Bauwelt

Zeichnungen, ganz einzigartig

„Visionen der Weltarchitektur“ von Sir John Soane im Museum für Architekturzeichnung in Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Querschnitt durch Buckingham House, London, von Charles Papendiek, Januar 1819
    © Sir John Soane’s Museum

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    Querschnitt durch Buckingham House, London, von Charles Papendiek, Januar 1819

    © Sir John Soane’s Museum

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    Vergleichende Darstellung von Petersdom, Pantheon, Radcliffe-Bibliothek in Oxford und Soanes Rotunde in der Bank of England, London; Zeichnung: Charles Tyrell, Oktober 1814
    Abb.: © Sir John Soane’s Museum

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    Vergleichende Darstellung von Petersdom, Pantheon, Radcliffe-Bibliothek in Oxford und Soanes Rotunde in der Bank of England, London; Zeichnung: Charles Tyrell, Oktober 1814

    Abb.: © Sir John Soane’s Museum

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    Schnitt durch die Villa Farnese in Caprarola, Italien; Zeichnung: Robert Chantrell, September 1811
    Abb.: © Sir John Soane’s Museum

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    Schnitt durch die Villa Farnese in Caprarola, Italien; Zeichnung: Robert Chantrell, September 1811

    Abb.: © Sir John Soane’s Museum

Zeichnungen, ganz einzigartig

„Visionen der Weltarchitektur“ von Sir John Soane im Museum für Architekturzeichnung in Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Er war ein Leben lang der Royal Academy verbunden. Als Student der Architektur, als Empfänger eines Stipendiums für die Grand Tour, als Aussteller neuester Entwürfe über sage und schreibe 64 Jahre hinweg und schließlich selbst als Mitglied der noblen Vereinigung und in dieser Eigenschaft Professor für Architektur von 1806 bis an sein Lebensende. Erst 1806 wurde John Soane (1753–1837) zum Mitglied berufen; seinerzeit war die Akademie satzungsgemäß auf 40 Mitglieder begrenzt, und er musste erheblich antichambrieren, ehe er in Nachfolge seines ei­genen Lehrers, George Dance, berufen wurde. Dance hatte die Verpflichtung zur Lehre an der Akademie nicht eingehalten und gab sein Amt schließlich auf; Soane hingegen bereitete seine eigene Lehrtätigkeit bereits seit 1804, zwei Jahre vor der Ernennung, durch Erstellung entsprechender Materialien vor.
Das wichtigste Lehrmittel waren großformatige, aquarellierte Zeichnungen, die Soane in seinem Büro von den Mitarbeitern und Studenten anfertigen ließ. 27 von insgesamt rund 1500 solcher Blätter sind jetzt im Museum für Architekturzeichnung der Tchoban Foundation in Berlin zu sehen. Es ist bereits die dritte Zusammenarbeit des Hauses mit dem Londoner Sir John Soane’s Museum, dieser wundersamen, vom Architekten noch selbst geschaffenen Einrichtung in den einstigen Wohn- und Ateliergebäuden, die der erfolgreiche Baumeister am grünen Geviert von Lincoln‘s Inn Fields besaß.
Soanes Lehrverpflichtung bestand in sechs Vorlesungen pro Jahr; zwölf insgesamt, die er in zweijährigem Wechsel hielt. „Für viele Teilnehmer im Publikum waren die großen, farbigen Illustrationen der anziehendste Teil der Vorlesungen“, heißt es in der Broschüre, die die Erstausstellung der nun in Berlin gezeigten Blätter in London begleitete. Man kann es auf den beiden Etagen des Berliner Museums nachempfinden: Es sind hinreißende Blätter, die nicht nur einzelne Gebäude der Vergangenheit wie der zeitgenössischen Baukunst vorstellen, sondern zugleich die Kultur lebendig werden lassen, in der diese Bauten entstanden.
Von frühesten Zeiten
Dabei hatten die Zeichner diejenigen Bauten, die sie für die ersten vier, der Baugeschichte „von den frühesten Zeiten an“ gewidmeten Vorlesungen selbst nicht gesehen; und ebenso wenig für den größeren Teil der fünften Vorlesung, die vom „Niedergang des Römischen Imperiums“ bis fast an die eigene Gegenwart reichte. Im Berliner Museum sind die Zeichnungen sehr sinnfällig verteilt: die historischen Bauten von Ägypten bis zur Renaissance im ersten Stockwerk, die zeitgenössischen englischen Bauten im zweiten. Aber auch dort ist ein historisches Bauwerk vorangestellt, das älteste der gesamten Übersicht: die steinzeitliche Anlage von Stonehenge. Sie hat Henry Parke 1817 in einer raffinierten Schrägaufsicht dargestellt, aus einer imaginierten Vogelperspektive und auf Basis genauer Vermessungen, zu denen Parke gemeinsam mit zwei Kollegen eigens an den Standort entsandt worden war. Soane verwendete das Blatt übrigens nicht in den historischen Vorlesungen, sondern innerhalb des zweiten Zyklus, zur Frage des Transports großer Steine. Wenn hier der Name des Zeichners genannt werden kann, so lag dies nicht an Soanes Vorgaben. Die Zeichnungen wurden anonym ausgeführt, erst spätere Forschung konnte sie zumindest teilweise den Büromitarbeitern zuordnen.
Sehr stimmungsvoll ist die Darstellung des Horus-Tempels aus dem ägyptischen Edfu, der aus der ptolemäischen Epoche um 250 v.Chr. stammt. Soanes Bemerkungen über die Wirkungen von Licht und Schatten legen nahe, dass er genau eine solche Schrägsicht bei auf- oder untergehender Sonne gewünscht hatte. Während Darstellungen griechischer Tempeldetails und insbesondere von Kapitellen – einem wichtigen Kapitel der Vorlesungen – in neutraler Aufsicht gehalten sind, kommen solche seitlichen Perspektiven immer wieder vor, und die Wirkung auf das Akademie-Publikum lässt sich durchaus erahnen. Bei der Farbgebung handelt es sich stets um freie Interpretationen der Vorlagen, die Soane für Ägypten bei Vivant Denon und dessen gerade erst, 1802, erschienenen Reisebericht fand, für die römische Antike bei Piranesis „Veduti di Roma“. Überraschend ist eine LinDarstellung der Grabeskirche in Jerusalem, deren Ursprungsbau aus der Zeit Kaiser Konstantins stammt: Soane zeigte daran den „Verfall der Künste in dieser Epoche“. Dem Blatt selbst ist das kaum anzusehen, so eindrucksvoll sich das seitlich beleuchtete Innere des überkuppelten Zentralraumes darbietet.
Das England seiner Zeit
Über die Renaissance, für die er das Blatt aus Palladios „Quattro Libri“ mit der vierläufigen Treppe aus Schloss Chambord wählte, gelangte Soane in das England seiner Zeit. Ein Blatt wie ein Werbeplakat zeigt die exotischen Fantasiegebäude in Kew Gardens von William Chambers, ein anderes stellt einen Größenvergleich zwischen dem „Circus“ in Bath und dem Kolosseum in Rom an. Den eindrucksvollsten Größenvergleich birgt das Hochformat mit dem Petersdom im Hintergrund, einem Schnitt durch das Pantheon, darin eingestellt die überkuppelte Rad­cliffe-Bibliothek in Oxford und davor wiederum ein Schnittbild, und zwar der eigenen Rotunda im riesigen Komplex der Bank of England, an dem Soane über 45 Jahre hinweg arbeitete. Dieses grandiose Blatt beschloss die zwölfte und letzte Vorlesung.
Da hatte es allerdings bereits einen Eklat gegeben. In seiner Vorlesung über dekorative Elemente wie Säulen und Balustraden führte Soane 1810, ohne es beim Namen zu nennen, das im Jahr zuvor eröffnete Opernhaus in Covent Garden vor – und kritisierte dessen Architekten Robert Smirkes Verwendung des griechischen Portikus vor dem kastenförmigen Baukörper. Es kam zu tumultartigen Szenen im Publikum. Schließlich gab die Akademie einen Erlass heraus, demzufolge es den Professoren verboten war, Werke lebender Künstler zu kritisieren. Soane unterbrach daraufhin seine Vorlesungen für zwei Jahre. Das Blatt aber, das er als Beleg vorgeführt hatte, ist eine sachliche Vedute, zumal der Portikus darauf keine besondere Rolle spielt, und Soanes Urteil mochten sich die Zuhörer anschließen oder auch nicht.
Ein einzigartiger Schatz
Soane verglich das London seiner Zeit mit Paris. So erklären sich die drei Ansichten, von denen gleich zwei Blätter Gebäude von Claude-Nicolas Ledoux zeigen, das dritte aber eine scharf geschnittene Ansicht der in die Tiefe führenden Rue des Colonnes von 1793–95. Mit ihren von Bogen überspannten Säulen respektive Rundpfeilern hat sie eher Ähnlichkeit mit den Fassaden der Lagerhäuser, die in den Docks englischer Hafenstädte wie London oder Liverpool entstanden. Friedrich Gilly, der früh verstorbene Freund Schinkels, hatte genau diese Ansicht 1797 bei seinem Paris-Aufenthalt gezeichnet; nun entdeckte sie Soane bei seinem eigenen Besuch 1819 für sich und baute sie in seinen Vorlesungszyklus ein.
John Soanes Methode der Illustrierung seiner Vorlesungen hatte keinen Vorläufer und keine Nachahmer. Den heutigen Betrachter erstaunt und fasziniert, welch ungeheure Mühe sich die Büromitarbeiter mit den Blättern gaben, die oft monatelang an einem einzelnen Blatt saßen – und das bei einem zwölfstündigen Arbeitstag. Die großformatigen, bis zu ein Meter zwanzig messenden Zeichnungen jedenfalls bilden einen Schatz, der auch mit dieser Ausstellung gerade nur angerissen werden kann.

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