Alle am Bau Beteiligten müssen ihren Beitrag leisten
Für dieses Jahr will die Bundesregierung eine Milliarde Euro für den klimagerechten sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Auf der Bauministerkonferenz wurden Bedenken geäußert, diese Milliarde, trotz drängenden Bedarfs, nicht gänzlich nutzen zu können. Ein Blick auf die Themen und in das Protokoll des virtuellen Treffens.
Text: Homann, Shirin, Berlin
Alle am Bau Beteiligten müssen ihren Beitrag leisten
Für dieses Jahr will die Bundesregierung eine Milliarde Euro für den klimagerechten sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Auf der Bauministerkonferenz wurden Bedenken geäußert, diese Milliarde, trotz drängenden Bedarfs, nicht gänzlich nutzen zu können. Ein Blick auf die Themen und in das Protokoll des virtuellen Treffens.
Text: Homann, Shirin, Berlin
Fast unbeachtet kamen Ende letzten Jahres die Bauminister und -ministerinnen der Länder und des Bundes zur 138. Bauministerkonferenz zusammen, die coronabedingt virtuell stattfand. Themen waren u.a. die Soziale Wohnraumförderung, die Musterbauordnung, die Wärmewende im Gebäudebestand und Brandvorfälle in großen Tierhaltungsbetrieben.
Als über den sozialen Wohnraum gesprochen wurde, hieß es von der Vorsitzenden der Bauministerkonferenz, Susanna Karawanskij (Die Linke), Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft in Thüringen: „Es bleibt eine wichtige Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu schaffen. Wir begrüßen die Aufstockung der Bundesförderung für Klimaschutzmaßnahmen. Gemeinsam mit dem Bund verfolgen die Länder das Ziel, den Wohnungsbestand bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral zu betreiben. Wir sind jedoch besorgt, dass aufgrund der Kurzfristigkeit die Verwendung der Finanzmittel aus dem Klimabaustein nicht gänzlich gelingen könnte.“
Die erwähnte Förderung ist Teil des Klimaschutz-Sofortprogramms der Bundesregierung, das für das Jahr 2022 zusätzlich eine Milliarde Euro für den klimagerechten sozialen Wohnungsbau bereitstellt. Die Sorge, diese Milliarde, trotz drängenden Bedarfs, nicht gänzlich nutzen zu können, macht nachdenklich. Da staatliche Förderungen Dimensionen erreicht haben, die selbst Experten kaum noch überblicken, dürfen Laien Kontextualisierungen von Förderungen getrost wagen: Man könnte z.B. nach Grünheide schauen, wo der Elektroautohersteller Tesla für seine Batteriefertigung auf Fördermittel von ebenfalls einer Milliarde Euro gänzlich verzichtete. In diesem Fall wird vermutet, dass es weniger um freiwilligen Verzicht als um Nichterfüllen von Förderauflagen geht. Das Bundeswirtschaftministerium teilte der dpa dazu mit: „Die nicht genutzten staatlichen Fördergelder stehen nun für andere Vorhaben zur Verfügung.“
Das Auspacken großer finanzieller Pakete ist seit der Eurokrise als „What ever it takes-“, „Draghi-“ oder „Bazooka-Effekt“ bekannt und ein bevorzugtes Medikament in Krisen. Die Sorge der Bauministerkonferenz, die Finanzmittel nicht gänzlich nutzen zu können, relativiert somit die Wirkung solcher Maßnahmen. Nicht nur deshalb lohnt sich ein sorgfältiger Blick in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, wo explizit gesagt wird: „Hürden beim Mittelabruf werden wir abbauen (…). Nicht abgerufene Fördermittel stellen wir zweckgebunden weiterhin (überjährig) für Förderungen der Kommunen zur Verfügung.“1
Während sich Bund und Länder also nicht vollständig über die Kofinanzierungsanteile der Wohnungsbauförderung einig sind, herrschte Einigkeit bezüglich des Ziels, den Wohnungsbestand bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral zu betreiben. Hierfür soll ein System zur Erfassung der Daten der Treibhausgas-Reduktion im Wohngebäudebereich geschaffen werden. Dass die Nutzungsphase eines Gebäudes jedoch etwas anderes ist, als eine Lebenszyklusanalyse mit Betrachtung der Grauen Energie und den ökologischen Wirkungen von Bauprodukten, ist längst klar und das gemeinsame Ziel damit leider unterambitioniert.
Auch der Tagesordnungspunkt „Musterbauordnung“ blieb ausbaufähig. Hier gab es im Vorfeld der Konferenz eine Anmahnung der Ministerpräsidenten, die sich auf Verfahrens- und inhaltliche Erleichterungen im Bauordnungsrecht bezog, sowie einen offenen Brief der Architects for Future, der auf eine Novellierung der Musterbauordnung zielte. Konkret gefordert wurden u.a.Kriterienkataloge für den Umbau und die Weiternutzung von Baustoffen und Bauteilen, verbindliche Prüfungen auf Sanierungsfähigkeit und Rückbaukonzepte, sowie ein Gebäudeausweis für zukünftige urbane Minen, inklusive Hinweise auf Gefahren. Diese „Umbauordnung“ legt den Schwerpunkt auf das Bauen im Bestand, den Umgang mit Flächen, Material und Kreislauffähigkeit. Mitunterzeichner waren 17 Professorinnen, 12 Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft, sowie 30 Verbände.
Im Protokoll der Bauministerkonferenz findet sich hierzu: „Die Bauministerkonferenz hält es aus Gründen des Klima- und Ressourcenschutzes für erforderlich, beim Bauen neue Prioritäten zu setzen. Der Bestandserhalt sowie die Wiederverwendung von Bauteilen und Baustoffen müssen sehr viel stärker in den Fokus genommenwerden, um die Klimaziele im Gebäudebereich erreichen zu können. Dazu müssen alle am Bau Beteiligten ihren Beitrag leisten. Insbesondere Planerinnen und Planer sowie Bauherrinnen und Bauherrn stehen in der Verantwortung, den Paradigmenwechsel zu befördern. Aber auch der Gesetzgeber kann durch geeignete Vorgaben und Randbedingungen ein schnelles Umsteuern unterstützen. Deshalb bittet die Bauministerkonferenz den Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau- und Wohnungswesen zu untersuchen, ob zugunsten des Bauens im Bestand Fortschreibungsbedarfe der Muster-Bauordnung bestehen und ihr zu berichten.“ Der Bund wurde aufgefordert: „Forschungsvorhaben und Pilotprojekte der Länder für die Anwendung flexibler Bauweisen vor dem Hintergrund der Wiederverwertbarkeit und zur Verlängerung der Lebenszyklen von Bauwerken und Bauteilen zu fördern und ein Forschungsprojekt zum ressourcensparenden Bauen sowie den Möglichkeiten des Baustoffrecyclings umzusetzen. Dieses soll insbesondere die technischen Möglichkeiten abstecken und sinnvolle Anwendungsbereiche identifizieren.“
Bezüglich des Tagesordnungspunkts „Brandvorfälle in großen Tierhaltungsbetrieben“ war die Bauministerkonferenz hingegen der Auffassung, dass „die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Tierhaltungsanlagen ausreichend sind“. Gleichzeitig wurde betont, dass „weitergehende Anforderungen auf tierschutzrechtlicher Ebene möglich und sinnvoll sind“, für diese sei jedoch das Bundesministerium für Landwirtschaft zuständig. Tierschützer gehen von mehreren zehntausend Brandopfern jährlich aus.
1 „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Seite 127
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