1747 bis morgen
„St. Hedwig im Wandel“ heißt eine Ausstellung zur Baugeschichte der Berliner Kathedrale. Die Kirchenverwaltung hat zu dem historischen Material unkommentiert die Wettbewerbsentwürfe des geplanten Umbaus gehängt. So drängt sich der Eindruck auf, dass die Präsentation die umstrittenen Umgestaltungspläne für den Innenraum der Kirche quasi durch die Hintertür legitimieren soll – indem man sie in eine lange Reihe früherer Veränderungen stellt
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
1747 bis morgen
„St. Hedwig im Wandel“ heißt eine Ausstellung zur Baugeschichte der Berliner Kathedrale. Die Kirchenverwaltung hat zu dem historischen Material unkommentiert die Wettbewerbsentwürfe des geplanten Umbaus gehängt. So drängt sich der Eindruck auf, dass die Präsentation die umstrittenen Umgestaltungspläne für den Innenraum der Kirche quasi durch die Hintertür legitimieren soll – indem man sie in eine lange Reihe früherer Veränderungen stellt
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Seit der Wende hat sich die Rolle der Berliner St.Hedwigs-Kathedrale im öffentlichen Leben ebenso gewandelt wie das Selbstverständnis des Führungspersonals der Gemeinde. In den DDR-Jahren verstanden sich die meisten ostdeutsche Katholiken als selbstbewusste religiöse Minderheit, die sich durch ein reges, fast schon familiäres Gemeindeleben in der „Diaspora“ des Sozialismus bewährt. Einen öffentlichkeitswirksam zelebrierten „politischen Katholizismus“ gab es nicht. Das ist heute anders: Ob beim Dankgottesdienst für den scheidenden Papst Benedikt XVI. oder bei der Trauermesse für den kürz-lich verstorben Politiker Philipp Mißfelder – die Kirchen- und Politprominenz trifft sich in der St.Hedwigs-Kathedrale.
Die heterogene Ausstellung „St.Hedwig im Wandel“, die derzeit im benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Haus zu sehen ist, zeigt Pläne der Preisträger des Architekturwettbewerbs zum geplanten Umbau (Bauwelt 19.2014 und 27.2014), die Fotoserie „St. Hedwig – 24 Stunden“ der Künstlerin Diana Obinja, die den wechselnden Lichteinfall durch das Oberlicht der Kuppel dokumentiert und die vom Kunsthistoriker Konstantin Manthey zusammengetragene, titelgebende Bilderschau. Anhand von rund zwei Dutzend Entwurfszeichnungen und historischen Fotos stellt er die bauliche Entwicklung vor. Trotz der nur spärlichen Erläuterungstexte gelingt es Manthey, mit bislang zum Teil unbekannten Skizzen, Vorstudien und Baustellenfotos die verschiedenen Entwurfskonzepte des 20. Jahrhunderts zu vermitteln. Im gegenwärtigen Zustand der Kathedrale, deren Kubatur und Fassadenstruktur aus der Zeit Friedrichs des Großen stammt, überlagern sich diese Konzepte: die Kuppel aus Betonfertigteilen und der Innenraum von Hans Schwippert, der in den 70er Jahren überformt wurde.
Die heterogene Ausstellung „St.Hedwig im Wandel“, die derzeit im benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Haus zu sehen ist, zeigt Pläne der Preisträger des Architekturwettbewerbs zum geplanten Umbau (Bauwelt 19.2014 und 27.2014), die Fotoserie „St. Hedwig – 24 Stunden“ der Künstlerin Diana Obinja, die den wechselnden Lichteinfall durch das Oberlicht der Kuppel dokumentiert und die vom Kunsthistoriker Konstantin Manthey zusammengetragene, titelgebende Bilderschau. Anhand von rund zwei Dutzend Entwurfszeichnungen und historischen Fotos stellt er die bauliche Entwicklung vor. Trotz der nur spärlichen Erläuterungstexte gelingt es Manthey, mit bislang zum Teil unbekannten Skizzen, Vorstudien und Baustellenfotos die verschiedenen Entwurfskonzepte des 20. Jahrhunderts zu vermitteln. Im gegenwärtigen Zustand der Kathedrale, deren Kubatur und Fassadenstruktur aus der Zeit Friedrichs des Großen stammt, überlagern sich diese Konzepte: die Kuppel aus Betonfertigteilen und der Innenraum von Hans Schwippert, der in den 70er Jahren überformt wurde.
Nachdem St. Hedwig 1930 in den Rang einer Kathedrale erhoben worden war, gestaltete Clemens Holzmeister sie bis 1932 als Bischofskirche um. 1943 brannte der hölzerne Dachstuhl ab, das große Kreuz stürzte bis in die Krypta hinunter. Die nur noch aus Umfassungsmauern und Portal bestehende Ruine inspirierte später sowohl Holzmeister als auch Schwippert zu Entwürfen für eine Öffnung der Decke zwischen Ober- und Unterkirche.
In den frühen 50er Jahren wurde die benachbarte Staatsoper rekonstruiert. In der Oper fand die Gründungsveranstaltung der Bauakademie der DDR fand statt; sie leitete neben dem Bau der Stalinallee auch die Wiederherstellung des Quartiers rund um die Straße Unter den Linden ein. In diesem Zusammenhang erhielt die Kirchenruine 1952/53 eine neue, aus 84 gekrümmten Betonfertigteil-Elementen bestehende Kuppel. Die Baustellenfotos in der Ausstellung zeigen neben der technischen Meisterleistung der Konstruktion auch, dass ursprünglich der Wiederaufbau der Laterne geplant war.
Verschiedene Skizzen dokumentieren Hans Schwipperts jahrelange Versuche, durch einen sensiblen Umgang mit der Substanz und eine grundlegende Veränderung der Aufstellung der Prinzipalstücke einen neuen Zugang zur Gestaltung des Raums zu finden. Erst 1958 entschied sich das Domkapitel für Schwipperts Konzept eines zweigeschossigen, Ober- und Unterkirche umfassenden Kirchenraums. Ein Doppelaltar vereint seither Hoch- und Sakramentsaltar. Eine vertikale Achse verbindet die Krypta mit der Kuppel, die das Himmelsgewölbe symbolisiert. 1963 wurde der Kirchenraum eingeweiht. Bei der ersten Renovierung in den Jahren 1976 bis 1978 wurden die Kuppel innen neu verkleidet, die Farbigkeit der Wände verändert, die Leuchten ausgetauscht und die Kapellen in der Unterkirche modifiziert. Als neue Schallwände unter der Orgel aufgestellt wurden, schloss man die Hauptpforte; die Kirchenbänke, die Schwippert ursprünglich ringförmig aufgestellt hatte, stehen sich seither in geraden Reihen gegenüber.
Kardinal Woelki, kürzlich nach Köln versetzt, träumte während seiner Amtszeit als Berliner Erzbischof (2011–14) davon, aus dem Quartier um die Kirche ein neues, repräsentativeres Diözesan-Zentrum zu machen. Beim Architektenwettbewerb zur Neugestaltung von Innenraum und Umfeld der Kathedrale prämierte die Jury drei Entwürfe, die vorschlagen, die Schwippert’sche Bodenöffnung zu schließen. Denkmalschützer aus ganz Deutschland werfen dem Bistum vor, ein Baudenkmal zerstören zu wollen. Dass im Siegerentwurf auch der bei der Rekonstruktion des Bischöflichen Palais 1970–72 neu entstandene Teil des Bernhard-Lichtenberg-Hauses, in dem die Ausstellung präsentiert wird, zum Abriss vorgesehen ist, scheint bisher noch niemandem so recht aufgefallen zu sein. Auch da sollte man noch einmal genau hinschauen.
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