Luxemburg: Down to Earth
Wem gehört der Weltraum? Die Kuratorinnen finden: Ein Um-denken des Verständnisses von Eigentum, Land und Rohstoffen ist dringend nötig. Die Grenzen „unseres“ Planeten sind wortwörtlich überschritten.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Luxemburg: Down to Earth
Wem gehört der Weltraum? Die Kuratorinnen finden: Ein Um-denken des Verständnisses von Eigentum, Land und Rohstoffen ist dringend nötig. Die Grenzen „unseres“ Planeten sind wortwörtlich überschritten.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Die Welt ist nicht genug – haben wir Besitzrecht auf einen Himmelskörper, der in 384.400 Kilometern Entfernung im All um die Erde kreist? Spätestens seit den 1950er-Jahren erheben Nationen Anspruch auf den Weltraum, seit etwa einem Jahrzehnt speziell auf seine Rohstoffe. Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin 1969 als erste Menschen den Mond betraten, entschied sich der erste Wettlauf ins All zugunsten der USA.
Geht es um Territorialrecht im All, greift der Weltraumvertrag, der, recht vage formuliert, Staaten verbietet, Himmelskörper zu beanspruchen. Von Unternehmen ist nicht die Rede. So wollen sich neben den altbekannten Großmächten inzwischen auch weitere Länder durch Staatsunternehmen ein Stück vom Mond sichern – darunter auch Luxemburg.
Das Land ist einer der Hauptakteure Europas in der Weltraumforschung. Zusammen mit der Europäischen Raumfahrtagentur ESA unterstützt Luxemburg Firmen, die Space-Mining – Rohstoffabbau im All – möglich machen wollen.
„Diese Verlagerung des Bergbaus von der erschöpften Erde auf ihre ‚unsichtbaren‘ Kulissen – Himmelskörper, Planeten und schließlich den Mond selbst – erfordert ein dringliches Reflektieren darüber, wie sich diese Veränderung auf unsere Auffassung von Land, Ressourcen und Gemeingütern auswirken wird – sowohl auf dem Boden als auch darüber hinaus“, formulie-ren Francelle Cane und Marija Marić den Kerngedanken ihrer Ausstellung „Down To Earth“ für den luxemburgischen Pavillon.
Die Kuratorinnen möchten eine Debatte anstoßen: über die Folgen, das Weltall als wirtschaftlichen Raum mit nationalen Grenzen wahrzunehmen. Was bedeutet der erneute Wett-lauf der Nationen ums All, sowohl geopolitisch als auch ökologisch, wirtschaftlich und logistisch? Welche Rolle spielt die Baubranche in der durch die Ressourcenkrise ausgelösten Praktik des Space-Mining? Laut Cane und Marić wird dieses wirtschaftlich immer greifbarer. Die Erde ist ausgebeutet, das All unendlich – und verhältnismäßig unerforscht.
Das einzige Mittel für Mondforschung auf der Erde ist eine Attrappe: Das Mondlabor, von Institutionen und Privatunternehmen genutzt, um Mond-Bergbau zu erproben. Die Kuratorinnen werden für ihre Ausstellung den Mond ins Arsenale holen – ihn „down to earth“ nachbauen.
So ist der luxemburgische Biennale-Beitrag die Simulation einer Simulation. Das Publikum steigt in dem Moment in den Prozess ein, in dem Rohstoffe abgebaut werden würden. Dabei übermitteln drei Artefakte die Haltung der Architektinnen über die noch theoretische Rohstoffausbeutung des Mondes.
Zunächst „Cosmic Market“, ein Dokumentarfilm in Kollaboration mit dem Medienkünstler Armin Linke. Bereits in einem älteren Projekt nahm Linke sich des Tiefsee-Bergbaus an. Der Film wurde größtenteils in Luxemburg gedreht und beschäftigt sich vorwiegend mit nationalen Akteuren und ihren Bezügen zu Space-Mining.
„Material fictions“, wie Marija Marić sie nennt, bilden das zweite Ausstellungsartefakt: „How to: mind the moon“ ist explizit als Gegensatz zu „mine the moon“ zu verstehen. Die spekulative Materialbibliothek beinhaltet fünf Bauwerkstof-fe, die auf Mond wie Erde nachweisbar sind. Sie werden in Zusammenarbeit mit dem Canadian Centre for Architecture und dem Kurator Lev Bratishenko untersucht. Gemeinsam mit Jane Mah Hutton, Anastasia Kubrak, Amelyn Ng, Bethany Rigby und Fred Scharmen – alle in den Bereichen Material- oder Weltraumforschung tätig – bewertet das Kollektiv beispielhaft Umweltauswirkungen, kulturelle, politische und soziale Folgen, die sich aus dem Abbau im All ergeben könnten.
Francelle Cane und Marija Marić werfen auch die Frage auf, wie wir uns Orten widmen, die wir nicht besuchen können. In Mondlaboren wird nicht nur geforscht, sondern sie sind auch Medienstudios für Produktionen über menschliche Machenschaften auf dem Mond. Mit dieser Verflechtung von Medien und Weltraumforschung, Simulation und Wirklichkeit, beschäftigt sich schließlich die Publikation „Staging the Moon: Resource Extraction Beyond Earth“. Anhand von Fotografien von Armin Linke und dem Künstler Ronni Campana und Essays zum Thema fasst sie als letztes Artefakt die Forschungsergebnisse und Positionen der Kuratorinnen zusammen.
Die Auswirkung von Rohstoffausbeutung auf dem Mond ist unvorhersehbar. Sicher ist nur, dass sie den Erdtrabanten ähnlich verwüsten würde, wie es die Rohstoffgewinnung schon auf der Erde tut.
Francelle Cane
diplomierte an der Hochschule Versailles und TU Berlin in Architektur und arbeitet als Kuratorin und Szenografin. Sie ist Doktorandin an der Universität Luxemburg (After the Ruin. On Property and Territorial Negotiation).
Marija Marić
promovierte in Architektur an der ETH Zürich und absolvierte unter anderem einen Master im Bereich New Art Media. Derzeit ist sie assoziierte Forscherin der Geographie und Raumplanung an der Universität Luxemburg.
diplomierte an der Hochschule Versailles und TU Berlin in Architektur und arbeitet als Kuratorin und Szenografin. Sie ist Doktorandin an der Universität Luxemburg (After the Ruin. On Property and Territorial Negotiation).
Marija Marić
promovierte in Architektur an der ETH Zürich und absolvierte unter anderem einen Master im Bereich New Art Media. Derzeit ist sie assoziierte Forscherin der Geographie und Raumplanung an der Universität Luxemburg.
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