From Sibiria und anderswo
Möbelmesse Mailand
Text: Kasiske, Michael, Berlin
From Sibiria und anderswo
Möbelmesse Mailand
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Floor Lamp von aust & amelung
Die Stehleuchte, die ihre Gattung als Namen trägt, zeugt von der Lust, nur die notwendigen Bestandteile zu gestalten. Dabei ergänzen sich Miriam Aust und Sebastian Amelung, die gemeinsam in Kassel ein Designstudio führen, durch ihre unterschiedlichen Interessen: Aust betrachtet die Dinge des Alltags im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen, Amelung betreibt konstruktive Forschung. Bekannt wurden sie 2012 mit zerknautscht wirkenden Leuchten „like paper“ aus Beton.
Floor Lamp besteht aus einem Galgen aus Vierkanthölzern, der in einem dünnen Gestell aus Rundrohr gelenkig befestigt ist. Nach dem Prinzip einer Balkenwaage wird der auskragende Arm mit der Leuchte am oberen Ende von einem Sandsack im Gleichgewicht gehalten. Der kann, mit Stahlstiften an vier Positionen eingehängt, die Lichtquelle zwischen hoch und niedrig arretieren. Das sichtbare Stromkabel lässt an ein Spannseil denken und wird so vermeintlich Teil der Konstruktion.
Die reduziert-spielerische und dennoch elegante Erscheinung ist der Grund, warum das auf dem letzten Salone Satellite vorgestellte Objekt nun von der römischen Firma Covo vertrieben wird. Ihre Kollektion „NOT common things“ enthält Kleinmöbel, die als Solitäre spannende Blickfänger sind.
„Sibirjak“ und „Taburet“ von Anastasiya
Koshcheeva
Koshcheeva
Über den im Oktober stattfindenden Saloni Worldwide Moscow, eine Exportmesse der Mailänder Veranstalter, kommt vermehrt russisches Design auf die Nachwuchsplattform Salone Satellite. Dort wurden 2014 Kartonlampen aus Jekaterinburg (Bauwelt 21.2014) vorgestellt, in diesem Jahr zieht russische Birkenrinde die Aufmerksamkeit auf sich. Nach dem Ursprung nennt Anas-tasiya Koshcheeva ihre Kollektion „From Sibiria“.
Die kraftvollen Eigenschaften dieses, in hiesigen Breitengraden ungewöhnlichen Materials zeigen der Sessel mit Ottomane namens „Sibirjak“. Deren schwarz lackierte Rundrohrgestelle stehen jeweils auf zwei Füßen und einer ausgestellten Kufe, die für eine gute Stabilität sorgt. Für Lehne und Sitze werden breite, mit orangenem Faden vernähte Birkenrinden durch Kunststoffseile gleicher Farbe auf die Gestelle gespannt. Bei dem grün lackierten Hocker „Taburet“ werden schmale Birkenrindenstreifen miteinander verflochten und vernäht. So ergeben sich je nach Perspektive verschiedene, an Op-Art erinnernde Erscheinungsbilder.
Die aus der Industriestadt Krasnojarsk stammende Designerin, die seit zehn Jahren auch in Deutschland lebt, betont die nicht erwartbaren Eigenschaften der Birkenrinde: wasserabweisend, antibakteriell, atmungsaktiv und dauerhaft; nicht von ungefähr galt sie in Sibirien als „Leder des armen Mannes“. Da das Material nach wie vor in Sibirien gewonnen und verarbeitet wird, gibt Koshcheeva dem traditionsreichen Handwerk ihrer Heimat eine Zukunft jenseits jeder Folklore.
Alfi Stuhl von Jasper Morrison
Der Alfi-Stuhl sieht aus, als sei er schon immer dagewesen – zumindest seit den 60er Jahren, als die ersten Kunststoffmöbel gegossen wurden. Jasper Morrison würde das begrüßen, denn in seinen Augen ist ein Entwurf dann gelungen, wenn er selbsterklärend und selbstverständlich daher kommt. Ähnlich versteht sich auch die amerikanische Firma Emeco, die jahrzehntelang für die US-Armee den so genannten „Navy-Chair“ aus Aluminium herstellte und erst mit dem Generationswechsel 1998 die Zusammenarbeit mit aktuellen Gestaltern begann.
Der Alfi ist es ein Produkt der Gegenwart: Für die Sitzschalen werden zu hundert Prozent re-cycelte Industrieabfälle verwendet, die Gestelle sind von amischen Tischlern aus heimischer Esche hergestellt, die beiden Elemente werden durch ein Gusseisenstück verbunden. Überraschend ist die pragmatische Beziehung von Industrie und Handwerk, denn den Stühlen ist nicht anzusehen, dass unter dem Kunststoffsitz eine aufwendige Holzverbindung liegt. Mit den zurückhaltenden Farben scheint der Stuhl, den es als Mehrsitzer oder – in abgewandelter Form – auch als Barhocker gibt, geeignet für öffentliche Bereiche, deren Mobiliar länger als die übliche Abschreibung durchhalten muss. Die Öffnung an der Lehne dient als Griff zum Tragen, Vorbild
für Morrison waren denn auch die geflochtenen Korbstühle der Pariser Brasserien.
für Morrison waren denn auch die geflochtenen Korbstühle der Pariser Brasserien.
Plug in Baby Stiefelknecht von Daniel Wehrli
Der „Stiefelknecht“ erinnert an den Bediensteten, der seinem Herrn das Schuhwerk von den Füßen ziehen musste. Heute gilt der Name gewöhnlich einem an der Stirnseite ausgesägten flachen Holzbrett mit aufgenagelter Leiste, mit dem man sich selbst behilft. Daniel Wehrli wollte dem praktischen aber unansehnlichen Stück eine Gestalt geben, die nicht verlegen im Schuhschrank versteckt werden muss. Aus gebogenem Sperrholz entwarf der junge Schweizer Designer sein „Plug in Baby“ und gab dem gewohnten Utensil eine ungewohnt ästhetische, dennoch einfache Form. Darin mögen die praktischen Erfahrungen, die der Absolvent während des Studiums in japanischen Tischlereien sammelte, wiederzuerkennen sein.
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