Bauwelt

Jürgen Joedicke

1925–2015

Text: Philipp, Klaus Jan, Stuttgart

Jürgen Joedicke

1925–2015

Text: Philipp, Klaus Jan, Stuttgart

Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag verstarb in Stuttgart der bedeutende Theoretiker, Architekt und Historiker der modernen Architektur Jürgen Joedicke. Mit seiner 1958 erschienenen „Geschichte der modernen Architektur“ schuf er das Grundlagenwerk zur modernen westlichen Architektur. Generationen von Architekten vermittelte er ein Bild einer Entwicklungsgeschichte der modernen Architektur als Synthese aus Form, Funktion und Konstruktion. Ausgebildet in Weimar und seit 1951 Assistent des ebenfalls aus Weimar nach Stuttgart gekommenen Tragwerksplaners Curt Siegel lag ihm von Beginn seiner Hochschultätigkeit an die Verschränkung von Theorie und Praxis am Herzen. Gelegenheit dazu hatte er bei den Olympiabauten in München 1972 und vor allem an dem von ihm 1967 an der Universität Stuttgart gegründeten Institut für Grundlagen der modernen Architektur. Dieses Institut, das IGMA, wurde unter ihm bis zu seiner Emeritierung 1993 zum Ort der Auseinandersetzung mit der aktuellen Architektur, die er mit seiner Schriftenreihe „Dokumente der modernen Architektur“ begleitete und formte. Hier schrieb er selbst über seinen Lieblingsarchitekten Hugo Häring und ließ Rayner Banham, Candilis/Josic/Woods, van den Broek und Bakema sowie Julius Posener zu Wort kommen. Auch seine anderen Arbeiten zur Geschichte der modernen Architektur waren Pionierarbeiten. 1968, pünktlich zur ersten westdeutschen Bauhaus-Ausstellung in Stuttgart, legte er eine erste Dokumentation der Weißenhofsiedlung in Stuttgart vor. 1982 versammelte er die Stars der Postmoderne zu einem internationalen Kolloquium „Architektur der Zukunft, Zukunft der Architektur“. Zwischen diesen Daten beschäftigte er sich mit Planungs- und Entwurfsmethodik und war auch hier einer der ersten, die sich der Frage nach der Wissenschaftlichkeit des archi-tektonischen Entwurfs stellte. Zugleich war er Historiograph seiner Fakultät, deren Protagonisten er Gerechtigkeit widerfahren ließ; sowohl den historistischen Architekten des 19. Jahrhunderts, als auch den antimodernen Architekten der „Stuttgarter Schule“, Paul Bonatz und Paul Schmitthenner. Gerade an diesem Beispiel beweist sich sei-ne Toleranz gegenüber Andersdenkenden, seine Humanität, für die er lebte, die er in Architektur ausgedrückt sehen wollte und die er an seine Schüler weitergab.

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