Bauwelt

Das Dorf in die Kirche lassen

Allein im Land Brandenburg gibt es 1500 Dorfkirchen, viele davon werden kaum genutzt. Ein breites Bündnis aus Kirche, Architektur, Denkmalpflege und Kultur hat sich zusammengetan, um nachhaltige (Mit-)Nutzungen zu finden und die Kirchen so langfristig zu erhalten. Anfang September wurden in der Prignitz in einer Sommerakademie und einer anschließenden Tagung Strategien entwickelt.

Text: Gebler, Tina, Berlin

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    Die Kirche in Grabow (Ortsteil der Gemeinde Kümmernitztal/Prignitz) wurde in den 1860er Jahren als neugotischer Feldsteinbau errichtet. Eine neue Nutzung wäre im regionalen Verbund denkbar.
    Foto: Jonas Zeidler

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    Die Kirche in Grabow (Ortsteil der Gemeinde Kümmernitztal/Prignitz) wurde in den 1860er Jahren als neugotischer Feldsteinbau errichtet. Eine neue Nutzung wäre im regionalen Verbund denkbar.

    Foto: Jonas Zeidler

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    Foto: Jonas Zeidler

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    Grundrisse der Kirchen in Brügge, ...
    Zeichnung: Carl Walther

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    Zeichnung: Carl Walther

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    ... Frehne, ...
    Zeichnung: Carl Walther

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    ... Rapshagen, ...
    Zeichnung: Carl Walther

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    ... Groß-Woltersdorf ...
    Zeichnung: Carl Walther

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    Zeichnung: Carl Walther

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    ... und Grabow.
    Zeichnung: Carl Walther

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    ... und Grabow.

    Zeichnung: Carl Walther

Das Dorf in die Kirche lassen

Allein im Land Brandenburg gibt es 1500 Dorfkirchen, viele davon werden kaum genutzt. Ein breites Bündnis aus Kirche, Architektur, Denkmalpflege und Kultur hat sich zusammengetan, um nachhaltige (Mit-)Nutzungen zu finden und die Kirchen so langfristig zu erhalten. Anfang September wurden in der Prignitz in einer Sommerakademie und einer anschließenden Tagung Strategien entwickelt.

Text: Gebler, Tina, Berlin

Früher, da war es sprichwörtlich, die Kirche im Dorf zu lassen. Nicht übertreiben, nicht maßlos werden, sich besinnen. Sind die Dorfkirchen noch immer ein gutes rhetorisches Mittel fürs rechte Maß? Das ländliche Leben hat sich stark verändert. Markierten die Dorfkirchen baulich und soziokulturell lange den Mittelpunkt des Dorfes, sind sie heute zumeist geschlossen und kaum genutzt. Die kleiner werdenden Kirchengemeinden sind mit dem Erhalt der Gebäude oft überfordert. Dabei bieten die Kirchen als vielerorts letztverbliebener öffentlicher Raum inmitten der Dörfer räumliche Potenziale, um wieder Leben in der Ortsmitte zu etablieren.
In einer interdisziplinären Sommerakademie in der Prignitz vom 1. bis 8. September nahmen Studierende der Architektur, Stadt- und Regionalplanung sowie Soziologie exemplarisch fünf Kirchen aus der Region in den Fokus. In Exkursionen wurden diese auf unterschiedlichen Maßstabsebenen beleuchtet – vom Einzelobjekt Dorfkirche über ihre Verbindung mit den umliegenden Gebäuden des Dorfplatzes hin zum ganzen Dorf und in die Region. Kurzum, es wurde rein- und rausgezoomt, es wurden Querverbindungen geschlagen und so im maßstabsübergreifenden Denken neue Ansätze gefunden. Initiiert wurde die Sommerakademie von dem Architekturprofessor Markus Tubbesing (FH Potsdam), der Soziologin Joana Katharina Kiefer (FAU Erlangen), dem Kirchlichen Bauamt der EKBO (Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz) und Krekeler Architekten.
Mit 35 Einwohnern und Einwohnerinnen je Quadratkilometer belegt die Prignitz Platz Eins im bundesweiten Ranking um die Region mit der geringsten Bevölkerungsdichte. Mit 209 Kirchen verfügt sie zugleich über eine der höchsten Kirchendichten – in nahezu jedem Dorf steht eine Kirche. Anhand von Analyseplänen zeigten beispielsweise die Studierenden Maren Hartmann, Louise Walter und Jonas Zeidler auf Ebene der Region, wie die Kirchen durch Verkehrsnetze, Wander- und Pilgerwege miteinander verbunden sind und sich so für eine Nutzung im Verbund anbieten. Aus der Perspektive des Dorfplatzes stellten Linnea Altrogge und Franziska Kaluzny fest, dass die Kirchen oft nicht mehr Teil des öffentlichen Raumes sind, „nicht in das Dorf hineinwirken.“ Sie schlugen vor, vorhandene soziale, kulturelle oder touristische Infrastrukturen im Dorf ausfindig zu machen und in die Nutzungsfindung miteinzubeziehen.
Die Erkenntnisse der Studierenden waren Impulsgeber für eine unmittelbar anschließende Tagung im Klosterstift Marienfließ, zu der rund 160 Teilnehmende verschiedenster Institutionen wie Kirchen, Denkmalämter, Ministerien, Kammern, Vereine und Planungsbüros kamen. Schon vom Format her war die Veranstaltung eine Aufforderung zum gemeinsamen Denken, zum Prozess und zur Öffnung. Nach Vorträgen der Studierenden teilten sich die Teilnehmenden in acht Workshops auf, die in intensiven Diskussionen Strategien für die Dorfkirchen entwickelten – anknüpfend an eine 2021 in Prenzlau stattgefundene Tagung.
„Es reicht nicht mehr, die Kirchen denkmalgerecht zu sanieren. Wir brauchen langfristig sinnvolle Nutzungen, um die Gebäude zu erhalten“, sagte Architekt Achim Krekeler. Hierfür braucht es eine moderierte „Planungsphase Null“, einen Prozess, in den alle Akteure von Anfang an auf Augenhöhe eingebunden sind, um eine konkrete Aufgabenstellung auszuhandeln - Architektinnen, Denkmalpfleger und Kirchgemeinden, Vereine, Kommunen, Kulturschaffende. Langfristig engagierte „Kümmerer“ zu finden, wie sie die Bundesstiftung Baukultur nennt, ist jedoch nicht so einfach. „Ich trage es ungern vor, aber so ist es: Auch die Institution Kirche ist für manche eine Hemmschwelle“, gab Eva Maria Menard, Superintendentin des Kirchenkreises Prignitz, zu bedenken. Eine wichtige Grundvoraussetzung aber ist, dass die Kirche sich öffnet, zum Dorf, zur Region, zur Gesellschaft. Nur so ist es möglich, den Erhalt und die Nutzung (wieder) als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen. „Erbaut wurden die Kirchen in einer Zeit, da Kirchen- und Bürgergemeinde identisch waren“, erklärte Andrea Molkenthin, Baubeauftragte des Kirchenkreises Mittelmark-Brandenburg. Die Dorfkirchen müssten wieder zu einem „Synonym für das dörfliche Zusammenleben“ werden, sagte Architekt Frank Röger vom Kirchlichen Bauamt der EKBO, und fragte programmatisch: „Wie sieht das dörfliche Leben der Zukunft aus? Was brauchen das Dorf und die Dorfgemeinschaft?“ Um Antworten hierauf zu finden, kann es hilfreich sein, altbekannte Denkweisen herauszufordern und in Sprichwörtern erstarrte Selbstverständlichkeiten umzudrehen – und: Das Dorf in die Kirche zu lassen.

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