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Bitte setzen und anfassen!

Das Berliner Kunstgewerbemu­seum präsentiert Sitzmöbel des Bauhäuslers Erich Dieckmann

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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Dieckmann (2. von rechts) und Schüler testen seine Gartenmöbel.
© Sammlung Stadtarchiv Halle (Saale), Finsler

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Dieckmann (2. von rechts) und Schüler testen seine Gartenmöbel.

© Sammlung Stadtarchiv Halle (Saale), Finsler


Bitte setzen und anfassen!

Das Berliner Kunstgewerbemu­seum präsentiert Sitzmöbel des Bauhäuslers Erich Dieckmann

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Eine Ausstellung, in der Objekte des gewürdigten Gestalters benutzt werden können, ist einnehmend. Auch wenn es sich im Raum „Living like Dieckmann?“ um Nachbauten handelt, zum Teil leicht vergrößert, um den heutigen Körpermaßen zu entsprechen. Vom Sehen zum Sit­zen – das ermöglicht die Retrospektive „Stühle: Dieckmann! Der vergessene Bauhäusler Erich Dieckmann“, die das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum Berlin ausrichtet.
Nach dem Jubiläumsjahr 2019 hätte vermutet werden können, das Bauhaus sei samt Personal und Schülerschaft restlos durchleuchtet. Erich Dieckmann (1895–1944) ist kein Unbekannter, immerhin wurde sein 1931 erschienenes Buch „Möbelbau. Holz-Rohr-Stahl“ schon vor dreißig Jahren neu aufgelegt. „Ein Möbelstück ist entweder organisch gewachsen“, schrieb er, was hieße „immer zugleich sinnvoll und zweckmäßig und in seiner inneren Ordnung und Gesetzmäßigkeit dem Gebilde der Natur ebenbürtig“ zu sein – oder es sei eben „zusammengestoppelt.“ Was Dieckmann von den Avantgardisten unterschied, war sein wohl durch eine schwere Kriegsverletzung im Ersten Weltkrieg gedämpfter Idealismus. Von einem Architekturstudium unbefriedigt, gelangte er 1920 an Walter Gropius’ Bauhaus in Weimar, wo er zunächst Malerei studierte. Zwei Jahre später nahm er eine Lehre in der Tischlerwerkstatt auf, um dann als so genannter „Etatgeselle“ zu arbeiten, der zwischen Form- und Handwerksmeistern vermittelte. Als das Bauhaus nach Dessau umzog, führte Dieckmann die Weimarer Werkstatt weiter, später unter Otto Bartning. 1930 entlassen, kann er noch zwei Jahre an der Burg Giebichenstein tätig sein, anschließend verdingte er sich in der Verwaltung.
Seine Möbelentwürfe entstanden an den Hochschulen. Ihnen wohnt ein starker Formwille inne, der dennoch das Material und seine Verarbeitung respektiert. Die Holzmöbel, insbesondere die Stühle und Sessel, scheinen stereometrische Körper imaginär auszufüllen. Dieckmann differenzierte sie in Körper-, Flächen- und Gliedermöbel mit Bezug auf die Komponenten Brett, Sperrholz und Kantholz, die er in handwerklicher Tradition stabil fügte. Sein Typenmöbelprogramm ist systematisch auf ein Raster bezogen, wodurch es vielseitig angewandt und dennoch effizient in Serie hergestellt werden kann.
Mit Natur- und Stahlrohr beschäftigte sich Dieckmann erst Anfang der 30er Jahre. Während die Korbmöbel material- und herstellungsbedingt schwer wirken, waren die Äquivalente in Stahl luftig. Konträr zu den Kragstühlen von Marcel Breuer und Mart Stam befreite er das Rohr aus der bändigenden Geometrie und gab ihm, indem er die Möglichkeit des Biegens bis zum Äußersten ausreizte, eine faszinierende Dynamik. Deshalb kann angenommen werden, dass Dieckmann weniger am Zeichentisch als unmittelbar am Werkstück gewirkt hat. Er verschaffte dem Material einen eigenen Ausdruck, wie es das Bauhaus einst postulierte.
Reflektiert wird Dieckmanns Wirken in einem aufgezeichneten Gespräch zwischen Rudolf Horn und Stefan Diez. Die beiden Möbeldesigner trennt ein Altersunterschied von 42 Jahren, einig sind sie sich jedoch über die handwerkliche Basis von Dieckmanns Möbeln und über das favorisierte Möbelstück, nämlich den Stahlrohrsessel von 1931 mit diesem, so Horn, „riesengroßen Schwung, wo man das Gefühl hat, das will das Material auch.“
Mit Pappwänden umweltfreundlich konzipiert von Diez und versehen mit der Typografie von Erik Spiekermann (der auch den informativen Katalog gestaltete), präsentiert die Ausstellung singuläre Originale. Dieckmanns Inneneinrichtungen sind nur durch Fotos dokumentiert und strahlen einen für das Bauhaus ungewohnten Komfort aus, etwa im Haus am Horn in Weimar 1923 oder in der Musterwohnung für die Werkbundsiedlung am Weißenhof in Stuttgart. Ob die Möbel nun erneut in Produktion gehen? Zu wünschen wäre es, denn diese weniger programmatische Seite des Bauhauses – das kann an den Nachbauten nachvollzogen werden – hat ihre eigene Berechtigung.

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