Bauwelt

Es ist absolut richtig, Bestands­gebäude und Neubauten als Rohstofflager der Zukunft zu betrachten

Ein Gespräch über Strategien zur Zukunftsfähigkeit der Bauindustrie

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Foto: Schüco Int. KG

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Es ist absolut richtig, Bestands­gebäude und Neubauten als Rohstofflager der Zukunft zu betrachten

Ein Gespräch über Strategien zur Zukunftsfähigkeit der Bauindustrie

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Herr Engelhardt, die Bauwirtschaft ist gewaltig unter Druck geraten. Lieferengpässe und Inflation haben den Wohnungsbau und in Folge auch den Wirtschaftsbau gravierend beeinträchtigt. Was erwarten Sie in dieser Situation von der Politik?
Andreas Engelhardt: Ich erwarte in erster Linie, dass es kalkulierbare und verlässliche Entscheidungen gibt. Diskussionen über das richtige Wie und Ob finde ich in Ordnung, aber nicht über Monate. Wir haben eine lange Energiepreisdeckel-Diskussion gehabt und dann eine unsägliche Diskussion über die Wärmepumpe, die fast schon zur Religion geworden ist. Das Kapital, das wir in Deutschland brauchen, um Hunderttausende von Wohnungen zu bauen oder auch zu sanieren, liegt völlig auf Eis. Wir brauchen zinsvergünstigte KfW-Darlehen für Renovierung und Neubau. Und wir brauchen eine Politik, die für klare und verlässliche Rahmenbedingungen sorgt.
Wie reagieren Sie bei Schüco auf diese wirtschaftlichen Unsicherheiten?
Den Gegenwind spüren wir vor allem in Deutschland. Das macht uns Sorge, weil Deutschland das dauerhaft nicht verkraften kann. Wir selbst haben interne Programme aufgelegt, um unsere Prozesse effizienter zu gestalten. Wir konzen­trie­ren uns auf Angebote, die der Markt jetzt braucht. Da sind wir gut unterwegs.
Heute stehen der Lebenszyklus und die Wiederverwendung von Materialien und Bauteilen im Fokus. Wie tragen Sie als Unternehmen mit Ihren Produkten dazu bei?
Es ist absolut richtig, Bestandsgebäude und Neubauten als Rohstofflager der Zukunft zu betrachten. Wertstoffe sind nicht unbegrenzt verfügbar, deshalb müssen wir mit anderen Konzepten arbeiten. Dabei geht es um die gute Qualität der Gebäude mit entsprechenden Bausystemen und Produkten sowie um die Möglichkeit und den Service, diese Produkte auszutauschen und zu revitalisieren. Das ist etwas, was sich in Kürze stark weiterentwickeln wird. Wir stellen uns schon seit vielen Jahren darauf ein; wir haben zum Beispiel 76 zertifizierte Cradle-to-Cradle-Systeme im Portfolio. In diesem Jahr haben wir unser ganzheitliches Angebot Schüco Carbon Control präsentiert. Hier geben wir all unseren Kunden, Investoren, Planern, aber auch Verarbeitern und Betreibern, die Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck der Gebäudehülle aktiv und objekt­spezifisch zu steuern. Dafür haben wir Produkte und Services entlang des ganzen Gebäudenutzungszyklus unter diesem Aspekt zusammengefasst und bieten auch die Beratung dafür.
Ganz konkret: Bedeutet das, dass man Fassaden mit Profilen von Schüco demontieren und wieder neu aufbauen kann?
Man kann die Fassadensysteme rückbauen und die einzelnen Bestandteile und Materialien wieder dem Kreislauf zuführen, am besten wieder für eine neue Fassade. Ich habe auf der BAU in München in diesem Jahr darüber hinaus das Versprechen gegeben, dass wir alle Schüco-Produkte, egal ob alt oder neu, selbst wieder zurücknehmen werden und dem Materialkreislauf zuführen. Das gilt im Fall von Fenstern und Türen auch für das Glas. Bei Kunststoff machen wir das schon, bei Aluminium beginnen wir damit.
Das Thema Kreislaufwirtschaft ist bei Architektinnen und Architekten sehr populär. Dafür werden Datenbanken genutzt, in denen diese Bauteile gespeichert sind. Unterstützen Sie Architektinnen und Planer dabei?
Absolut. Um Bauteile zurückzunehmen, muss man sie kennzeichnen. Das machen wir mit IoF, dem Internet of Façades. Genauer gesagt in Form einer kleinen Plakette mit einem QR-Code, die wir auf all unsere Produkte aufbringen und hinter der die relevanten Informationen in Form eines digitalen Zwillings gespeichert sind: Aus welchem Material besteht es, aus welchen einzelnen Komponenten, wann wurde es eingebaut und wie sind beispielsweise die Wartungszyklen. Die Daten sind dabei offen und kompatibel zu anderen Datenbanken, beispielsweise zu Madaster.
Sie haben bei Schüco sechs strategische Fokusprojekte identifiziert. Eins davon heißt „Go circular“. Was hat es damit auf sich?
„Go circular“ soll unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, unseren Geschäftspartnern und unseren Kunden zeigen, dass eine zirkuläre Bauwirtschaft nur im Ganzen gedacht werden kann. Es reicht nicht aus, ein Recycling-Produkt anzubieten und damit sein Gewissen zu entlasten, wir müssen den gesamten Bauprozess von der Entstehung, Idee, Konstruktion, Planung bis zum Betreiben der Gebäude, sogar bis zum Rückbau denken.
Was muss geschehen, um die eigenen Klimaziele und die gesellschaftlich politischen Klimazielen zu erreichen?
In erster Linie ist es eine Aufgabe der Politik, aber auch der Unternehmer, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen und zu erhalten, die Klimaerwärmung zu reduzieren. Wir wollen unseren Beitrag leisten, wir sind bereit, auch etwas dafür zu geben, dass dies nicht nachlässt. Wenn wir die Akzeptanz der Menschen verlieren, sind diese Ziele nicht zu schaffen. Darüber mache ich mir wirklich Sorgen, das ist im Moment ganz besonders sensibel. Die Unternehmen sind dafür verantwortlich, die richtigen Produkte zur Verfügung zu stellen, preisbewusst zu sein und auch Angebote für Renovierungsprojekte zu entwickeln. Am Ende muss die Wertschöpfungskette klimaneutral sein, vom Materialeinkauf bis zum fertigen Produkt. Das wollen wir bis 2040 erreichen, diese Ziele geben wir nicht auf, und ich halte sie nach wie vor für realistisch.

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