Mosaik, Moderne, Marmor und Monotonie
Text: Flagner, Beatrix, Berlin
Mosaik, Moderne, Marmor und Monotonie
Text: Flagner, Beatrix, Berlin
In einem Reiseblog steht über Taschkent geschrieben, dass es innerhalb der nächsten fünf Jahre einen ähnlichen Hype erleben könnte wie derzeit Tbilisi. In zwanzig Jahren werde die usbekische Hauptstadt sogar zu einer der Kulturhauptstädte der Welt zählen. Die zweite Prognose könnte sogar früher eintreten, denn kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe erkannte am 26. März das Ministerkabinett in Usbekistan die Fassadenkunst mit Mosaiken aus der Zeit der Sowjetmoderne als Kulturerbe an. Diese Entscheidung umfasst etwa 160 Mosaike nicht nur in Taschkent, sondern auch in anderen Städten des Landes und platziert sie auf der nationalen Liste des materiellen Kulturerbes. Philipp Meuser, Gastredakteur der Ausgabe, und Alexander Federov, Autor in diesem Heft, setzen sich schon seit Jahren für die Wertschätzung dieser Architektur in Usbekistan ein.
Das Vorhaben der usbekischen Regierung ist nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich und politisch motiviert: In dem Beschluss heißt es, dass die Anerkennung der Fassadenkunstwerke bei der Entwicklung des touristischen Potenzials des Landes helfen soll. Es ist aber auch Teil einer Strategie des autoritär herrschenden usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev, internationale Anerkennung zu erlangen und die Position des Landes als Hauptakteur in Zentralasien zu stärken. Wie schon bereits sein Vorgänger Islam Karimow demonstriert er das unter anderem durch Architektur und Stadtplanung (Seite 32). Das Megaprojekt „Tashkent City“ ist das größte Stadterneuerungsprojekt seit den 1990er Jahren. Seine Wolkenkratzer stehen nicht nur im Kontrast zu den sowjetischen Relikten, sondern auch zu den traditionellen Wohnvierteln, den Mahallas, die dafür weichen müssen.
Turkmenische Realität
Die Einreise in das südliche Nachbarland ist nur möglich, wenn von einer privaten oder offiziellen Stelle eine Einladung vorliegt. Ausländische Medien haben praktisch keinen Zugang zum Land, und ihre wenigen freiberuflichen Korrespondenten vor Ort unterliegen strenger Beobachtungen. Immer wieder gibt es Berichte über Drangsalierungen, Reisepassentzug oder temporäre Festnahmen. Das trägt dazu bei, dass sich die allgemeine Berichterstattung über Turkmenistan auf Reiseerinnerungen reduziert und damit nur ein unvollständiges Bild des Landes entsteht. Unseren Gastredakteur verschlägt es beruflich immer wieder nach Zentralasien und er berichtet über eine Planungs- und Baukultur, die vor weißem Marmor und Monotonie strotzt und die Notwendigkeiten einer zunehmend verarmenden Bevölkerung ignorieren.
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