Bauwelt

Alvar Aalto – Second Nature

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Die Holzdecke der Bibliothek in Viipuri, heute Vyborg, von Alvar Aalto 1927–35 war verloren gegangen, ...

    Armin Linke, VG Bild-Kunst, Bonn, 2014

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    Die Holzdecke der Bibliothek in Viipuri, heute Vyborg, von Alvar Aalto 1927–35 war verloren gegangen, ...

    Armin Linke, VG Bild-Kunst, Bonn, 2014

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    ... sie wurde perfekter saniert, als ursprünglich hergestellt.



    Foto: Armin Linke, VG Bild-Kunst, Bonn, 2014

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    ... sie wurde perfekter saniert, als ursprünglich hergestellt.



    Foto: Armin Linke, VG Bild-Kunst, Bonn, 2014

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    Alvar Aalto auf seinem Boot Nemo Propheta in den 1960er Jahren
    © Schildt Foundation, Foto: Göran Schildt

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    Alvar Aalto auf seinem Boot Nemo Propheta in den 1960er Jahren

    © Schildt Foundation, Foto: Göran Schildt

Alvar Aalto – Second Nature

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Die Literatur zu Alvar Aalto (1898–1976) lässt sich mittlerweile in Laufend-Metern erfassen. Trotzdem scheut das Vitra Design-Museum nicht davor zurück, einen weiteren Band mit knapp 700 Seiten herauszubringen. Anlass ist die aktuelle Ausstellung Alvar Aalto. Second Nature, mit der das Haus seine monografische Reihe zu Klassikern der Moderne fortsetzt. Die Retrospektive ist zweifelsohne ein ästhetischer Genuss. Und ihr gelingt es, eher Unbekanntes zu Werk und Persönlichkeit Alvar Aaltos zutage zu fördern. Da ist etwa Aaltos frühes Interesse – immer zusammen zu denken mit seiner ersten Frau Aino (1894–1949) – für avantgardistische, als multisensorisch bezeichnete Raumkonzepte. Aalto stand über Walter Gropius in Kontakt mit Erwin Piscator und wusste um deren gemeinsame Konzeption des Totaltheaters (ab 1927) mit der Absicht, die Trennung von Bühne und Zuschauerraum zu überwinden. In dieser Zeit realisierte er einen Theatersaal in der Südfinnischen Landwirtschaftskoopera­tive in Turku, für den er nicht nur den antikisierenden Bühnenvorhang entwarf, sondern 1930 auch ein Bühnenbild. Hierbei erweiterte er mit Projektionen die starren Kulissen um dynamische Momente. Zeitgleiche Studien für ein Standardkino, unter anderem mit einem Zuschauerraum wie in einem Amphitheater, hatten indes keine Realisierungschance, ebenso wie sich sein Kontakt zu dem österreichisch-amerikanischen Theater- und Kinovisionär Frederick Kiesler nicht in Bauten niederschlug. Kieslers Vorstellung einer Interaktion zwischen dem Menschen und seiner natür­lichen wie technischen Umgebung entsprach jedoch auch Aaltos ästhetischer Praxis.
Ausgiebig thematisieren Ausstellung wie Katalog die Vernetzung Alvar Aaltos zu Künstlern, Sammlern, Kritikern und Publizisten. Zwar betrieb Aalto Malerei, Zeichnung und Plastik nicht als selbstständigen Werkaspekt, wie etwa Le Corbusier, seine künstlerischen Formfindungsexperimente entfalteten aber ein Eigenleben jenseits konkreter Aufgabenstellungen. Studien aus laminiertem Holz etwa führten zu freien Reliefs und waren gleichzeitig technische Basisarbeit für Möbel aus Buchen- und Birkenschichtholz.
Breiten Raum erhalten Aaltos Interieurs und Möbel wohl auch, weil Vitra die 1935 von Aalto mitgegründete Vertriebsfirma Artek 2013 übernommen hat. Der erste Auftrag für eine Möblierung bot sich Aalto mit der Errichtung des Tuberkulosesanatoriums in Paimio (1929–1933). Gestell und Sitzschale des gleichnamigen Sessels für den Aufenthaltsraum waren aus Schichtholz gefertigt, die elastisch gestützte Sitzposition sollte das gesunde Atmen fördern. Für die Patientenzimmer entwarf er eine spartanische Ausstattung, deren Funktionalität auf die zumeist geschwächten Liegenden abgestimmt war. Die Ausstellung zeigt eine Raumzelle mit Einrichtung aus der hauseigenen Sammlung. Zwei üppige
Installationen präsentieren zudem Querschnitte aus Aaltos reicher Produktion an Möbeln und Leuchten, eine Taststrecke mit Türklinken und Ausstattungselementen in Keramik und Holz
ermöglicht taktiles Erleben.
Und Aaltos architektonischer Nachlass? Anders als seine Möbel und Designstücke sind Aaltos Gebäude Unikate. Nicht immer wird ihre Qua-
lität erkannt, Fragen zu Adaptionen, Bauunterhalt und Denkmalpflege wären naheliegend gewesen. Was bedeutet es etwa, wenn im heute russischen Vyborg Aaltos erster Bibliotheksbau (1929– 35), nach großen Verlusten originaler Substanz, so auch der markant ondulierten Holzdecke des Mehrzwecksaales, mittlerweile in derartiger Perfektion rekonstruiert ist, dass sich selbst die Projektarchitektin Maija Kairamo amüsiert fragte, ob der bauzeitliche Gebäudebestand jemals diese Qualität erreicht hatte. Hier verspielen Ausstellung und Katalog die Chance, die eine fachkritische Sicht auf eine repräsentative Gebäudeauswahl geboten hätte. Auch die beim Berliner Künstler Armin Linke in Auftrag gegebenen fotografischen Essays bevorzugen zumeist das atmosphärische Stillleben, zeigen kaum analytische Schärfe. Und ein Interview im Katalog mit JKMM Architekten, die in das von Aalto entworfene Stadtzentrum von Seinäjoki einen Bibliotheksneubau als Ergänzung der überlasteten Bücherei Aaltos implantierten, beschränkt sich auf die Erkenntnis, dass Aaltos Städtebau die Qualität der Collage, seine Architektur indes bereits das Amalgam der modernen Fusion-Küche beherrschte. Wobei: Essen und bekanntermaßen auch Trinken war Alvar Aalto ja immerhin nicht abgeneigt.

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