Bauwelt

Gestalten mit gestalteten Materialien

An der HfG Offenbach werden neue Werkstoffe erforscht – erst dann wird gebaut

Text: Holzbach, Markus, Offenbach

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    Unterschiedliche Lichtzustände zitieren die Aggregatwechsel der Speichermaterialien
    Foto: Gabriela Metzger ILEK, Universität Stuttgart

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    Unterschiedliche Lichtzustände zitieren die Aggregatwechsel der Speichermaterialien

    Foto: Gabriela Metzger ILEK, Universität Stuttgart

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    Foto: Emily Wabitsch

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    Foto: Florian Hundt, IMD

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    Der Pavillon auf der Bundesgartenschau
    Foto: Markus Holzbach

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    Foto: Markus Holzbach

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    Ceramicwood
    Foto: IMD (unten)

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    Ceramicwood

    Foto: IMD (unten)

Gestalten mit gestalteten Materialien

An der HfG Offenbach werden neue Werkstoffe erforscht – erst dann wird gebaut

Text: Holzbach, Markus, Offenbach

Mit Frei Ottos Arbeiten begann Mitte des 20. Jahrhunderts eine neue Ära des textilen Bauens. Sein Ansatz, in interdisziplinären Prozessen zu denken und Konstruktion, Material und Gestaltung als Einheit zu sehen, ist in unserer digitalisierten Welt ein Vorbild für viele Bereiche. Durch die Digitalisierung ist es möglich, vielfältige, meist heterogene Prozesse zu bündeln. Darüber hinaus gewinnen das Prinzip Leichtbau und die damit verbundene Minimalisierung von Material- und Energieaufwand angesichts schwindender Ressourcen immer mehr an Bedeutung.
Gestaltung lässt sich heute als eine Querschnittsdisziplin verstehen, die an viele Bereiche, wie etwa Natur-, Material- oder Ingenieurwissenschaften anschließt, die mit Gestaltung ursprünglich wenig zu tun hatten. Mit seinen grundlegenden Arbeiten über Natur, Technik und Formfindung, seinen kühnen Ideen und seiner Weitsicht war er der Zeit voraus: „Durch Beherrschung von Physik und Chemie der Luft können wir uns Einrichtungen vorstellen, mit deren Hilfe Räume ohne Materialaufwand erschaffen werden können. ... Aber es wird vielleicht auch einmal die Zeit kommen, in der wir nicht mehr allein auf die materiellen Konstruktionen angewiesen sind.“ Eine komplett immaterielle Architektur scheint auch aus heutiger Sicht noch in der Zukunft zu liegen, aber Frei Ottos progressive Gedanken haben dazu beigetragen, neue Wege zu gehen.
Am Institut für Materialdesign (IMD) der Hochschule für Gestaltung Offenbach arbeiten wir in einem experimentellen und interdisziplinären Dia-log an der analogen und digitalen Verschneidung von Gestaltung und Materialisierung. Otl Aicher spricht in seinem Aufsatz Greifen und Begreifen vom Erfassen und Begreifen der Dinge. Im Mittelpunkt unserer Forschung steht das Material, dessen Beschaffenheit, Möglichkeit und manchmal auch Unmöglichkeit. Aus dem materialgerechten Gestalten wird zunehmend ein Gestalten mit gestalteten Materialien. Sie werden zum Träger unterschiedlichster Informationen, die mit ihrer Umwelt in einen Dialog treten. Sie werden informativ, oder sogar intuitiv. An die Stelle der reinen Digitalisierung tritt eine verstärkte „Reanalogisierung“: Das Material selbst wird wieder stärker erfahrbar – bei gleichzeitiger digitaler Aufladung. Im Folgenden werden einige der maßstabsübergreifenden Arbeiten vorgestellt: Das Materialdesign reicht von Konzepten, die in die Chemie des Materials eingreifen über die gestalterische Objektebene bis hin zu Architektur- und Städtebaukonzepten.
Paul
Den Experimentalbau „Paul“ habe ich am ILEK entwickelt. Mit dem Pavillon wurden die Möglichkeiten adaptiver und konditionierender Eigenschaften im textilen Bauen erforscht. Der mehrlagige Textilaufbau mit unterschiedlichen Funktionsebenen setzt sich aus 60.000 Zellen zusammen, die mit hochisolierenden Keramiken und wärmespeichernden Phasenwechselmaterialien dotiert sind. Diese wachsartigen Phasenwechselmaterialien können Energie temperaturkonstant einspeichern, bis sich ihr Aggregatzustand von fest zu flüssig ändert. Dann steigt die Temperatur an. So lässt sich auch in leichten Konstruktionen Wärme speichern. Dieser Vorgang ist reversibel, die Wärme wird zeitverzögert abgegeben und das Material verfestigt sich wieder. Der Bau erlebt eine Metamorphose: Die Anpassung an die Umgebung bzw. der Aggregatwechsel der Speichermaterialien werden durch verschiedene Lichtzustände visualisiert.
Adaption und Interaktion: Transformative Paper
In digitale Modelle werden nicht nur Materialparameter aufgenommen, die Materialien erfahren selbst eine digitale Programmierung. Oberflächen lassen sich z.B. so digitalisieren, dass sie mit der Umgebung in Kontakt treten. So können neue Funktionen in diese integriert werden. Zusammen mit Florian Hundt haben wir am IMD „intelligente“ Papierstrukturen entwickelt, die auf Untersuchungen zu Anisotropie und zum Quellverhalten von Holz basieren. In Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit transformiert sich die Struktur in unterschiedliche, reversible Zustände und strahlt dabei Licht ab.
Experiment Engelstrompete
Auf der Luminale 2012 präsentierten wir im Frankfurter Palmengarten die „Engelstrompete“. Die filigrane Tragstruktur aus jungen Grünhölzern, die auf Biegung beansprucht werden, wurde zu Bündeln verdrillt. Die „Blattrippen“ bilden gemeinsam mit der Hüllstruktur einen transluzenten Raum. Die sich im Wind bewegende Aluminiummembran diente zusätzlich als Projektionsfläche.
Eine Klanginstallation des Elektromusikers Dominik Eulberg nahm Geräusche der unmittelbaren Umgebung auf und spielte sie verfremdet wieder ab. Eine auf die Klangsituation ab-gestimmte Videoprojektion interagiert, über wechselnde Farb- und Formverläufe mit den sich im Wind wiegenden, metallisch schimmernden Blütenständen.
Material- und Eigenschaftssubstitution: Projekt Ceramicwood
Durch die Verknüpfung von Materialisierung und Digitalisierung wird das tradierte Denkmuster eines „materialauthentischen Entwerfens“ überwunden. Die neuen Materialien haben mit ihren ursprünglich inhärenten Eigenschaften kaum noch etwas zu tun.
Über Generationen entstandene, evolutionäre Holzstrukturen haben wir über ein thermisches Verfahren in biomorphes Siliziumcarbid (SiC) umgewandelt – sprich, wir haben Holz zweifach gebrannt. Die Untersuchung der so entstandenen biomorphen SiC-Keramik am Rasterelektronenmikroskop zeigte eine Keramik mit völlig intakter, anisotroper Holzstruktur, d.h. es ist eine Holzstruktur mit höherer Festigkeit entstanden. Die Überlagerung der keramischen Eigenschaften mit den strukturellen Gegebenheiten der anisotropen Holzstruktur eröffnet neue funktionale Möglichkeiten.
Prinzip Leichtbau: Echolot-Pavillon auf der Bundesgartenschau
Der Echolot-Pavillon leitet sich aus einer digital entwickelten, doppellagigen Hänge-Stützform ab. Das aus mehr als 6000 Douglasiestäben bestehende, geschraubte Holzstabwerk entstand während meiner Zeit als Gastprofessor an der Hochschule Koblenz und war auf der dortigen Bundesgartenschau 2011 zu sehen. Analog zu diesem Pavillon und den Hängemodellen am IL entwarfen wir am IMD mit Benjamin Würkner eine parametrisch programmierbare Maschine, die Glasfasern im Raum organisiert. Auf der Suche nach einer optimierten Form wird durch selbstbildende Prozesse mit den Parametern Gravitation und Magnetismus ein Netz aus Kettenlinien entwickelt. Anschließend wird die entstandene Hängeform durch ein leichtes Faser-Matrix-Komposit materialisiert und gespiegelt. Der Aufbau dient der Entwicklung neuer Struktur- und Hüllkonstruktionen im Designbereich.
Fakten
Architekten Frei Otto (1925-2015)
aus Bauwelt 20.2015
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