Bauwelt

Das urbane Gewissen

20. Berliner Gespräch des BDA

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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    Bodies in urban spaces – Performance von Willi Dorner in Margate, England
    Foto: © Willi Dorner

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    Bodies in urban spaces – Performance von Willi Dorner in Margate, England

    Foto: © Willi Dorner

Das urbane Gewissen

20. Berliner Gespräch des BDA

Text: Rumpf, Peter, Berlin

Nach der „Bodenfrage“ vor einem Jahr nun die „Ökonomisierung der Stadt“. Die Zeit ist reif für eine neue Diskussion der Beziehung von Wert, Profit und Gemeinwohl, so der BDA in seiner Einladung zur vorweihnachtlichen Diskussionsrunde im Berliner DAZ – wobei die Referenten wie üblich wenig Zeit ließen zum Diskutieren. Das
Foto auf der Einladung zeigt einen Haufen Krokodile über- und untereinander: Die Stadt? Die Investoren? Gar die Behörden? Bedrohender kann man die Szenarien, von denen Heiner Farwick, Präsident des BDA, in seiner Einleitung sprach, kaum illustrieren. Mit Begriffen wie Ökonomie und Moral, Gewissen und Verantwortung, Ort und Geld umriss Erwien Wachter, Architekt aus Seebruch, den Einstieg in das aktuelle Dilemma, in das sich unsere Städte bzw. deren Verwaltungen zunehmend verstricken. Die einen verscherbeln ihr Tafelsilber, um die leeren Kassen – kurzfristig – zu füllen. Andere fangen an, sich auf Zeiten zu besinnen, in denen bezahlbarer Wohnraum kommunales Anliegen war. Davon wusste zum Beispiel Kurt Stürzenbecher zu berichten. Er ist Wiener, Landesvorstand der SPÖ und für Wohnbau und Stadterneuerung zuständig. Verglichen mit unseren Verhältnissen war und ist die 1,8 Mio. Metropole Vorbild. 50 Prozent der Wohnungen sind in kommunaler Hand, der bekannte Karl-Marx-Hof steht für diese soziale Verantwortung. „Die BRD insgesamt gibt für die Wohnbau-För-
derung nur wenig mehr aus als meine Stadt für ihr ‚Wiener Modell‘“ (Kurt Stürzenbecher).
Dass in unserer BRD nicht alles schlecht ist, dafür stehen drei Beispiele, vorgeführt von den verantwortlichen Architektinnen Frauke Burgdorff mit der „Nachbarschaft Samtweberei“ in Krefeld, Verena Schmidt für das „Kreativquartier“ auf dem ehemaligen Gelände der Luitpold-Kaserne im Münchner Nord-Westen und Katrin Witzel für ein kooperatives Verfahren in der neuen Parkstadt Süd in Köln (Bauwelt 47.15) . Bei unterschiedlichen Größen geht es dennoch um ähnliche Ziele: um partizipatorische Verfahren, Durchmischung, frühzeitige Einbeziehung aller Betrof-fenen, Kontrolle möglicher Investoren und darum, sich bei den einzelnen Schritten genügend Zeit zu lassen. Was aber das Entscheidende ist: Die Stadt als Eigentümer der Grundstücke behält diese während der Planung und zum Teil auch später, statt sie, wie es andernorts verlangt wird, an den Meistbietenden zu verkaufen und damit den Einfluss auf die weitere Entwicklung aus der Hand zu geben.
Natürlich darf beim Blick auf die Stadt der Kampf gegen den zunehmenden Autoverkehr nicht fehlen. Über den berichtete Jan Gehl aus Kopenhagen, wo man auch dank seines jahrelangen Engagements mit Parkverboten, Radwegen, Begrünung und „kommunikativem Straßenleben“ weiter ist als bei uns. Für den theoretischen Überbau zur Stadt als solcher war die Philosophin Florentina Hausknotz von der TU Wien eingeladen worden, wobei ihre Begriffswelt, in der Hannah Ahrendt und Michel Foucault nicht fehlen durften, mit der der Architekten im Auditorium nur stellenweise zur Deckung kam. Und für den künstlerischen Ausflug in den öffentlichen Raum war der Wiener (!) Choreograph Willi Dorner verantwortlich. Seine zwei Hände voll Tänzer, bunt verkleidet und anonymisiert, knuddelten sich, zur Überraschung zufälliger Passanten, spontan als erstarrte Haufen in Eingängen, Durchfahrten, Ecken oder Fensternischen zu „bodies in urban spaces“.
Dieses Berliner Gespräch hat wie schon das letzte nach allzu orchideenhaften Themen früherer Jahre zur realpolitischen Problemen für Architekten und Stadtplaner zurückgefunden. Und das ist gut so, für den BDA und die zunehmend jüngeren Zuhörer, die der Saal im DAZ kaum fassen konnte. Geht doch!

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