Architekturutopie Reloaded
Haus-Rucker-Co-Ausstellung im Berliner Haus am Waldsee
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Architekturutopie Reloaded
Haus-Rucker-Co-Ausstellung im Berliner Haus am Waldsee
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Die bunt bemalten Ballons sind nur mit Luft gefüllt. Trotzdem binden sie mehr konzeptionelle Substanz als die letzten Ausstellungen des Hauses am Waldsee zur Gestaltung der Umwelt: von Werner Aisslinger (Bauwelt 20.2013) oder Graft (Bauwelt 4.2012). „Architekturutopie Reloaded“ zeigt Arbeiten von Haus-Rucker-Co, die vorarchitektonisch und temporär waren und einen Blick in die Zukunft, von raumerweiternd über beschützend bis aneignend, warfen.
Der österreichischen Gruppe – 1967 von den Architekten Laurids Ortner, Günter Zamp Kelp und dem Bildhauer Klaus Pinter gegründet, später stießen noch Manfred Ortner und Carol Michels hinzu – scheint es primär um die Lust am Machen und Ausreizen des Möglichen gegangen zu sein. Wie anders sind diese Ballons oder „Mind-Expander“ genannten Objekte zu verstehen, in denen man seine eigene Welt in gefärbten oder bemalten Hüllen behaupten konnte. Für den Luftdruck in den Pneus sorgen Maschinen. Naheliegend, dass die Abhängigkeit von der Technik und die damit verbundenen Belastungen der Umwelt Haus-Rucker-Co ein damals noch unbekanntes Bewusstsein für die Verschmutzung des Lebensraums entwickeln ließ. Sie entwerfen „synthetische Reservate“ – in zahllosen poppigen Collagen, die wuchernden „Rooftops“ über den Dächern New Yorks, aber auch die „Klima 2 Atemzone“ (in der Ausstellung zu sehen), in der die Besucher mit ihren Köpfen in eine andere Luftschicht eindringen. Das Objekt war 1971 Teil der spektakulären Aktion „Cover – Leben in verschmutzter Umwelt“. Damals verschwand auch das Krefelder Museum Haus Lange unter einer Traglufthalle, um Mies’ Inkunabel schädlichen Einflüssen zu entziehen.
Bei einer negativen Utopie mochte es der inzwischen in Düsseldorf ansässige Teil der Gruppe, die Brüder Ortner und Zamp Kelp, nicht bewenden lassen. Stattdessen bauten sie subversiv auf die Bereitschaft der Menschen, ihren gewöhnlichen Alltag zu verlassen. Das funktionierte 1970 gut mit dem „Giant Billard“, einem ein Me-ter dicken und 15 Meter im Quadrat messenden Luftkissen, auf das sich die New Yorker fallen lassen konnten, weniger gut ein Jahr später bei der „Gehschule“ in Wien, die nach zehn Tagen wegen Vandalismus abgeräumt werden musste. Sichere Aktionen waren die Verkostung von Süßem, wie der Riesentorte in Form des Central Parks anlässlich von dessen 100. Jubiläum 1972. 1977 endete für Haus-Rucker-Co die Phase der Bauten ohne praktische Funktion.
Die Objekte, Modelle und Zeichnungen vermitteln die Freude am sinnlichen Unsinn. Haus-Rucker-Co, mit den Idealen der Moderne sozialisiert, hielt deren Nachfahren den Spiegel vor. Die Architekten und Künstler der Gegenwart, die die Schau in Beziehung dazu setzt, sind hingegen Kinder der Postmoderne. Was das bedeutet, soll am 14. Februar ein Symposium klären, bei dem u.a. Tomás Saraceno und raumlabor über Haus-Rucker-Co und über partizipatorische Ansätze in der Gegenwart diskutieren.
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