Verfechter des öffentlichen Raums
Roberto Burle Marx (1909–1994) war Landschaftsarchitekt, Maler, Bildhauer, Bühnenbildner, Designer, Umweltaktivist. Die Kunsthalle der Deutschen Bank in Berlin präsentiert das Werk des Brasilianers
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Verfechter des öffentlichen Raums
Roberto Burle Marx (1909–1994) war Landschaftsarchitekt, Maler, Bildhauer, Bühnenbildner, Designer, Umweltaktivist. Die Kunsthalle der Deutschen Bank in Berlin präsentiert das Werk des Brasilianers
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Mit dem Hochhaus für das Erziehungs- und Gesundheitsministerium in der damaligen Hauptstadt Rio de Janeiro zog die Moderne in die Architektur Brasiliens ein. Das frühe Meisterwerk von Oscar Niemeyer und Lúcio Costa, zwischen 1937 und 1942 geplant und errichtet, brachte den beiden Architekten frühen Ruhm und führte schließlich zu dem gewaltigen Auftrag, eine neue Hauptstadt im Landesinneren aus dem Boden zu stampfen: Brasilia. Zugleich mit dem hochragenden Gebäude – das sich bekanntlich nicht zuletzt der Beratung durch Le Corbusier verdankt – entstand ein Dachgarten auf dem Vorbau. Den gestaltete ein junger Landschaftsarchitekt, der gleichzeitig Maler war, Roberto Burle Marx. Der 1909 geborene Sohn einer brasilianischen Mutter, Cecília Burle, und des deutschen Auswanderers Wilhelm Marx arbeitete später immer wieder mit den beiden Großen der brasilianischen Architektur und Stadtplanung zusammen, schuf aber vor allem ein eigenständiges Lebenswerk an Gärten, Parks und öffentlichen Freiflächen.
Roberto Burle Marx ist eine Ausstellung gewidmet, die die Kunsthalle der Deutschen Bank in Berlin als Übernahme vom Jewish Museum New York zeigt und die im Winter, dem brasilianischen Sommer, in Rio, der eigentlichen Heimatstadt des 1909 in São Paulo geborenen Künstlers, ihren Abschluss finden wird.
Burle Marx begann als Maler, mit seinen Eltern verbrachte er den Winter 1928/29 in Berlin. Nichts in seinen damaligen Gemälden deutete auf die spätere Abstraktion hin, die eine wirkliche Befreiung darstellt: die Befreiung der Formen, die nichts mehr repräsentieren müssen, sondern sich selbst darstellen, als organoide Flächen und Muster reiner Farben. In Berlin allerdings hatte Burle Marx – wie er es selbst später dargestellt hat – sein Erweckungserlebnis, als er im Tropenhaus des Botanischen Gartens die Vielfalt der tropischen Pflanzen bewunderte, die in seiner Heimat (jedenfalls in der wohlhabenden Oberschicht, der seine Familie angehörte) nicht geschätzt wurden. Fortan widmete sich Burle Marx dem Reichtum der einheimischen Flora, nie mehr verwendete er Anderes als heimatliche Pflanzen und Steine.
Die Ausstellung mit ihren Skizzen, Entwurfsblättern und Gemälden kann nur einen ungefähren Eindruck vom Œuvre des Landschaftsarchitekten geben, gewissermaßen die Atelierperspektive bieten. Im schönen Katalog lässt sich auf Farbfotografien ermessen, was etwa die Anlage der Uferstraße Avenida Atlantica an der Copacabana von Rio de Janeiro ausmacht: vier Kilometer unablässig variierter Muster der Pflasterung von Mittelstreifen und breitem Gehweg, die aus der sechsspurigen Hauptverkehrsstraße zwar keine Fußgängerzone machen, aber doch einen Ort von hoher Aufenthaltsqualität. Die Fotos, aufgenommen aus den obersten Stockwerken der angrenzenden Apartmenthäuser, geben einen Eindruck vom Umfang der Anlage, ohne ihn freilich nur annähernd ganz erfassen zu können.
Das dynamische Element – die Wahrnehmung, die erst in der Bewegung erfolgt, sei es des Autos oder Fußgängers – ist vielen Entwürfen von Burle Marx eigen. Ebenso die Abwechslung: So ist der ausgedehnte Flamengo-Park in Rio, der sich aus der ursprünglichen Gartenanlage rings um das Museum für moderne Kunst entwickelte, eine Abfolge unterschiedlicher Bereiche zur Freizeitgestaltung als Angebot für die mit Grünflächen nicht eben verwöhnten Bewohner der dichtbesiedelten Metropole.
Roberto Burle Marx war ein Verfechter des öffentlichen Raums, und man könnte es als Tragik bezeichnen, dass die am besten zu erhaltenden Anlagen die Gärten und Parks privater Residenzen wohlhabender Auftraggeber sind. Bei manchen verschwimmt der Übergang von gestalteter zu umgebender, schier grenzenloser freier Natur. Dann wiederum gibt es sehr geometrisch-rechtwinklige Anlagen, die architektonische Elemente wie reliefierte Mauern einschließen. Stets arbeitete Burle Marx mit Pflanzen und zugleich mit Stein und Mauerwerk, und dem dominierenden Grün der Gewächse setzt er gern farbenfrohe Akzente in Pflasterung oder Wandbemalung entgegen.
Ein weiteres Element ist das Wasser, das in Gestalt von flachen Teichen einzieht oder, wie in Brasilia, als großzügige Brunnenanlagen. Das Generalthema ist Reichtum, Üppigkeit, Überfluss – aber ein Reichtum eben, der sich an alle richtet, allen zur Verfügung stehen soll. Ohne dieses utopische Moment ist die brasilianische Moderne der 30er bis 70er Jahre sicher nicht zu verstehen. Dass das wohl komplexeste „Gesamtkunstwerk“ ausgerechnet für die Hauptverwaltung einer Bank entstand, mit Vorplatz, Dachgarten, mit Fußboden und Wandreliefs im Innenbereich – die Banco Safra in Sao Paulo von 1983 –, steht dem nicht entgegen.
Roberto Burle Marx hat zeitlebens gemalt, aber auch da immer die öffentliche Wirkung im Auge gehabt. So hat er Wandteppiche von beeindruckenden Ausmaßen – mit bis zu 27 Metern Länge – für öffentliche Bauten entworfen, die das Thema der Einheit von ursprünglicher und gestalteter Natur aufgreifen. Dann hat er Schmuck und Glas entworfen und in Rückbesinnung auf seine jüdischen Wurzeln väterlicherseits Vorplätze und sogar Glasmalereien für Synagogen seiner Heimat, aber einmal auch für
Jerusalem. Sein Langzeitprojekt indessen war sein Landsitz im Stadtgebiet von Rio, wo er zahllose Pflanzen züchtete und bewahrte.
Jerusalem. Sein Langzeitprojekt indessen war sein Landsitz im Stadtgebiet von Rio, wo er zahllose Pflanzen züchtete und bewahrte.
Einer seiner letzten Entwürfe entstand 1993, ein Jahr vor seinem Tod, für Berlin: für das damals als Parkplatz missbrauchte Gelände rings um das Theater der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Das Vorhaben stieß in Berlin nicht auf Gegenliebe, es war wohl so kurz nach der Wende auch nicht die richtige Zeit für den eher delikaten Entwurf in rauer Umgebung. Dass Roberto Burle Marx mit der Ausstellung der DB Kunsthalle in diejenige Stadt zurückkehrt, dem sein Lebensweg den vielleicht entscheidenden Impuls verdankt, ist eine glückliche Fügung.
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