Bauwelt

Absehbares Ende

Das Architekturforum Aedes in Berlin widmete dem neuen ­Stuttgarter Hauptbahnhof vor 25 Jahren eine erste ­Ausstellung. Jetzt präsentiert es eine eindrückliche 360°-Foto­installation.

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

Absehbares Ende

Das Architekturforum Aedes in Berlin widmete dem neuen ­Stuttgarter Hauptbahnhof vor 25 Jahren eine erste ­Ausstellung. Jetzt präsentiert es eine eindrückliche 360°-Foto­installation.

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

Nach derzeitigem Stand soll der neue Stuttgarter Tiefbahnhof Ende 2025 in Betrieb gehen. Dann wird der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven fast drei Jahrzehnte lang an diesem so genannten Jahrhundertprojekt gearbeitet haben. Den Wettbewerb für den unterirdischen Durchgangsbahnhof unter Paul Bonatz’ und Friedrich Eugen Scholers Kopfbahnhof (1914–1928) als Kernprojekt des ambitionierten Modernisierungsvorhabens „Stuttgart 21“ der Deutschen Bahn gewann Ingenhoven bereits 1997. Der viel spätere Baubeginn (Februar 2010) liegt immerhin auch schon 14 Jahre zurück, doch nun ist endlich das Ende absehbar: Das nach langen Querelen um die Finanzierung und die konkrete Durchführung der Gesamtmaßnahme inklusive Abrisses der Seitenflügel des „Bonatzsbaus“, entstandene und als edler „Rohbau“ nahezu vollendete Bauwerk nähert sich seinem finalen Erscheinungsbild.
Das Architekturforum Aedes hat Christoph Ingenhovens Arbeit erstmals 1996 ausgestellt („Ingenhoven Overdiek und Partner: Evolution Architektur Ökologie“) und bereits 1999 eine Ausstellung über den Hauptbahnhof Stuttgart gezeigt. Mit der aktuellen Schau mit dem Untertitel „Ein Jahrhundertprojekt wird Realität“ schließt sich gewissermaßen ein Kreis. Folgerichtig basiert das größte Ausstellungsobjekt auf dem Grundriss eines Kreises – eine Rotunde mit einem fast 30 Meter langen und 4,5 Meter hohen 360°-Panorama im hinteren, größeren Galerieraum, die aus 120 Einzelbildern des Fotografen HG Esch zusammengesetzt ist und einen großartigen Eindruck von der Baustelle im Juni 2024 vermittelt. Zu sehen ist etwa die Hälfte der 450 Meter langen, durch insgesamt 28 Kelchstützen mit großen Lichtaugen gegliederten Bahnhofshalle in weißem Sichtbeton, deren Licht- und Schattenspiel dem Verkehrsbauwerk die Aura eines Sakralraumes verleiht. Die Gesamterscheinung wird voraussichtlich noch beeindruckender sein, wenn alle Lichtaugen vollendet und sichtbar sein werden (auf dem Panoramafoto sind es erst zwei, die übrigen werden noch durch eine transluzente Folie verdeckt).
Noch sind die acht Durchgangsgleise – die den gesamten Fern- und Regionalbahnverkehr aufnehmen sollen, der bislang auf 16 Gleisen des Kopfbahnhofs abgewickelt wird – nicht verlegt worden. Noch ist das Bahnhofsareal auch ober­irdisch eine große Baustelle; in zwei Jahren wird sich das 80 Meter breite Dach der Bahnsteighalle mit seinen markanten Lichtaugen in den Schlossgarten einfügen und vom historischen Stadtzentrum zu einem neuen Quartier überleiten, mit dessen Planung aber noch nicht einmal begonnen wurde. Zweifelsohne lässt sich aber schon jetzt sagen, dass Christoph Ingenhoven und seinem Team, anfangs beraten von Frei Otto und später unterstützt u.a. von Werner Sobek und Bernd Hillemeier (die, neben Ingenhoven, bei Aedes in kurzen Filmen zu Wort kommen), ein großer Wurf gelungen ist. Was alles an planerischen Überlegungen in dem neuen Tiefbahnhof drinsteckt, lässt sich im ersten Galerieraum, sehr anschaulich illustriert, in komprimierter Form nachlesen – und im Aedes-Katalog, der diesmal als Leporello mit 360°-Panoramafoto gestaltet wurde.

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