Die Säule des Sterndeuters
Der für die Sammlung Pinault sanierte und umgestaltete Rundbau im Herzen von Paris hat seit dem 18. Jahrhundert eine bewegte Geschichte vorzuweisen, die es lohnt, näher zu betrachten.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Die Säule des Sterndeuters
Der für die Sammlung Pinault sanierte und umgestaltete Rundbau im Herzen von Paris hat seit dem 18. Jahrhundert eine bewegte Geschichte vorzuweisen, die es lohnt, näher zu betrachten.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Es begann in Jahren 1763 bis 1767. Nach Plänen von Nicolas Le Camus de Mézières gebaut, diente der Rundbau nahe am Seine-Ufer als Getreidehalle der Hauptstadt. Zuvor befand sich auf dem Grundstück das herrschaftliche Hôtel de Soissons, auch Hôtel de la Reine genannt. Sein letzter Eigentümer erlitt mit Finanzgeschäften Schiffbruch und verkaufte das Anwesen an die Stadt Paris, die es für die Getreidehalle abriss.
Von den früheren Bauten des Ortes ist nur die „Colonne de l’Astrologue“ oder auch „de Médicis“ erhalten geblieben, die an den Rundbau zum heute östlich angrenzenden Jardin Nelson Mandela hin merkwürdig unproportioniert angefügt ist. Die Säule mit einem Durchmesser von drei Metern ist 31 Meter hoch und wird bekrönt von einem riesigen Kapitell Es dient als Unterbau für eine Plattform, die über eine Wendeltreppe im Inneren der Säule erreicht wird. Auf dem „Abakus“ befand sich ein Observatorium. Von dem gläsernen Aufbau ist heute nur noch die eiserne Rahmenkonstruktion erhalten. Später wurde auch eine Sonnenuhr installiert.
Die stark kannelierte und mit Dekor versehene Säule hatte Katharina de‘ Medici, Witwe des französischen Königs Heinrich II., die das Hôtel de la Reine im 16. Jahrhundert bewohnte, im Hof ihres Anwesens für ihre astrologischen Studien in Auftrag gegeben. Ihr persönlicher Astrologe, der Florentiner Cosimo Ruggieri, sollte dort ihre Zukunft deuten. Vorbild der Säule soll die antike Trajanssäule in Rom gewesen sein. Es war dann ein Glücksfall, dass diese skurrile Säulenkonstruktion 1748, beim Abriss des Hôtels de la Reine, vom Schriftsteller und Kunstliebhaber Louis Petit de Bachaumont, den man in Frankreich durch seine „Mémoires secrets“ kennt, gerettet und der Stadt geschenkt wurde.
Die Stadt Paris errichtete im 18. Jahrhundert die Getreidehalle, da die Bevölkerung rasant wuchs. Sie diente nicht nur als Lager, sondern auch dem Handel. Das ringförmige Gebäude mit einem Durchmesser von 68 Metern und 25 Arkaden im Rund war damals ein Novum für eine solche Nutzung, ursprünglich ohne zentrale Überdachung geplant. Es folgte aber bald für einen besseren Schutz des zentralen Hofs eine Kuppel aus Holz. Der Ring war zweigeschossig ausgebildet mit zwei gegenläufigen Doppelaufgängen. Das Obergeschoss mit den Lagerflächen wies eine tonnenförmig gewölbte, aus Stein gemauerte Konstruktion auf.
Nach einem Brand 1802 wurde die Kuppel in den Jahren 1806 bis 1811 von François Brunet und François-Joseph Bélanger aus Eisen und mit Kupferverkleidung neu errichtet. Dazu fügte man eine zentrale Verglasung ein, die Licht in die Rotunde leitet. Die Halle bildete den Abschluss mit markantem Kopf der Anlage der Pariser Großmarkthallen aus Eisen und Glas von Victor Baltard und Félix Callet, die von 1853 bis 1870 gebaut wurden. Die zwei direkt an der Halle angrenzenden, das Rund aufnehmenden Hallen entstanden erst 1935.
Ab 1873 wurde der Kuppelbau nicht mehr als Lager genutzt und in den Jahren 1887-89 von Henri Blondel nahezu vollständig mit neuer Außenfassade und monumentalem Eingang zur Rue du Louvre versehen, um als Pariser Handelsbörse zu dienen. Nur der innere Fassadenring und die Säule blieben erhalten, die Kuppel wurde bis auf die Tragkonstruktion entfernt und ersetzt. Die feierliche Eröffnung fand am 100. Jahrestag der Französischen Revolution statt. Doch das große Rund erwies sich nicht als passend für die neue Nutzung und wurde aufgegeben.1971 folgte der Abriss der Markthallen.
Der seit 1975 unter Denkmalschutz stehende Rundbau ist durch das Fehlen der Halles de Paris wieder ein Solitär, nur im Westen stadträumlich eingebunden durch die Gebäude zur Rue du Louvre. Von Osten ist der Bau vom neuen „Canopée des Halles“ mit der Place Pina Bausch (Bauwelt 23.2016) über den Jardin Nelson Mandela schon aus der Ferne ein Blickpunkt. Bis zur Neunutzung durch die Pinault Collection diente er hin und wieder für Veranstaltungen wie Modenschauen und kleinere Messen.
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