superkrankenhäuser steht in der Stadt Aabenraa in Syddanmark. Das Krankenhaus gehört zu einem der ersten, welches Roboter für Verrichtungen von Aufgaben, welche sonst Pflegepersonal übernehmen, einsetzt. Die Integration von Robotern soll zukünftig sogar noch ausgebaut werden. Wer jetzt den Abbau von Arbeitsplätzen ahnt, liegt falsch. Im Gegenteil, die Anzahl der Beschäftigten in dem Superkrankenhaus in Aabenraa stieg von 800 auf 1600 an. Für eine Stadt mit ungefähr 16.200 Einwohnern kein unwesentliches Wachstum. Potenzial, das die Stadtverwaltung dazu veranlasste, ein neues Stadtentwicklungskonzept auszuarbeiten. Das Ziel: Bis 2035 die modernste Handelsstadt Dänemarks werden. Dann steht nämlich das 700-jährige Stadtjubiläum an.
Bereits im Namen wird die elementare Rolle des Hafens deutlich: Das Dorf Opnør – der Hafen zu Burg und Siedlung – wurde im Jahr 1335 als Opneraa zur Stadt erklärt. Fünfundzwanzig Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, fast dreißig Kilometer nördlich von Flensburg, liegt Apenrade – ihr deutscher Name – an der Ostsee. Die Apenrader Förde schneidet zehn Kilometer tief in die jütische Halbinsel hinein, am westlichen Rand liegt die Stadt. Nach der Fischerei gehörten der Schiffsbau und die Schiffsfahrt zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Als entscheidender Standortvorteil gilt die Wassertiefe von bis zu 18 Metern. Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Blütezeit Apenrades, wurden sechs Werften gebaut, die Schiffe von einer Größe von 400 Tonnen auf Kiel legen konnten. Der Schiffbau wurde jedoch 1879 komplett eingestellt, schuld waren eine Wirtschaftskrise und der Bau einer Stahlschiffswerft in Flensburg. Als Umschlagplatz und Handelsstadt blieb die Bedeutung der Stadt bestehen. Bis heute ist der Hafen der einzige Tiefwasserhafen in der deutsch-dänischen Grenzregion Sønderjylland-Schleswig und darüber hinaus der tiefste unter den öffentlichen Verkehrshäfen im westlichen Teil der Ostsee. Auf 70.000 Quadratmetern Kaifläche können Schiffe von bis zu 250 Meter Länge anlaufen. Zuletzt konnte immer noch ein Warenumsatz von 1,5 Millionen Tonnen erbracht werden. Der Hafen wird von der Kommune verwaltet, dessen Gewinne und andere wirtschaftliche Belange werden jedoch vom Haushalt getrennt abgerechnet.
Obwohl der Hafen der wichtigste Erwerbszweig der Stadt ist, bot er im Jahr 2009 nur noch 1200 Arbeitsplätze – Automatisierungen führten zu Stellenabbau – und bietet somit ein paar Hundert weniger als das neue (automatisierte) Superkrankenhaus. Die Absicht, aus Apenrade die modernste Handelsstadt Dänemarks zu machen, zielt nicht auf den Ausbau des Hafens ab, sondern auf den Ausbau des Gesundheitssektors. Dieser wird in den Mittelpunkt des Stadtentwicklungskonzepts gestellt. „Eine Stadt mit gestärktem Herz“, so das Motto. Man müsse sich Apenrade als aufgeweckten und vitalen kleinen Bruder von Flensburg und Sonderburg vorstellen, wie Margriet Pless Jansen aus der Abteilung Kultur und Umwelt der Stadtverwaltung und Bo Riis Duun, Abteilungsleiter des Planungsamtes, bei einem Treffen im Rathaus erklären. Apenrade soll in Sønderjylland nicht nur das Zentrum für Gesundheit, sondern auch für Bildung werden. Sind in Apenrade die Handelsgüter der Zukunft nicht mehr Waren vom Containerschiff, sondern Wissen und Dienstleistungen?
Eine Stadt mit gestärktem Herz
Die Stadtentwicklung wurde in den Jahren bis 2013/14 vernachlässigt, da es nach der Verwaltungsreform 2007, bei der 270 Kommunen auf 98 zusammengelegt wurden, erst einmal galt, die fünf Gemeinden, die zu einer – der Aabenraa Kommune – verschmolzen, in den Fokus zu setzen.
Diverse Vorstudien, öffentliche Bürgertreffen und Workshops bildeten die Grundlage für das Programm eines Ideen- und Realisierungswettbewerbs, der 2013 ausgelobt wurde. Statt einem Sieger fand man drei: die Arbeitsgemeinschaft aus Adept Architects mit Topotek 1 und Atkins aus London, die Arbeitsgemeinschaft rund um COBE, SLA, ViaTrafik, Bygningsarv und dem Zentrum für Zukunftsforschung Dänemarks sowie die Arbeitsgemeinschaft aus den Büros Transform, Niras, Gehl Architects, Kragh & Berglund und Niku. Die drei Teams bekamen jeweils einen Teilauftrag: einen Campus, die Gebietserneuerung Süd rund um die Straßen Vestergade und Skibbrogade und die Erneuerung der Strandpromenade. Zusammen ergeben sie das Stadtentwicklungskonzept 2035.
Bei der Besichtigung des Campusgeländes mit Margriet und Bo – man ist schnell beim Du – wird deutlich, wie nah das großflächige Projekt „Active Campus Aabenraa – mit Fokus auf Gehirn und Herz“ am Stadtzentrum liegt. Nur einige hundert Meter vom Marktplatz entfernt, tun sich die ersten Neubauten auf. Der Campus umfasst sieben Projekte, durch die Bewohner und Schüler in Bewegung gebracht werden sollen, sowohl psychisch als auch physisch. Das UC SYD, nach einem Entwurf von Henning Larsen Architects, ist eine Bildungseinrichtung für zukünftige Pädagogen, Sozialarbeiter und Krankenpfleger. Im September 2017 hat es mit 1100 Schülern seinen Betrieb aufgenommen. Das International Business College steht kurz vor der Fertigstellung. Langfristig sollen bis zu 5000 Schüler im Bereich Gesundheit ausgebildet und Apenrade damit zu einer Studienstadt gemacht werden. Eine „Rambla“ – die man als Nerv verstehen soll, der Bildung (Gehirn) und Sport (Herz) miteinander verbindet – führt durch den „Campus Park“, von dem man zum eigentlichen Kern des Campus gelangt: der neuen Arena. Die Bildungs- und Freizeiteinrichtung besteht aus Multifunktionshallen, Schwimmhallen und Fitnessräumen.
Der Campus ist jedoch nicht der einzige Ort dieser Kohärenz von Bildung, Freizeit und Gesundheit. Auch die erneuerte Strandpromenade lädt mit Fitnessgeräten zum Sport ein. „You will become part of a movement when you move to Aabenraa – the movement to move“ versucht die Stadt auf ihrer Internetseite neue Bewohner zu locken. Aber auch die Schüler und Auszubildenden sollen durch das attraktive Angebot nach ihrer Ausbildung in der Kommune, die immerhin 59.000 Einwohner zählt, gehalten werden, bestätigen Margriet und Bo.
Verlässt man den geschäftigen Campus, der beinahe das Abmaß des Stadtkerns hat, und läuft in die Altstadt, wirkt diese mit den giebelständigen Bürger- und Handwerkerhäusern und ihren Ausluchten wie ein behaglicher, alter Herr und nicht wie der vitale kleine Bruder von Flensburg und Sonderburg. In den Straßen ist wenig los, die riesigen Gärten hinter den Häusern sind verlassen. Auf die Belebung dieser Viertel und der Innenstadt zielt das dritte Bauprojekt, die Gebietserneuerung Süd, ab. Für fünfzig Millionen Kronen werden Stadtmöblierung, Fassadensanierungen und Straßenpflaster erneuert. Hauptaugenmerk wird dabei auf die Fußgängerzone gelegt. Hier sollen neue Funktionen in die Erdgeschosszonen einziehen, um eine emsige Atmosphäre auf der Straße zu erzeugen.
Vor den Toren der Stadt
Neben den Zweigen Hafen, Gesundheit und Bildung wird wohl in nächster Zeit eine weitere, nicht unwichtige Branche vor den Toren der Stadt entstehen. Dänemark gilt als Pionierland der Energiewende und liegt klimatisch günstig, sodass mit Frischluft gekühlt werden kann: Nach eigenen Angaben wird Software-Konzern Apple rund 800 Millionen Euro in ein neues Rechenzentrum in Apenrade investieren. Damit werden in der Bauphase dreihundert Arbeitsplätze geschaffen, nach der Inbetriebnahme noch 150. Es soll zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden, dazu lässt der Konzern eigens Windkraftanlagen aufstellen. Ende 2019 soll das Zentrum ans Netz gehen. Und auch der nächste Konzern steht schon vor der Tür: Google erwarb ein 130 Hektar großes Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zu Apple, jedoch noch ohne eine konkrete Planung, es zu bebauen.

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