Sinn ergeben
Es gibt riesige ausländische Büros, die hier kaum einer kennt, weil sie sich wenig um Öffentlichkeitsarbeit scheren. Die Skandinavier White Arkitekter kann man jetzt in der Architekturgalerie München kennenlernen
Text: Paul, Jochen, München
Sinn ergeben
Es gibt riesige ausländische Büros, die hier kaum einer kennt, weil sie sich wenig um Öffentlichkeitsarbeit scheren. Die Skandinavier White Arkitekter kann man jetzt in der Architekturgalerie München kennenlernen
Text: Paul, Jochen, München
White Arkitekter, 1951 von Sidney White und P. A. Ekholm in Göteborg gegründet, ist heute eines der führenden Architekturbüros Skandinaviens. Und mit fast 900 Mitarbeitern und 16 Niederlassungen in Schweden, Dänemark, Norwegen und Großbritannien ist das Büro zwar big, von seiner Haltung her aber so ziemlich das Gegenteil von BIG – auch wenn White-CEO Monica von Schmalensee und Bjarke Ingels gut befreundet sind: Selbstmarketing ist White Arkitekter mit seinen 548 Anteilseignern und 122 Partnern so fremd, dass es seine Arbeiten bisher nirgends ausgestellt hat. Und mehrbändige Werkmonografien wird es wohl auch nie geben. Insofern ist die Ausstellung in der Architekturgalerie München eine Weltpremiere außerhalb der eigenen Büroräumlichkeiten.
Von Anfang an konzentrierten sich White Arkitekter darauf, was Architektur dazu beitragen kann, das Leben der Menschen zu verbessern – einseitig auf kurzfristigen Gewinn ausgelegte Aufträge lehnt das Büro bis heute ab. 65 Jahre vor Alejandro Aravenas „Reporting from the Front“-Biennale war eine solche Einstellung ihrer Zeit weit voraus.
Als das Büro ab Mitte der 60er Jahre neben Wohnungen auch Schulen, Kaufhäuser und Krankenhäuser plante, erforderte die gestiegene Komplexität der Projekte eine neue Organisationsform: Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams an jedem Projekt ist bis heute zentral für das Selbstverständnis des Büros, das sich selbst als ein „Kollektiv von Menschen, die sich für Menschen interessieren“ beschreibt und nicht nur großen Wert auf Forschung und Entwicklung legt, sondern dafür mit ARQ einen büroeigenen Forschungsfonds aufgelegt hat. Neben Architekten und Ingenieuren beschäftigt das Büro Anthropologen, Künstler, Lichtdesigner, Innenarchitekten, Nachhaltigkeitsexperten, Naturwissenschaftler, Stadtplaner sowie Landschaftsarchitekten.
Der Ausstellungstitel, „Make Sense“, ist für White Arkitekter gleichzeitig Antrieb für ihre Arbeit und Mindestanforderung an die realisierten Projekte: Damit etwas „Sinn ergibt“, braucht es neben fundiertem Wissen vor allem Neugier und die Fähigkeit, dialogische Prozesse zu strukturieren und zu moderieren. Die Schau zeigt das Spektrum des Büros anhand von 80 Projekten: Büro- und Geschäftshäuser, Gesundheitsbauten, Museen, Stadtplanung, Landschaftsarchitektur, Schulen, Universitäten und Wohnhäuser. Die verteilen sich wie die Kärtchen eines Memory-Spiels über die Wände der Galerieräume.
Gegliedert sind sie nicht typologisch oder chronologisch, sondern nach unterschiedlichen Lichtstimmungen: Dem Tageslicht des skandinavischen Sommers – laut der Einladungskarte „reine Magie“ – und dem Dämmerlicht der Winternächte. Dafür haben die Ausstellungsgestalter nicht nur die jeweilige Lichttemperatur mittels LED-Leuchten „nachgebaut“, sondern die Fotografien der vorgestellten Projekte auch so ausgewählt, dass sie thematisch zur jeweiligen Lichtstimmung der unterschiedlichen Räume passen: „Tageslicht-Projekte“ sind an einem möglichst sonnigen Tag aufgenommen, „Dämmerlicht-Projekte“ bei einbrechender Dunkelheit.
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