Bauwelt

Im Gleichtakt

Industriefotografie im geteilten Deutschland, eine Ausstellung im DHM Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Arbeiterin an der Montagestraße des Trabant P 60, 1962.
    Foto: August-Horch-Museum

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    Arbeiterin an der Montagestraße des Trabant P 60, 1962.

    Foto: August-Horch-Museum

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    Hochöfen im Stahlwerk Rheinhausen Fritz Henle Rheinhausen 1967.
    Foto: Deutsches Historisches Museum, Fritz Henle Estate

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    Hochöfen im Stahlwerk Rheinhausen Fritz Henle Rheinhausen 1967.

    Foto: Deutsches Historisches Museum, Fritz Henle Estate

Im Gleichtakt

Industriefotografie im geteilten Deutschland, eine Ausstellung im DHM Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Im Museum ist die DDR endlich so groß, wie sie zu Lebzeiten gerne gewesen wäre. Das Deutsche Historische Museum (DHM) teilt seine Ausstellung zur „Industriefotografie im geteilten Deutschland“ streng hälftig auf West und Ost auf, dabei unterschlagend, dass die Industrie westlich der Elbe um ein Mehrfaches bedeutender war als jene östlich davon.
Das hat zur Folge, dass die Betriebe und Fabriken der Planwirtschaft deutlich umfassender in den Blick genommen werden; denn es gab ja weniger oder, wie im Falle der Automobilindustrie, überhaupt nur einen einzigen Hersteller. Auf westlicher Seite entfällt die so enorm bedeu­tende Werkzeugmaschinenbranche, die die ganze Welt mit nützlichen Dingen versorgt, von der Spezialschraube bis zur Tunnelbohrmaschine.
Sei’s drum. Die Ausstellung unter dem Titel „Fortschritt als Versprechen“ beschränkt sich auf die Industriezweige Bergbau, Stahl, Automobilbau, Chemie und Textil. Sie will zugleich die Fotografie in reiner Form zeigen als auch deren Verwendung in Firmenpublikationen und Werbematerialien. Vielfach gelang den Kuratorinnen Carola Jüllig und Stefanie Regina Dietzel die Gegenüberstellung von Originalabzügen, wie sie die Fotografen machen ließen, mit der Verwendung in Werkszeitschriften oder in der DDR auch in regelmäßigen Reportagen von Illustrierten. Die übersichtliche Ausstellungsarchitektur stellt Betrieben im Westen solche im Osten gegenüber, streng auf gleichmäßige Repräsentation bedacht. In zahllosen Vitrinen liegen Druckerzeugnisse, viele sichtbar gealtert; sie waren schließlich nicht auf lange Haltbarkeit ausgelegt. Man staunt und freut sich, dass doch so viele Schätze gehoben werden konnten, nachdem seit dem Epochenbruch von 1989/90 mit der Digitalisierung und zumal der Abwicklung von „volkseigenen“ Kombinaten zahllose Firmenarchive auf der Müllkippe gelandet sind. Die Ausstellung darf durchaus, über ihr eigentliches Thema der Fotografie hinaus, als eine Verbeugung vor der Epoche der Industrialisierung in ihrem letzten Aufschwung verstanden werden. Der erstreckte sich über die die drei Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die in Frankreich „Trente Glorieuses“ genannt werden.
Und „glorreich“ waren sie. Industriefotografie hat die Aufgabe, die Leistungen der Betriebe herauszustellen, mit Beschäftigten, die mit Ernst und Eifer bei der Sache sind; die zugleich erahnen lassen, dass sie sich mit ihrer Arbeitsleistung ihren eigenen Wohlstand erschaffen. Warum sonst würde die Arbeiterin am Montageband des „Trabant“ so sorgsam frisiert zu Werke gehen, wartete nicht ein Feierabend im neuen Heim auf sie! Im selben Jahr 1963 steht ihr die Näherin in den Opelwerken Rüsselsheim an Chic nicht nach. Doch „was wir auf den Bildern der Ausstellung sehen,“ mahnt die Zeithistorikerin Annette Schuhmann im Ausstellungskatalog, „sind Inszenierungen der Wirklichkeit.“ Das Fließband als sprichwörtlicher Ausdruck entfremdeter Indus­triearbeit soll durch die persönliche Note geschönt werden. Wenn eine Arbeiterin zwischen zwei schier endlosen Reihen von Garnrollen einer Spinnmaschine steht, wie 1965 auf der Aufnahme aus dem VEB Baumwollspinnerei Leinefelde oder ganz ähnlich in der Augsburger Kammgarnspinnerei 1985, dann lässt sich die Mono­tonie immer gleicher Handgriffe allerdings nicht mehr leugnen.
In der Montanindustrie, in Bergbau und Stahl, blieb insofern ein enges Verhältnis von menschlicher Arbeit und dinglichem Arbeitsprozess bestehen. Es kommt, so vermitteln es die Fotografien, auf den Einzelnen und sein Können an. Bergleute und Stahlkocher werden als faustische Bezwinger der Urkräfte gezeigt, gern im Staub der Stollen und Förderbänder wie im Funkenregen des Stahlabstichs. Schwer zu sagen, ob Farb- oder Schwarzweißfotografie die eindrücklicheren Bilder liefert; im untersuchten Zeitraum jedenfalls halten sie sich als Medium der Berufsfotografen die Waage.
Wenn hier Beispiele aus Bundesrepublik und DDR in einem Atemzug genannt werden, so spiegelt das die Industriefotografie wider: „Bis hin zur Ästhetik der industriellen Umgebung sind sich die Bilder aus Ost und West auffallend ähnlich“, heißt es im Katalog. So reich die Bestände des DHM auch sind, es bedurfte der Archive von Firmen und Museen in dreißig Städten, um diese Ausstellung zusammenzutragen. Man wünschte sie sich in vergleichbarer Form als Dauerausstellung, um jüngeren Generationen anschaulich zu machen, durch welch harte Arbeit der Wohlstand zustande kam, von dem die heutige Zeit immer noch zehrt. Auch wenn sie nur mehr die Kehrseite der Naturzerstörung wahrnehmen will.

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