Bauwelt

Neues Leben aus Ruinen

Das chinesische Atelier Deshaus stellt im Berliner Aedes Architekturforum aus

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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So können Getreidespeicher zu einem Kunstmuseum werden: Atelier Deshaus hat sich auf die Nachnutzung von Industriebauten spezialisiert.
Foto: Su Shengliang

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So können Getreidespeicher zu einem Kunstmuseum werden: Atelier Deshaus hat sich auf die Nachnutzung von Industriebauten spezialisiert.

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Neues Leben aus Ruinen

Das chinesische Atelier Deshaus stellt im Berliner Aedes Architekturforum aus

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

China vollzieht alle Entwicklungsschritte in beschleunigtem Tempo. War es zunächst die „nachholende Modernisierung“, die das Land zu einem Industriegiganten werden ließ, so folgte seit der Marktrevolution der späten siebziger Jahre die Etablierung der Dienstleistungsbranchen und parallel dazu die Ablösung der Indus­trie, nach deren allmählichem Verschwinden sich die Frage des Umgangs mit den baulichen Hinterlassenschaften stellt.
Das 2001 von den Shanghaier Universitätsabsolventen Liu Yichun und Chen Yifeng gegründete Atelier Deshaus hat den ressourcenschonenden Umgang mit dem Erbe des Industriezeitalters zu seiner Leitlinie erkoren. Im Aedes Architekturforum werden neun Projekte gezeigt, die entlang des Flusses Huangpu, der Lebensader Shanghais, realisiert worden sind. Hinzu kommen vier neue Projekte anderenorts in China, die die Grundhaltung des Büros unterstreichen.
Auch in China, dessen Volkswirtschaft stark von der Bauindustrie befeuert wird, kommt der Nachnutzung eine wachsende Bedeutung zu. Die „graue Energie“ des einmal Gebauten darf nicht länger durch Abriss vergeudet werden. Atelier Deshaus liefert keine Globalkonzepte, sondern beweist mit seinen Projekten, welche Potenziale in den zumeist sich selbst überlassenen Indus­triebrachen zu wecken sind.
So verwandelte das Büro eine erst 1995 aus 30 Zylindern errichtete, 48 Meter hohe Siloanlage am Fluss, die bereits zwei Jahrzehnte später wieder aufgegeben wurde, in ein Ausstellungsgebäude. Jeweils die unterste und die oberste Ebene wurden zu durchgängig benutzbaren Hallen, die Etagen dazwischen durch Wanddurchbrüche zu Folgen von Raumkompartimenten. Vier Silos nehmen Fluchttreppenhäuser auf, die allgemeine Erschließung jedoch erfolgt über eine Rolltreppe an der dem Fluss zugewandten Außenseite nach Art der berühmten Anlage am Centre Pompidou. Wie dort bieten sich spektakuläre Ausblicke, hier auf die Silhouette der Bankentürme in Pudong, der Schwesterstadt Shanghais und eine der Sonderwirtschaftszonen, in denen das chinesische Wirtschaftswunder seinen Anfang nahm.
Die endgültige Nutzung des „80.000-Tonnen-Getreidesilos“ bleibt dabei variabel. Im Vordergrund steht der möglichst schonende Umgang mit der Substanz. So auch beim „Long Museum West Bund“, das die 110 Meter lange Entladungsbrücke eines früheren Kohlehafens in den Neubaukomplex integriert und die gleichfalls aus Beton geformten, an Louis Kahn erinnernden Gewölbedecken des Neubaus respektvoll bis über den Bestand zieht. Solche Wölbungen finden sich wieder beim Museum für zeitgenössische Kunst in Taizhou, einem der vier Projekte außerhalb Shanghais. Liu Yichun, der zur Ausstellungseröffnung nach Berlin gekommen ist, begründet sie mit der versteckten Führung der Installa­tionsleitungen in den Hohlräumen zwischen aneinander stoßenden Wölbungen.
Eine ehemalige Kohleentladestation am Huangpu, in deren Hafenbecken Betontrümmer allmählich von der Natur überwuchert werden, haben die Architekten so belassen, wie sie sie vorgefunden haben – jedoch mit einem metallenen Laufgang und zusätzlicher Überdachung versehen, so dass sich ein Ort der Kontempla­tion ergeben hat. Von hier aus sind es nicht die Hochhäuser, sondern die prosaischen Hafenkräne, auf die sich der Blick richtet.
Auch das Shanghaier Museum für moderne Kunst entspross den Ruinen des Kohlezeitalters. Der gewaltige Kohlebunker nahe dem Stadt­­­-zen­trum wurde entgegen der ursprünglichen Absicht der Lokalpolitik erhalten und zu einem mehrgeschossigen Horizontalbau umgeformt. Verkleidet mit Aluminium und Glas, ist der Umbau von außen nicht zu erkennen. In der Erdgeschossebene jedoch verweisen die über den Köpfen mündenden Auslassöffnungen der acht Kohleschächte auf die ursprüngliche Funktion des Gebäudes.
Unter den außerhalb Shanghais realisierten Vorhaben sticht das sogenannte Obere Kloster in den Bergen von Jinshan hervor. Die terrassenförmig in die ansteigende Berglandschaft gebetteten Gebäudeteile aus Sichtbeton blicken auf einen transparenten Pavillon mit asymmetrisch geformtem und trichterförmig auslaufendem Dach. Es besteht aus einem von dünnen Stützen getragenen, mit einem Stahlnetz verstärkten Polymermörtel und bildet einen markanten Kontrast zur Blockhaftigkeit der Betongebäude.

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