Es grünt die Halde
Über Neustadt an der Weinstraße thront das Hambacher Schloss – ein Symbol für Freiheits- und Bürgerrechte. Im Tal wird 2027 die fünfte rheinland-pfälzische Landesgartenschau stattfinden. Ziel des jüngst entschiedenen Wettbewerbs war es, „Demokratie Leben“ landschaftlich abzubilden.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Es grünt die Halde
Über Neustadt an der Weinstraße thront das Hambacher Schloss – ein Symbol für Freiheits- und Bürgerrechte. Im Tal wird 2027 die fünfte rheinland-pfälzische Landesgartenschau stattfinden. Ziel des jüngst entschiedenen Wettbewerbs war es, „Demokratie Leben“ landschaftlich abzubilden.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
1832 forderte eine Volksbewegung auf dem Hambacher Fest das Ende der Kleinstaaterei, mehr Teilhabe sowie Presse- und Meinungsfreiheit. Für 2027 plant Rheinland-Pfalz am Ort des Geschehens, in Neustadt an der Weinstraße, eine Landesgartenschau. Ein spezifisches Nutzungsprogramm der neuen Parkflächen war nicht festgeschrieben, sondern konnte von den Bürgerinnen und Bürgern definiert werden.
Das circa 24 Hektar große Wettbewerbsgelände liegt am Stadtrand. Nördlich wie südlich rahmt ein Bach das Areal, westlich kreuzt die Eisenbahn, im Osten eine der größeren Zubringerstraßen. Der „Sprung ins Grüne“ soll gelingen; die Entwicklung zum Naherholungsgebiet soll sowohl die historische Altstadt aufwerten als auch die an das Gelände angrenzenden, dich-ten Stadtteile Branchweiler und Böbig. Der rund 30 Meter hohe Deponieberg ist Überbleibsel aus der Zeit, in der das Gelände noch als Wertstoffhof genutzt wurde. Er soll nun zur Aussichtsplattform und mit dem gesamten Areal zur neuen Attraktion in der Region werden. Die Neustädter Schau wird als erste in Deutschland kreislaufwirtschaftlich geplant, auf dem Gelände ist eine „grüne Konversion“ angestrebt.
Diese Aufgabe gehen die Erstplatzierten des Wettbewerbs, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten aus Berlin, mit ihrem „Stadtberg in den Auen“ an. Das Deponie-Material wird aufgearbeitet und für die Modellierung der neuen Parklandschaft mit Bauschutt aus der Umgebung ergänzt. So wird zu Müll Erklärtes wieder eingebracht. Die Dynamik einer Deponie und das Potenzial von Urban Mining, die in diesem Projekt stecken, sind gut veranschaulicht.
Als besonders gelungen sieht die Jury das intuitive Wegenetz, das die verschiedenen Landschaftsräume verknüpft. Der Berggipfel mit Café und Aussicht ist über einen serpentinenarti-gen Weg erreichbar, der an der Westseite von terrassierten Wiesen- und Freiflächen eingefasst ist und an der Ostflanke Spiel-, Verweil- und Sportbereichen Platz gibt. Lediglich im Auenwald wird infrage gestellt, ob der Verzicht auf besondere Orte und Wegeführungen passend sei – doch werden so flexibel gehaltene Anpassungsmöglichkeiten positiv bewertet.
Ebenfalls mit Transformation von Landschaft, Boden und Material beschäftigten sich – gleichfalls aus Berlin – relais Landschaftsarchitekten, deren Entwurf zum zweitbesten gekürt wurde. Durch Entsiegelung und Renaturierung der beiden Bäche wird Bodenaushub gewonnen, der der Neugestaltung der bestehenden Landschaft dient. Der Rundweg erschließt alle Attraktionen der Parklandschaft, wobei die Jury das Fahrradweg-Angebot hinterfragt: Für die alltägliche Querung und Verbindung der Stadtgebiete mit dem Rad sei es nicht angemessen, da es keine lineare Durchwegung anbiete.
Positiv fiel die Auseinandersetzung mit verschiedenen Lebensräumen und Vegetationsstrukturen auf. Manche Bereiche sind als Biotope bewusst nicht betret-, sondern nur aus der Ferne erlebbar. Die Nutzungen auf den Wiesen im Auenpark seien dazu ein Widerspruch, der das angestrebte Gleichgewicht zwischen Naturschutz und Landschaftsgestaltung beeinträchtige. Der Deponiehügel ist nur einseitig barriere-frei erschlossen, was keine gleichberechtigte Begehbarkeit der Aussichtsplattform bedeute.
Der „fast ruppig anmutende[n] Skulptur“ auf der Bergkuppe gelänge eine Analogie zum industriellen Deponiehügel, sie kann die Jury aber in ihrer Formensprache nicht vollständig überzeugen. Gelungen sei die Ausbildung der Spiel-, Freizeit- und Sportlandschaften und ihre Integration in das vorhandene Gelände.
Als chancenreiche „Flächen im Wartezustand“ beschreibt der drittplatzierte Beitrag von Franz Reschke Landschaftsarchitektur, wiederum aus Berlin, das Gartenschau-Areal. Besonders hervorzuheben ist der Zugang zur Bergkuppe, die durch den Titel der Arbeit „Wir treffen uns am Horizont“ die Hauptrolle zugeschrieben bekommt: Sie ist von zwei Seiten über Stufenanlagen und zusätzlich einen sich um den Berg windenden Panoramaweg barrierefrei begehbar. Als etwas zu zurückhaltend für eine Landmarke, aber gleichzeitig poetisch stuft die Jury die Gestaltung des Berggipfels ein. Der Boden ist als Mul-de ausgeformt, die Promenade mit Sitzmöglichkeiten fasst sie kreisförmig ein. So gelingt der Arbeit mit wenigen Mitteln der Wechsel zwischen Rückzug und Weitblick. Der Entwurf bietet verschieden dichte Landschaftsräume und Wegestrukturen an, wobei die Jury das ausgedehnte Wegenetz im Auenwald kontrovers diskutierte. Wenn auch für die geplante Renaturierung der Bachläufe zu wenig Platz eingeplant sei, wurde die Gestaltung der Ufer gelobt.
Für alle drei Arbeiten lässt sich fraglos festhalten: Sie erlösen das Areal aus seiner Warteposition und geben es der Stadt zurück. Und wie könnte man den Blick auf das geschichtsträchtige Hambacher Schloss besser genießen als sitzend auf einem grünen Hügel, der Ausgedientes zu neuem, zukunftsfähigen Boden macht?
Eingeladener Realisierungswettbewerb
1. Preis (55.000 Euro) Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin
2.Preis (35.000 Euro) relais Landschaftsarchitekten Heck Mommsen, Berlin
3.Preis (25.000 Euro) Franz Reschke Landschaftsarchitektur, Berlin
4.Preis (17.000 Euro) huterreimann Landschaftsarchitektur, Berlin
Anerkennungen (je 11.000 Euro) RMP Stefan Lenzen Landschaftsarchitekten, Köln; Grow Landschaftsarchitektur Evers | Czerniejewski, Köln; Planorama Landschaftsarchitektur, Köln
Fachpreisrichter
Ulrike Kirchner, Anna Lundqvist, Uli Seher, Oliver Toellner, Udo Weilacher
Ausloberin
Stadt Neustadt an der Weinstraße
Ulrike Kirchner, Anna Lundqvist, Uli Seher, Oliver Toellner, Udo Weilacher
Ausloberin
Stadt Neustadt an der Weinstraße
Verfahrensbetreuung
a:dk architekten datz kullmann, Mainz
a:dk architekten datz kullmann, Mainz
0 Kommentare