Bauwelt

Vom Bau der Kenntnis

Anupama Kundoo hielt die diesjährige ostwestfälische „Rede zur Architektur“

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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    „Building Knowledge“: Anupama Kundoo stellte während ihrer Rede zur Architektur auch eine Kuppel mit Lichtelementen aus Altglas vor
    Foto: Heidrun Hertel

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Vom Bau der Kenntnis

Anupama Kundoo hielt die diesjährige ostwestfälische „Rede zur Architektur“

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Ob Anupama Kundoos „Rede zur Architektur“ wohl die letzte war, die im Rahmen des Kulturfestivals „Wege durch das Land“ in Ostwestfalen-Lippes Wasserburgen, Gutshäusern oder Klosterkreuzgängen zu hören gewesen ist? Der Rücktritt von Brigitte Labs-Ehlert, der langjäh­rigen und programmverantwortlichen Geschäftsführerin, und das Gerücht, die Gesellschafter der gGmbH wollten die Veranstaltungsreihe „regionaler“ ausrichten, lässt dies befürchten. Der Region, die so oft des Provinziellen geziehen wird, droht ein großer, nein, ein riesiger Verlust im sommerlichen Kulturleben. Schauspieler, Musiker und Literaten von Rang hatte Labs-Ehlert seit Jahren in die reizvolle, aber ein wenig abseitige Gegend gelockt und eben auch, darin unterstützt von dem Brakeler Beschlägeproduzenten fsb, Architekten von internationalem Format: Namen wie Peter Zumthor oder Eduardo Souto de Moura standen schon im Programm.
Mitte Juni nun konnten die zahlreich erschienen Zuschauer im direkt an der Weser gelegenen Schloss Wehrden Anupama Kundoo und ihren Erfahrungen mit „Building Knowledge“ lauschen. Der indisch-stämmigen, nach Station in Berlin mittlerweile global agierenden, zuletzt im Arsenale auf der Biennale Venedig präsenten Architektin geht es darum, die Erfahrungen der Industrie- und der Entwicklungsländer, der nörd­lichen und der südlichen Welthälfte zu kombinieren. Denn bislang, so Kundoo, scheint es mit Blick auf das jeweilige Verständnis der menschlichen Bedürfnisse, als handele es sich um zwei völlig verschiedene Spezies. Außerdem werde mit dem weltweiten Siegeszug des Stahlbetonbaus jedes lokal spezifische konstruktive Wissen aus dem Bauen gedrängt, mit dem Ergebnis, dass immer gleiche Rohbauten von Kanada bis Südamerika, von Indien bis Russland, von Kapstadt bis Madrid entstehen – eine Entwicklung, die schon mit Blick auf die Energievorräte der Länder fatal ist.
Kundoo will diese überstandardisierte globale Konstruktionswelt auf die wichtigsten Bauaufgaben beschränkt sehen, für das alltägliche, den Menschen nahe Bauen aber die Moderne wieder lokaler denken, mit örtlichen Traditionen und Materialien verbinden, sodass die Menschen wieder imstande sind, die Entwicklung selbst zu bestimmen und von ihr zu profitieren: „Denken mit den Händen“, zitierte sie Frei Otto. In diesem von der Architektin, ihren Mitarbeitern und Studenten und den Bewohnern gemeinsam beschrittenen Weg sieht sie die eigentliche Essenz eines Projekts, denn dabei werde ein Wissen aufgebaut, das auch dann noch trägt, wenn die Planer wieder abgereist sind: Etwa, wenn sie den längst von der globalen Produktion aus dem Rennen geworfenen Töpfern zeigt, wie sie mit ihren Tonbehältnissen Geschossdecken und Flachdächer mit weniger Stahleinlage bauen können, oder wie sich die Materialqualität von vor Ort gebrannten Ziegeln steigern lässt, ohne auf die mit höherem Energieaufwand produ­zierten Paletten der Industrie zurückgreifen zu müssen, oder wie mit nur 2,5 Zentimeter dicken Ferro-Zement-Elementen dickere, schwerere und energieintensivere Stahlbetonteile ersetzt werden können. Ein Arbeitsethos, mit dem Kundoo der Anschluss an die Rede von David Adjaye im vergangenen Jahr (Bauwelt 31.2015) mühelos glückte, der auch einer lokaler verstandenen Moderne auf der Spur ist, ohne freilich den Aspekt des Gemeinschaftlichen und Prozessorientierten ähnlich bestimmend in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu rücken.
Fährt man dann von Wehrden aus über die schmalen „Wege durch das Land“ zum Bahnhof für die Rückreise, wird klar, wie anregend eine Rede wie Kundoos „Building Knowledge“ auch hier wirken könnte, in einer Region, die, über Jahrhunderte vom Fachwerkbau geprägt, inzwischen architektonisch weitgehend von den Standards des Baumarkts bestimmt wird. Auch für eine eventuell angestrebte „regionalere Ausrichtung“ der Veranstaltungsreihe kann international gewonnenes Know-how jedenfalls nur ein Gewinn sein.

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