Europan Deutschand entschieden: Wege zur lebendigen Stadt
Europan 16 ist entschieden. Für Ettlingen, Landshut, Schwäbisch Gmünd, Selb und Wernigerode haben junge Planungsteams Ideen entworfen, wie die Städte durch Eingriffe in Architektur und Städtebau Zukunfsquartiere entwickeln können. Alle Gewinner im Überblick.
Text: Imširović, Tino, Berlin
Europan Deutschand entschieden: Wege zur lebendigen Stadt
Europan 16 ist entschieden. Für Ettlingen, Landshut, Schwäbisch Gmünd, Selb und Wernigerode haben junge Planungsteams Ideen entworfen, wie die Städte durch Eingriffe in Architektur und Städtebau Zukunfsquartiere entwickeln können. Alle Gewinner im Überblick.
Text: Imširović, Tino, Berlin
Europan, Europas größter Ideenwettbewerb für Architekten und Stadtplaner unter vierzig, adressiert alle zwei Jahre Themen und Herausforderungen des Zusammenlebens in unseren Städten. Europan ist damit das wichtigste Verfahren des europaweiten Wettbewerbswesens für die Nachwuchsgeneration im Bereich Architektur und Städtebau. So auch seine inzwischen 16. Ausgabe unter dem Titel „Living Cities – Lebendige Städte“. Im Fokus stand die Transformation vernachlässigter und monofunktionaler Orte zu lebendigen und durchmischten Stadträumen durch Architektur und Städtebau. Im Rahmen des Verfahrens haben europaweit lokale Jurys mehr als tausend eingegangene Beiträge beurteilt und ihre Auswahl an die jeweiligen nationalen Preisgerichte weitergegeben. Für die fünf deutschen Europan Standorte entschied die Nationale Jury unter Vorsitz der Bremer Senatsbaudirektorin Iris Reuther aus 126 Kandidaten der Vorrunde für sechs erste Preise, drei Anerkennungen und zwei lobende Erwähnungen. Die Projektbeschreibung der jeweiligen Europan Städte:
Europan Standort Ettlingen
Die baden-württembergische Stadt Ettlingen stellt ein 16 Hektar großes Projektgebiet westlich der Innenstadt zur Debatte. In städtebaulich heterogener Gemengelage forciert sie die strategische Neuordnung eines leerstehenden Gewerbeareals. Neben dem Neubau des Betriebshofs der örtlichen Verkehrsbetriebe sollte auch der benachbarte Bahnhof Ettlingen-West zu einem intermodalen Mobilitätsknotenpunkt erweitert werden. Ferner erhofft sich die Stadt, durch das neue Quartier, bisher voneinander abgeschnittene Stadträume zu verbinden. Die prämierte Arbeit „Querbeet“ bildet über eine Abfolge öffentlicher Plätze eine Verbindung zwischen dem umgebauten Bahnhof und dem neuen Quartier aus: Von Norden kommend, führt diese durch eine Passage zum zentralen „Forum“ und findet ihren Abschluss in der „Arena“. Mit einem Mix aus Forschung, Gewerbe, Wohnen sowie sportlichen und kulturellen Nutzungen soll das Projekt ein neuer Baustein für die Entwicklung der mittelgroßen Stadt sein. Die Europan Jury lobte sowohl die klare städtebauliche Struktur, die sich um den zentralen Forschungscampus gruppiert, als auch die Ausdifferenzierung der öffentlichen Räume durch die Architektur. Das ebenfalls mit einem Preis ausgezeichnete Projekt „Multilayer City“ überzeugte das Preisgericht durch eine geschickte Anordnung von solitären Hofhäusern im Übergang von der Innenstadt über den Bahnhofsplatz hin zum Quartier im Südosten des Plangebiets. Konzeptionelle Kernidee ist dabei das Übereinanderschichten von Wohnen und Arbeiten sowie die Kopplung von Mobilitätsangeboten und Ver- und Entsorgungssystemen. Über die angedachte prozesshafte Entwicklung der Blockstrukturen diskutierte die Jury jedoch kontrovers.
Europan Standort Landshut
Um auf zukünftige Herausforderungen besser reagieren und die eigene Entwicklung gezielter steuern zu können, beabsichtigt die bayerische Stadt Landshut die Umsetzung eines Stadtentwicklungskonzepts unter Beteiligung der Bürgerschaft. Ein Leuchtturm für die Revitalisierung bestehender städtischer Strukturen könnte das Areal der ehemaligen Justizvollzugsanstalt werden. In räumlich attraktiver Umgebung, eingeklammert von Altstadt und Isar, könnte der denkmalgeschützte Gebäudekomplex als städtebauliches Scharnier zwischen diesen Räumen vermitteln. Doch auch programmatische Vorschläge zur Nutzung der historisch bedeutsamen Bauten waren von den Europan-Teilnehmern gewünscht. Hierzu schlagen die Preisträger aus den Niederlanden ein digitales Archiv- und Informationszentrum für Kulturgüter in Europa vor. Damit greifen sie eine Anfang 2021 vorgestellte Initiative der Europäischen Union auf, und verorten sie in dem ehemaligen Gefängnis. Die Idee ist, die ehemaligen Insassenzellen ohne bauliche Veränderungen als Serverräume umzunutzen. Die Flächen im Erdgeschoss sowie im ersten Obergeschoss könnten Raum für Begegnungs- und Arbeitsflächen bieten. Neben der vorgeschlagenen Aneignung als Archiv lobte die Jury insbesondere die geplanten Zugangs- und Verbindungsmöglichkeiten zu den angrenzenden Grünflächen und der Isar.
Europan Standort Selb
Wiederholungstäter beim Europan ist die Stadt Selb. Die bayerische Kleinstadt an der tschechischen Grenze nimmt zum vierten Mal teil, und das Terrain scheint den diesjährigen Preisträgern zu liegen: Nach ihrem Gewinn in erweiterter Konstellation beim Europan 13 (Bauwelt 3.2016) haben Iñigo Cornago Bonal und Claudia Sánchez Fernández aus Spanien nun erneut mit ihrem Konzept überzeugen können. Ihr Siegerentwurf zielt auf einen ökologisch aufgewerteten Stadtraum, und knüpft an ihre vorangegangene Arbeit an, die in einem „Städtebau-Werkzeugkasten“ zur Weiterentwicklung der Innenstadt bestand. Nun rückte ein ungefasster, zentral gelegener Stadtraum in den Mittelpunkt. In der Auslobung waren Entwurfsbeiträge gefragt, die unter anderem mit inklusiven und generationsübergreifenden Wohnkonzepten auf Leerstand reagieren sollten und dem Mangel an ansprechenden öffentlichen Räumen etwas entgegenzusetzen haben. Der Beitrag „Selb Step by Step“ bettet konkrete Entwicklungsschritte in ein Netz verschiedener Maschenweite ein: Neben flexibel nutzbarer Wohnbebauung sind darin kleinmaßstäblich Nischen für Stadtnatur angedacht und in größerem Maßstab Möglichkeiten CO2 im Stadtverkehr einzusparen. Für die Europan Jury stellte die strategische Herangehensweise und die detaillierte Auseinandersetzung mit dem stadträumlichen Kontext eine besondere Qualität der Arbeit dar. Trotz einiger Mängel auf architektonischer Entwurfsebene, sah das Preisgericht das Projekt als eine „überzeugende Antwort auf die innerstädtische Entwicklung von im Strukturwandel begriffenen Kleinstädten“.
Europan Standort Schwäbisch Gmünd
In Stuttgart schickt sich die Internationale Bauaustellung (IBA) an, bis 2027 die Idee der „Stadtregion“ neu zu verhandeln. Die Ausstellungsmacher wollen dabei unter anderem neue Perspektiven auf die polyzentrische Metropolregion eröffnen. Eines ihrer Subzentren – und Standort zweier IBA-Projekte – ist die Stadt Schwäbisch Gmünd. Im Rahmen von Europan wünschte sie sich die Umplanung einer bislang unstrukturierten Randlage in ein gemischt genutztes Quartier als Entrée im Westen. Hierfür schlagen die Preisträger eine Kombination aus einem weitläufigen Freiraumnetz und kleinteilig ausgearbeiteten Quartiersbausteinen vor. Die bestehende Architektur soll behutsam um Neubauten mit gemischten Nutzungen ergänzt werden. Eine besondere Rolle kommt den Dachflächen zu, die für Energiegewinnung und urbane Landwirtschaft genutzt werden sollen. Außerdem wird ein zentraler Turmbau als weithin sichtbare Landmarke eingefügt, und werden die Flussläufe der Rems und des Mühlbachs als Orte der Naherholung aufgewertet. Dieses „Grüne Band“ würdigte die Jury als strukturierendes Element zwischen den verschiedenen Räumen des Konzepts und sieht die Arbeit als gutes Grundgerüst für eine weitere Entwicklung.
Europan Standort Wernigerode
Auch die einzige vertretene Kommune aus Ostdeutschland kämpft mit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Um eine weitere Abwanderung gerade junger Familien in die Umlandgemeinden zu verhindern, möchte Wernigerode im Harz attraktive Angebote innerhalb des eigenen Stadtgebietes schaffen. Für den Wettbewerb stellte sie zwei Grundstücke auf einem circa acht Hektar großen, teils bebauten Areal zur Verfügung. Viele der dort befindlichen Siedlungshäuser mit Selbstversorgergärten sind aktuell stark überformt. Mit Referenz auf die Gartenstadtbewegung, wünscht sich die Stadt Vorschläge zu leistbaren und integrativen Wohnkonzepten und vielfältig nutzbaren Freiräumen. Das Preisträgerprojekt „Duet“ bietet, als Ergänzung zum Bestand, einen Mix an Geschosswohnungen mit Laubengangerschließung, Maisonette-Wohnungen und nutzungsoffenen Bereichen an. Für den Freiraum skizzieren die Verfasser ein engmaschiges Wegenetz, das durch Pavillons ergänzt wird. Das Preisgericht lobte die Schlichtheit der Baukörper sowie ihre clevere innere Organisation, die vielfältige Kombinationsmöglichkeiten zulässt.
Mehr auf www.europan.de
Europan 16 „Living Cities“
Europäischer Städtebau- und Architekturwettbewerb für junge Architekt innen und Planer innen unter 40 Jahren.
Auslobung Europan Deutschland
Europan Deutsche Gesellschaft zur Förderung von Architektur, Wohnungs- und Städtebau e.V. (kurz Europan e. V.)
Europäischer Städtebau- und Architekturwettbewerb für junge Architekt innen und Planer innen unter 40 Jahren.
Auslobung Europan Deutschland
Europan Deutsche Gesellschaft zur Förderung von Architektur, Wohnungs- und Städtebau e.V. (kurz Europan e. V.)
Die Städte
Ettlingen
Preis (6000 Euro) „Ettlingen Querbeet“:
Marleen Wenkow, Isabel Gierok, Nina Pfeiffer, Todor Nikolaev Nachev
Preis (6000 Euro) „Multilayer City“:
Sabine Tastel, Björn Simon, Jannik Mause, Milena Zampich, Fabius Kerstein, Tobias Trutzenberger, Tim Pertl, Sabine Wittmann, Nele Lesemann
Preis (6000 Euro) „Ettlingen Querbeet“:
Marleen Wenkow, Isabel Gierok, Nina Pfeiffer, Todor Nikolaev Nachev
Preis (6000 Euro) „Multilayer City“:
Sabine Tastel, Björn Simon, Jannik Mause, Milena Zampich, Fabius Kerstein, Tobias Trutzenberger, Tim Pertl, Sabine Wittmann, Nele Lesemann
Landshut
Preis (12.000 Euro) „Archive of European Culture“:
Jorik Bais, Alexandra Heijink
Lobende Erwähnung „Medieval Experimentarium“:
Aleksa Bekic, Andela Karabeševic, Marija Matijevic, Ana Petrovic, Vladislav Sudzum
Preis (12.000 Euro) „Archive of European Culture“:
Jorik Bais, Alexandra Heijink
Lobende Erwähnung „Medieval Experimentarium“:
Aleksa Bekic, Andela Karabeševic, Marija Matijevic, Ana Petrovic, Vladislav Sudzum
Schwäbisch Gmünd
Preis (12.000 Euro) „Viriditas Ante Portas“:
Tom Macht, Falk Jähnig, Simona Rošer, Kriss Edouard Gabriel, Hong Trang Mai
Anerkennung (6000 Euro) „Gmünder Talfinger“:
Marcel Troeger, Michael Fay
Lobende Erwähnung „Schwäbisch Gmünd: Rise“:
Huyen Trang Dao, Simon Gerhmann, Young Eun Ha, Mai Quynh Lai
Preis (12.000 Euro) „Viriditas Ante Portas“:
Tom Macht, Falk Jähnig, Simona Rošer, Kriss Edouard Gabriel, Hong Trang Mai
Anerkennung (6000 Euro) „Gmünder Talfinger“:
Marcel Troeger, Michael Fay
Lobende Erwähnung „Schwäbisch Gmünd: Rise“:
Huyen Trang Dao, Simon Gerhmann, Young Eun Ha, Mai Quynh Lai
Selb
Preis (12.000 Euro) „Selb Step by Step“:
Iñigo Cornago Bonal, Claudia Sánchez Fernández
Preis (12.000 Euro) „Selb Step by Step“:
Iñigo Cornago Bonal, Claudia Sánchez Fernández
Wernigerode
Preis (12.000 Euro) „Duet“:
Francesco Baggio, Erasmo Bitetti, Federico Giorgio, Clara Faccio
Anerkennung (3000 Euro) „Domestic Machines“: Pedro Pitarch Alonso
Anerkennung (3000 Euro) „United Gardens of Wernigerode“:
Moritz Ahlers, Patxi Martín Domínguez, Paul Schaeger, Josep Garriga Tarrés, Natalia Vera Vigaray
Preis (12.000 Euro) „Duet“:
Francesco Baggio, Erasmo Bitetti, Federico Giorgio, Clara Faccio
Anerkennung (3000 Euro) „Domestic Machines“: Pedro Pitarch Alonso
Anerkennung (3000 Euro) „United Gardens of Wernigerode“:
Moritz Ahlers, Patxi Martín Domínguez, Paul Schaeger, Josep Garriga Tarrés, Natalia Vera Vigaray
Nationale Jury
Timo Munzinger, Iris Reuther, Saskia Hebert, Marika Schmidt, Kyung-Ae Kim-Nalleweg, Anna Popelka, Thorsten Erl, Ali Saad, Kaye Geipel, Irene Wiese-von Ofen
Mehr zu den Vorläufer-Verfahren Europan 12, 13, 14 und 15, siehe unten
Timo Munzinger, Iris Reuther, Saskia Hebert, Marika Schmidt, Kyung-Ae Kim-Nalleweg, Anna Popelka, Thorsten Erl, Ali Saad, Kaye Geipel, Irene Wiese-von Ofen
Mehr zu den Vorläufer-Verfahren Europan 12, 13, 14 und 15, siehe unten
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