Bauwelt

Gefesselt in Zehlendorf

Im Haus am Waldsee in Berlin setzt Konstantin Grcic seine Entwürfe in Szene: Design als Ausdruck von Veränderungen des Alltags

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    Blicke in die Ausstellung, in der Grcic seine De-signs wie den Bürodrehstuhl Allstar, den Miura Tisch oder den Myto Stuhl ungewöhnlich inszeniert.
    Fotos: Florian Böhm

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    Blicke in die Ausstellung, in der Grcic seine De-signs wie den Bürodrehstuhl Allstar, den Miura Tisch oder den Myto Stuhl ungewöhnlich inszeniert.
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Gefesselt in Zehlendorf

Im Haus am Waldsee in Berlin setzt Konstantin Grcic seine Entwürfe in Szene: Design als Ausdruck von Veränderungen des Alltags

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Seit fast zehn Jahren ermöglicht das Haus am Waldsee im Berliner Vorort Zehlendorf neben Kunstschaffenden auch Designern, Architektinnen und Architekten ihre monografischen Ausstellungen selbst zu konzipieren, wie zuletzt dem Büro Barkow Leibinger (Bauwelt 18.2020). Ak­tuell bespielt der Designer Konstantin Grcic (*1965) unter dem Titel „New Normals“ die gediegenen Räume mit ausgewählten Stücken aus seiner dreißigjährigen Praxis.
Zunächst erstaunt die Ausstellung. Weniger, weil die farbigen Möbel verloren in den weißen Räumen wirken, und, wie aus dem Interview im Katalog zu erfahren ist, bewusst nicht als Einrichtung des einst zum Wohnen errichteten Hauses gesehen werden sollen. Letztlich hat Grcic stets singuläre und reduzierte Objekte entworfen; anders als die klassische Moderne freilich spielerisch und aufgrund der oft verwendeten Kunststoffe weich gerundet.
Es ist die Art der Präsentation, die die Augenbrauen hochziehen lässt: der Armlehnsessel Bell Chair ist mit Motorradschlössern an Rammschutzbügel gekettet, die Hocker stool tool zieren Antennen, das Chaiselounge Traffic ist mit Halterungen an tentakelartigen Stangen bestückt und der Bürodrehstuhl Allstar an drei Gerüststangen gefesselt.
Mit Verfremdungen und kleinen Interventionen will Grcic die Möglichkeiten jenseits der Funktion skizzieren und hingenommene Gewissheiten infrage stellen. Denn die Pandemie habe die Realität verändert und den Menschen eine zuvor unvorstellbare Flexibilität in allen Lebens­bereichen abverlangt. „New Normals“ spielt mit Erneuerungen, die sich in den Alltag einschleichen und dann selbstverständlich erscheinen, wie beispielsweise das Smartphone, das vor zwanzig Jahren jenseits aller Vorstellungen lag und heute allgegenwärtig, ja notwendig ist, schon um sich für Besuche öffentlicher Einrichtungen anmelden zu können.
In der Gestaltung der das Leben verändernden Dinge sieht Grcic die Aufgabe des Produktdesigners, der genau beobachtet und dadurch die Zukunft unter der Oberfläche der Gegenwart erkennt. Das Ziel ist ein Produkt, das in Beziehung zum Menschen tritt.
Im Gästebuch kommentierte jemand: „Interessant, aber man sollte das anfassen dürfen.“ Ein weniger zögernder Besucher lehnte sich an den Rammschutzbügel, der mit einem großen Knall umfiel. Ins Parkett zu schrauben, wäre wohl eine zu kühne Veränderung gewesen.

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