Bauwelt

Subtile Spiegel der Architektur

Modelle von Außenprojekten der Künstlerin Isa Genzken in der Bundeskunsthalle

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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    „Macy’s Parade“ in Münster
    Fotos: Lothar Schnepf/Galerie Buchholz © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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    „Macy’s Parade“ in Münster

    Fotos: Lothar Schnepf/Galerie Buchholz © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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    „Fenster, Venloer Straße 21“ in Köln blieb unrealisiert, weil O.M. Ungers Einspruch erhob.
    Fotos: Lothar Schnepf/Galerie Buchholz © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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    „Fenster, Venloer Straße 21“ in Köln blieb unrealisiert, weil O.M. Ungers Einspruch erhob.

    Fotos: Lothar Schnepf/Galerie Buchholz © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Subtile Spiegel der Architektur

Modelle von Außenprojekten der Künstlerin Isa Genzken in der Bundeskunsthalle

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Modelle, 35 an der Zahl, zeigt die Bonner Bundeskunsthalle derzeit in einem einzigen großen Saal. Auf den einheitlichen weißen Sockeln wirkt der Aufbau der ebenfalls weißen Hausminiaturen uniform und kontrolliert. Hochhäuser, Galerien, ein Rathaus, eine Stadthalle, Museen, Villen, Galerien, städtische Plätze – sie sind das Material, das die Künstlerin Isa Genzken (Jahrgang 1948) für ihre Außenprojekte vorgefunden hat. Orte mit einer Geschichte, mit Renommee bilden den Rahmen für ihre Arbeiten, der nicht unbedingt schön sein muss, der aber Stoff bereit hält für Reflexionen und Kommentare. Ihre Reflexionen und Kommentare bringt Isa Genzken als überdimensionale Antennen auf einem Dach an, sie spannt sie als Wäscheleine über die Kluft zwischen zwei Hochhäuser, legt sie in Form von Sonnenschirmen auf einen Platz  oder streckt sie dem Besucher als Ohr entgegen.
23 der in Bundeskunsthalle gezeigten Modelle waren im letzten Jahr bereits in der zentralen Ausstellung „All the World’s Futures“ auf der Biennale in Venedig zu sehen. Es handelt sich dabei nicht um die Arbeitsmodelle für Genzkens Außenprojekte, sondern um eigens für die Ausstellung von einem Modellbauer einheitlich, fast schon neutral gefertigte Stücke, deren Maßstab je nach Objekt von 1:50 bis 1:250 reicht. Die Bonner Ausstellung, die wie eine kleine Retrospektive der Skulpturen anmutet, liefert darüber hinaus Hintergrundinformationen zu den einzelnen – realisierten und nicht realisierten – Projekten, Fotografien, Zeichnungen, Kataloge, Archivalien.
Isa Genzkens Außenprojekte entstanden immer aus einem konkreten Bezug zu der sie umgebenden Architektur, zu vorliegenden Formen, als Spiegelung oder Ergänzung des Ortes oder als liebevoller, bisweilen auch humorvoller Kommentar.  Ihre künstlerischen Werkzeuge sind die Perspektive, der Maßstab und die Position, ihre Materialien neben Stahl und Beton auch Bilder und Artefakte. Als Modelle einer urbanen Realität sind ihre Interventionen rein formal betrachtet Reflexionen über räumliche Kontexte, die jedoch immer auch einen feinen politisch oder gesellschaftlich gefärbten Subtext enthalten.
Mahnmal für den Ernst der Architektur
Eines der ältesten Projekte, das in der Ausstellung gezeigt wird, ist „Fenster, Venloer Straße 21“ aus dem Jahr 1988. Isa Genzken parodierte hier das von O.M. Ungers entworfene Kölner Galeriehaus indem sie vorschlug, eines der beiden quadratischen Fenster der dritten Etage auszutauschen. Sie ließ ein Fenster in gleicher Größe wie das Original bauen, verzichtete jedoch auf die Sprossen, mit denen Ungers die Scheibe in neun Quadrate geteilt hatte. Montiert wurde das Fenster nie, der Architekt unterband dies. Kunst oder Spaß mit seinem Bauwerk, das konnte er nicht zulassen. So wurde das Fenster, das es ja nun schon gab, in der Galerie an die Wand gelehnt, als hätte man es dort vergessen – ein Mahnmal für den Ernst der Architektur.
Der Architektur den Spiegel vorhalten: Was sich als künstlerisches Programm reichlich platt anhört, war für Isa Genzken die Idee zu dem Projekt „Spiegel“, mit dem sie den Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung der Stadthalle Bielefeld gewann. Das Projekt wurde 1992 realisiert. Die 30 Meter hohe Stahlskulptur, die wie ein überdimensionaler Rasierspiegel (jedoch ohne Spiegel) vor der Stadthalle aufgebaut wurde, überragt ihr Gegenüber sogar noch, macht es klein, fordert kritische Selbstbetrachtung. Noch so ein Affront gegen die Architekten, gmp in diesem Fall, die auch prompt den Abbau verlangten. Doch der kritische „Spiegel“ steht bis heute
Nicht realisiert wurde hingegen „Wäscheleine für Frankfurt“, ein 70 Meter langes Stahlseil mit einem 4 x 8 Meter großen Kleidungsstück aus Epoxidharz, das Isa Genzken 1991 zwischen dem Commerzbank Tower und dem Hochhaus der Hessischen Landesbank spannen wollte, um die Dichte der Hochhäuser in der Frankfurter Innenstadt zu thematisieren. Die Wäscheleine war nicht als Angriff auf die kapitalen Bauten geplant, sondern als eine hinzugefügte, humorvolle Betrachtungsebene ihrer Ansicht in der Skyline.
Geschichten erzählen, Haltung fordern
Mit ihrem Projekt „OIL“ hat Isa Genzken Deutschland 2007 auf der Biennale in Venedig vertreten. Sie rüstete den Deutschen Pavillon ein und umhüllte ihn mit einem orangefarbenen Plastiknetz. Nur schemenhaft war er noch zu erkennen der umstrittene Bau, den sie nicht nur verhüllte, sondern mit kontext- und stilfremden Repliken von Rundbildern der französischen Renaissance schmückte. Sie zeichnete ein Deutschlandbild als Baustelle, kündigte Großes an, das letztlich doch nur Dekoration war.
In über vierzig Jahren hat Isa Genzken viele ihrer Kommentare im öffentlichen Raum platziert. Sie erzählen Geschichten und fordern Haltung. Das jüngste der in Bonn gezeigten Projekt ist „Macy’s Parade“; die solle, so plant es die Künstlerin, einmal nicht nur wie üblich in New York, sondern auch in Münster stattfinden. Allein die Vorstellung, wie die riesigen Ballonfiguren der Parade in den engen Gassen des historischen Stadtkerns steckenbleiben, ist großartig.
Fakten
Architekten Genzken, Isa, Berlin
aus Bauwelt 7.2016
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