Die Welt geht nicht unter
Projekte in den Küstenregionen Dänemark tragen zu einer neuen Wertschätzung des ländlichen Raums bei. Auch das Klimazentrum im westjütländischen Lemvig?
Text: Bruun Yde, Marie
Die Welt geht nicht unter
Projekte in den Küstenregionen Dänemark tragen zu einer neuen Wertschätzung des ländlichen Raums bei. Auch das Klimazentrum im westjütländischen Lemvig?
Text: Bruun Yde, Marie
Während die dänische Regierung mit ihrem neuen Klimaplan dem Pariser Abkommen nicht nachkommt und Kurs auf die Katastrophe hält, reagieren einige Küsten-Kommunen des Landes, die die Auswirkungen des Klimawandels schon spüren, mit Gegenmaßnahmen. In Dänemark zeigen sich diese Folgen besonders an der Nordsee in Westjütland. Die Kleinstadt Lemvig am Limfjord wird immer öfter vom Meer überschwemmt.
Nun möchte die Kommune zum führenden Klimastandort Dänemarks avancieren. Gemein-sam mit dem lokalen Wasserwerk lobte sie einen Wettbewerb für ein Wissens-, Forschungs- und Wirtschaftszentrum aus: das Klimatorium. Als Teil eines sechsjährigen, mit EU-Mitteln geförderten Klimaprojektes soll es ein Forum für den Austausch über den Klimafaktor Wasser werden und Anlaufpunkt für Forschung, Ausbildung, Wirtschaft, Tourismus und Bevölkerung sein. Dafür wünschen sich die Initiatoren eine flexibles Gebäude mit Leuchtturmwirkung.
3XN lieferten das Gewinnerprojekt, eine schlichte, stilistisch tadellose Kiste in kühler, edler – nordischer – Eleganz, die anmutet, als schwebe sie über dem Wasser. Das öffentliche Erdgeschoss lädt mit einer Glasfassade zu Ausstellungen, Café und Veranstaltungen ein. Die Büroräume im Obergeschoss sind mit Lamellen geschützt. Insgesamt wirken Gebäude und das von SLA gestaltete Außengelände verständlich und zugänglich.
Die Themen Wasser und Klimawandel werden in stimmungsvoller vielmehr als bedrohlicher Düsterkeit angegangen. Hier geht die Welt nicht unter. Die poetische Bildsprache nimmt allerdingswenig Bezug auf die Situation vor Ort. Eher gezwungen versucht die in die Fassade hineingepresste Wellen-/Schiffssymbolik das Museum im Kontext zu verorten. Unter den fünf Finalisten sieht 3XNs Gebäude am meisten wie ein traditionell identifizierbares Museum aus.
Bei ADEPT ist die Verbindung zum Thema deutlicher: Es stürmt, der Meeresspiegel steigt. Die Landschaft frisst die Architektur. Typologisch sticht der Entwurf unter den Finalisten hervor. Statt eines solitären Baukörpers fügen die Architekten mehrere Häuser aneinander, deren Front ans Wasser heranreicht. Zusammen mit der schon öfter in ihren Entwürfen gesehenen Treibhaus-Ästhetik verleiht diese Differenzierung dem Projekt ein informell kleinteiliges bottom-up-Feeling. Obwohl der Vorschlag einen starken örtlichen Bezug aufweist, hat er eine urbane, internationale Ausstrahlung und verhält sich nicht zu bescheiden zur Landschaft.
Genau das allerdings wurde von der Jury scheinbar bemängelt: Der architektonische Ausdruck sei nicht zeitlos genug, zu unruhig. Der in der Wettbewerbsausschreibung dreimal wiederholte Satz, „Eine Materialwahl, die nur auf zufälligen, neuen Strömungen im Bauen beruht, ist nicht gewünscht“, lässt erahnen, dass die Juroren eher auf der Suche nach Bewährtem waren.
Kjaer og Richters Projekt mag diesem Wunsch näher gekommen sein. Es enthält einige feine Details, wie eine vorgeschobene Freitreppe und einer Aquariumverglasung im Foyer, die beide zwischen Besucher und Meer vermitteln. Allerdings kommen diese Teile nicht so recht zu einem ikonischen Gesamtwerk zusammen.
Sweco lassen das Klimatorium wie eine Scholle aus dem Meer empor steigen. Auf dem Dach entwickelt sich eine Parkfläche. Der Vorschlag von AART wirkt, mit dunkelgrauen Platten verkleidet, in die schmale Fenster eingeschnitten sind, etwas zurückweisend.
In den vergangenen Jahren sind in Dänemark einige Aufsehen erregende Architekturprojekte gerade abseits der Großsstädte, im ländlichen Raum entstanden: Dorthe Mandrups Wattenmeerzentrum, Frank Maali & Gemma Lalandas Strandungsmuseum an der Nordseeküste (beide 2017), oder auch Arkitemas und Christoffer Harlang Architects’ Hammershus Besucherzentrum auf Bornholm (2018). Sie alle sind einzigartige Ausstellungshäuser, in denen Objekt, Natur und Kontext in einem neuen Ansatz, Architektur zu entwickeln zusammenkommen. Diese Gebäude halten sich gegenüber den landschaftlichen Gegebenheiten zurück, heben deren Schönheit und Außergewöhnlichkeit hervor und ergänzen sie. Die Architekten nutzen den kreativen Freiraum der Peripherie und tragen mit ihren Werken zur Wertschätzung des Ländlichen bei.
Eigentlich genau, was sich die Auftraggeber desKlimatoriums wünschen. So verwundert es, dass, während viele Orte schon Neues gewagt haben, Lemvig eher auf Altbewährtes zurückgreift.
Europaweit offener, zweiphasiger Wettbewerb
1. Preis 3XN mit SLA, Kopenhagen
Finalist AART mit vega landskab, Aarhus/Kopenhagen
Finalist Kjaer og Richter mit Møller & Grønborg, Aarhus
Finalist ADEPT mit MASU Planning, Kopenhagen
Finalist Sweco Architects mit EFFEKT, Kopenhagen
Finalist AART mit vega landskab, Aarhus/Kopenhagen
Finalist Kjaer og Richter mit Møller & Grønborg, Aarhus
Finalist ADEPT mit MASU Planning, Kopenhagen
Finalist Sweco Architects mit EFFEKT, Kopenhagen
Juryvorsitz
Erik Flyvholm, Bürgermeister von Lemvig
Erik Flyvholm, Bürgermeister von Lemvig
Auftraggeber
Lemvig Vand & Spildevand A/S
Lemvig Vand & Spildevand A/S
Wettbewerbsbetreuung
NIRAS A/S
NIRAS A/S
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