Bauwelt

Rob Krier

1938–2023

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Foto: CKSA

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Rob Krier

1938–2023

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Rob Krier konnte sich schnell echauffieren, wenn er über Stadtplanung sprach. Er ertrug die Verunstaltungen, den gebauten „Schund“ von der Nachkriegszeit bis heute nicht. Während eines Vortrags im kleinen Veranstaltungssaal der Botschaft seines Großherzogtums Luxemburg in Berlin drohte an einem Moment sogar das Rednerpult vorne überzukippen. In einem Interview anlässlich seines 80. Geburtstags war mit Blick auf die Europa-City am Berliner Hauptbahnhof zu lesen: „Dieser repetitive Dreck in den Städten – das ist öffentliche Kriminalität, Baukriminalität!“
Krier hat sich immer und überall leidenschaftlich für sein Anliegen einer anderen, vielfälti-gen Stadtarchitektur und -reparatur in einem tradierten System von Gassen, Straßen, Plätzen und kleinteiliger Nutzung eingesetzt. Er war aber nicht nur Stadtplaner, sondern auch Architekt, Maler und Bildhauer. Sein künstlerisches Interesse war schon in der Kindheit geweckt: „Zwölf Jahre dürfte ich alt gewesen sein, als mein Vater mich im Garten entdeckte, wie ich mit Hammer und Meißel einen Stein bearbeitete. Ich wollte einen Hirten der Weihnachtskrippe nachformen. Er erkannte die Hilflosigkeit meines Unterfangens und riet mir, eine alte Schuhschachtel zu suchen, sie mit flüssigem Gips zu füllen und in das frisch erhärtete Material mit einem feinen Küchenmesser zu schnitzen.“
Nach dem Architekturstudium an der Universität München, Stationen bei Oswald Mathias Ungers und Frei Otto, Assistentenzeit in Stuttgart, eine Gastprofessur in Lausanne, Bürogründung in Wien und die Zeit von 1976 bis 1998 als Professor für Architektonische Gestaltungslehre an der TU Wien kam er schließlich nach Berlin. 1993 gegründete Krier hier mit seinem Büropartner und Schwiegersohn Christoph Kohl ein Büro, der fortan seine Skizzen und Zeichnungen in gebaute Architektur umsetzte.
Krier musste viel Kritik ertragen. Sein Bild der Stadt war schwelgerisch in der Vergangenheit verwurzelt, man kann auch sagen romantisierend. Er sehnte sich nach dieser Vielfalt gewachsener Stadtstrukturen, wie sie sich über Jahrhunderte entwickelt haben und wollte sie mit seinen Projekten nachempfinden, befasste sich dabei aber als „Stadt-Arrangeur“ vor allem mit deräußeren Gestalt, legte wenig Augenmerk auf das Handwerkliche und das Innere, vor allem die Wohnungsgrundrisse, die oft verwinkelt sind, mit Möbeln schwierig einzurichten.
Seine ersten wichtigen Bauten entstanden im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1984/87 Berlin: An der Rauchstraße entwickelte der den Masterplan für das Quartier, baute das Entree-Doppelhaus mit Durchgang an der Stülerstraße und dahinter eine der Stadtvillen. An der Ritterstraße realisierte er zwei Häuser mit Wohnhof als Teil der großen Blockbebauung, für die er 1977 eine städtebauliche Studie geliefert hatte. In den frühen 1990er Jahren folgte in Potsdam mit Aufbau-Ost-Programm die Planung des Neubauprojekts Kirchsteigfeld, das mit weiteren Architekten nach seiner Vorstellung von Stadt in Teilen ausgeführt wurde. Später folgten mehrere Projekte in den Niederlanden, zum Beispiel das zu Helmond gehörende Brandevoort. Krier entwickelte auch hier den Rahmenplan für den Ort und legte ein Gestaltungshandbuch fest, anknüpfend an eine klassische „brabantische Stadt“ mit kleinen Reihenhäusern. In Amsterdam entstand das große Wohn- und Büroquartiere „De Resident“ – auch hier in Partnerschaft mit anderen Architekten. 2008 wurde Kriers und Kohls „Cité Judiciaire“ in Luxemburg fertig. Die Anknüpfung an historische, zum Teil monumentale Bauformen für ein neues Justizzentrum sorgte für Unverständnis. 2011 wurde sein letztes Großprojekt fertig, ein überladen dekorierter Bilderbuch-Baublock in Bilbao.
Kriers gebaute Architektur ist inzwischen aus der Zeit gefallen, wird aber in den Niederlan-den weiterhin geschätzt, wie Christoph Kohl feststellt. Seine Vorstellungen hat Krier schon früh 1975 in seinem Buch „Stadtraum in Theorie und Praxis“ dargelegt, das nach Erscheinen viel Beachtung fand. Nach einer Übersicht und Analy-se der Gründe der „Stadtzerstörung“ stellt er seine Gegenentwürfe am Beispiel der Stuttgarter Innenstadt vor. Es folgten zahlreiche weitere Bücher. Zuletzt erschien 2021 „The Work: Architecture, Urban Design, Drawings, Sculptures“ auf 1344 Seiten in zwei Bänden. 2005 und 2019 widmete sich das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt am Main dem Werk von Krier. Der Architekt hat dem Museum sein gesamtes architektonisches Œuvre vermacht. Rob Kriers jüngerer Bruder Léon, ebenfalls Architekt und Künstler, schlug in seinen Schriften und Projekten einen ähnlichen, teilweise noch konsequenteren Weg der Stadtplanung ein. Gebaut hat er sehr wenig.
Neben Wien und dann Berlin lebte Rob Krier auch in der kleinen Ortschaft Duomo an der italienischen Riviera. Dort arbeitete er an seinen teilweise überlebensgroßen Figuren, meist Körperfragmenten, die in ihrer Gestik klassischen Idealen folgen – ein wenig Michelangelo oder auch Rodin. Zuvor war sein Atelier viele Jahre in der Provence. Die Büste mit Goldmaske von 1984 an der Fassade in der Rauchstraße in Berlin gibt einen Eindruck seines plastischen Werks. Bereits in Wien und später in den Niederlanden wurden die Bauten von ihm mit seinen Kunstwerken ergänzt. In Barcelona steht seine Skulptur eines katalanischen Dichters, in Pforzheim sein Flößer-Denkmal.
In Erinnerung bleibt ein Architekt, Bildhauer und Hochschullehrer voller emotionaler Nostalgie, Protestenergie, aber auch Lebensfreude, derin einer Phase der allgemeinen Neuorientierung, die man Postmoderne nennt, seine eigene baukünstlerische Position einnahm. Rob Krier ist am 20. November letzten Jahres im Alter von 85 Jahren in Berlin gestorben.

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