Bauwelt

Das Erlebte einfangen

Das Büro Raumlabor Berlin führt ein lebendiges Archiv und verwendet Materialien aus früheren Projekten immer wieder. Die Interaktion bildet den Kern ihrer Installationen – eine Dimension, die schwer zu archivieren ist. So entsteht eine Verbindung aus Nachhaltigkeit, Nostalgie und kreativer Nutzung.

Text: Rost, Sandra, Nürnberg

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    Ein Beispiel der Wieder­ver­wertung aus den Anfängen des Büros: 223 geschich­­­te­te Türen abrissfertiger Plattenbauten aus Halle-Neustadt bilden in der Schau „das System“ in Heidelberg (2008) eine labyrinthische Struktur.
    Foto: raumlaborberlin

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    Ein Beispiel der Wieder­ver­wertung aus den Anfängen des Büros: 223 geschich­­­te­te Türen abrissfertiger Plattenbauten aus Halle-Neustadt bilden in der Schau „das System“ in Heidelberg (2008) eine labyrinthische Struktur.

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    Zwei Jahre später sind die Türen auf dem Weg nach Bregenz für eine Installation in der Schau „bye bye utopia“ im Kunsthaus, 2010.
    Foto: raumlaborberlin

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    Zwei Jahre später sind die Türen auf dem Weg nach Bregenz für eine Installation in der Schau „bye bye utopia“ im Kunsthaus, 2010.

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    Die Installation „The Big Crunch“ wurde 2011 im Rahmen des Architektursommers „stadtfinden“ in Darmstadt errichtet. Die Idee dahinter war eine Art Schwarm, aus gewöhnlichen Objekten (u.a. Türen) zu bilden.
    Foto: raumlaborberlin

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    Die Installation „The Big Crunch“ wurde 2011 im Rahmen des Architektursommers „stadtfinden“ in Darmstadt errichtet. Die Idee dahinter war eine Art Schwarm, aus gewöhnlichen Objekten (u.a. Türen) zu bilden.

    Foto: raumlaborberlin

Das Erlebte einfangen

Das Büro Raumlabor Berlin führt ein lebendiges Archiv und verwendet Materialien aus früheren Projekten immer wieder. Die Interaktion bildet den Kern ihrer Installationen – eine Dimension, die schwer zu archivieren ist. So entsteht eine Verbindung aus Nachhaltigkeit, Nostalgie und kreativer Nutzung.

Text: Rost, Sandra, Nürnberg

Der Zweck von Architektur liegt in der räumlichen Nutzung – für Ausstellungen wird ein Museum gebaut, für Aufführungen ein Theater, für Bildung eine Schule. Doch wenn der Zweck darin liegt, den Dialog zu fördern, Gedanken anzuregen und Partizipation voranzutreiben, stehen das Erlebnis, der Diskurs und die Teilhabe im Fokus. Temporäre Installationen schaffen durch ihre Vergänglichkeit und Flexibilität eine besondere Umgebung, die Kreativität und soziale Interaktion fördern soll. Diese menschliche Komponente ist so präsent wie flüchtig. Außerdem ist sie schwer zu archivieren, wenngleich sie im Mittelpunkt steht. Wie sich das in materielle, visuelle und persönliche Archive aufteilt, zeigt sich in der Arbeit von Raumlabor Berlin.
Im Sommer 2024 entstand vor dem Gropius-Bau das Projekt Radical Playgrounds (Bauwelt 13.2024), bei dem Raumlabor den Parkplatz in einen temporären Spielraum verwandelten und dabei einige der Materialien aus vorherigen Projekten wiederverwendeten. Dieser Ansatz ist Teil eines etablierten Prozesses, bei dem Nachhaltigkeit eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle spielt. Bauelemente sind mehr als reine Konstruktion; sie tragen Geschichten in sich – Patina, Gerüche und Macken sind sensorische Eigenschaften, die den Räumen zusätzliche Tiefe verleihen. Selbst bei einer Replik wäre das Ergebnis mit neuen Baustoffen ein anderes. Somit bedeutet die Archivierung nicht etwas für immer abzulegen, sondern die Geschichten weiterzuschreiben. Die Wiederverwendung trägt außerdem dazu bei, das Material zu entglorifizieren. Zusammen mit der zeitlichen Begrenzung der Installationen ist es so möglich, mehr Freiheit in den immer wieder neuen Erzählungen zu schaffen. Es ergibt sich eine Mischung aus Nachhaltigkeit, Nostalgie und Nutzung, welche sich auch in den eigenen Büroräumen zeigt: Hier findet man eine Glasscheibe des Palasts der Republik, ein Stück Erinnerung an ein ikonisches Projekt aus den Anfängen des Kollektivs.
Das Büro hat ein Hunderte Quadratmeter großes Lager, circa anderthalb Stunden außerhalb von Berlin. Sie bewahren hier alles von Konstruktionen über Zeichnungen bis hin zu Farben und Stoffen auf. Das Architekturbüro könnte daher viele neue Projekte fast vollständig aus wiederverwendeten Materialien bauen, doch das erfordert sorgfältige Abwägungen: Wie aufwendig ist die Organisation? Wie teuer ist der Transport von Lager zu Aufstellungsort? Inwiefern passen alte, speziell angemischte Farben zu einem neuen Projekt? Welches Mobiliar besitzt das jeweilige Ausstellungshaus? Wie bei jedem Architekturprojekt sind intensive Kommunikation und sorgfältige Planung erforderlich. Dabei haben die neun Partnerinnen und Partner des Büros für gewöhnlich im Kopf, was eingelagert ist und lassen sich davon bei der Gestaltung neuer Projekte inspirieren. Das ist leichter gesagt als getan, denn bei der Archivierung in diesem Umfang sind Zugänglichkeit und Ordnung die größte Herausforderung. Kein Wunder, dass das Büro von einem Schaulager träumt. Dadurch gäbe es nicht nur eine bessere Sichtbarkeit der Materialien, sondern auch die Möglichkeit des Vor-Ort-Arbeitens und der Vor-Ort-Inspiration.
Raumlabor Berlin pflegt ein lebendiges Archiv. Ein Beispiel dafür sind ihre Publikationen, wie das Buch „Polylemma“, das Anfang 2024 erschienen ist. Die Arbeit an diesem Buch gleicht einer Dearchivierung: Sie erfordert die Reflexion, Neusortierung und erneute Betrachtung des Archivs – sowohl digital als auch analog. Zudem zeigt sie, dass zwar der geschaffene Ort zeitlich begrenzt besteht, jedoch nicht die Themen, die eigene Praxis und die eigene Begeisterung. Die temporären Projekte bekommen dadurch eine Permanenz.
Neben viel Nostalgie entsteht auch eine Dichotomie: Während die Kommunikation in der Architektur besonders auf der Bild- und Textebene stattfindet, ist es kaum möglich, die Faszination, die Gespräche und die Erlebnisse der Besucherinnen einzufangen. Dabei sind sie besonders wichtig, um Projekte über ihre Dauer hinaus lebendig zu erhalten. Es ist zwar möglich, Stimmungen zu einem gewissen Grad zu transportieren, jedoch geht ein rein visueller Archivierungsprozess immer mit einem großen Verlust einher. Trost spendet dagegen, dass sich Besucher die Eindrücke in persönlichen Archiven, im Kopf oder im Smartphone, abspeichern. Temporäre Installationen sind von einem performativen Anteil mitbestimmt, der hängen bleibt. Vor allem die erste Nutzung oder das Eröffnungsfestival hinterlassen oft bleibende Eindrücke, die über rein räumliche Wahrnehmungen hinausgehen.
Dieses Miteinander bildet einen elementaren Bestandteil in der Arbeit des Büros. Daher ist es ein Anliegen, sie nicht nur in den Installationen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern auch im Prozess. Dafür sind Handzeichnungen und -skizzen ein gutes Werkzeug, weil sie leicht verständlich und zugänglich sind. Über die Jahre sammelten sich circa 100 Zeichenrollen an, ebenfalls eingelagert. Viele davon sind digitalisiert und publiziert, beispielsweise auf der Website des Büros.
Hier ist die fast uneditierte, 25-jährige Arbeit unter dem Reiter „Archive“ zu finden. Natürlich gibt es Projekte, bei denen sie bedauern, diese nicht detaillierter dokumentiert zu haben. Archivierung ist für das Büro kein abgeschlossenes Thema, sondern ein Prozess. Dabei ist es ihnen nicht so wichtig, am Ende das perfekte Foto abzuspeichern, sondern die Relevanz des Miteinanders durch eine sichtbare Lebendigkeit zu zeigen. Das wird bei einem digitalen Spaziergang auf der Website deutlich, denn hier herrscht im Gegensatz zu den Archiven anderer Architekturbüros ein reges Treiben vieler Menschen auf den Bildern. Es gilt eben nicht das beste Foto, sondern ein authentisches Foto zu machen.
Fakten
Architekten Raumlabor Berlin
aus Bauwelt 1.2025
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