Bauwelt

Von wegen Provinz

Text: Bruun Yde, Marie, Berlin; Klingbeil, Kirsten, Berlin; Friedrich, Jan, Berlin

Von wegen Provinz

Text: Bruun Yde, Marie, Berlin; Klingbeil, Kirsten, Berlin; Friedrich, Jan, Berlin

Nach der Frage, was die Miete kostet, ob Berlin, Köln oder München die bessere Stadt sei, kann man sichüber die Vor- und Nachteile des Landlebens streiten. Die Pro-Argumente: Natur, Gemeinschaft – und dank Internet eigentlich alles genauso verfügbar wie in der Stadt. Studien bestätigen, dass die Menschen auf dem Land glücklicher sind. Je weiter sie jedoch von öffentlichen Institutionen entfernt sind, desto eher schleicht sich ein Gefühl des „Vergessenseins“ ein.
Als vor zehn Jahren das Konzerthaus in Blaibach von Peter Haimerl durch die Presse ging, war das Erstaunen groß. Nicht nur wegen der Architektur – das kleine Konzerthaus in der Oberpfalz ragt wie ein Granitbockaus der Erde (Bauwelt 5.2016) – sondern vor allem wegen der mutigen Ortswahl, die Blaibach nun auf die Karte setzte. Der Protestant in uns mag fragen, ob wir nicht erst in die Infrastruktur investieren sollten, den Arzt, den Bus oder den Laden vor Ort, statt ins Vergnügen? Kultur und Kunst wird es schwer gemacht, wenn mit Nutzen und Finanzen argumentiert wird. Dabei wirken sie oft über ihre räumliche Begrenzung hinaus, können Initialzündung sein und für Identifikation sorgen. Haimerl begründete seine Gestaltung damals mit dem Bezug zum Ort – heute gilt dieses Argument weiterhin. Mit Aspekten wie Kreislauffähiges Bauen, Ressourcenverbrauch und einer neuen Prozessbetrachtung entdecken jüngere Büros ihr Potenzial im ländlichen Raum. Sie konzipieren ausgefeilte Kulturbauten, legen Wert auf handwerkliche Arbeiten, feiern die Einfachheit, machen das Wenige zur Methode.

Die richtige Stadt in der falschen?

Bei Vielen gilt sie als das Negativbeispiel investorengerechter Stadtplanung: die „Europacity“, die auf ehemaligem Bahnareal am Berliner Hauptbahnhof in die Höhe wächst. Wir haben uns stets erlaubt, einen differenzierten Blick auf die Planung zu werfen, haben die Genese beleuchtet (Bauwelt 12.2016), haben analysiert,was gar nicht gut gelaufen ist und wo im Gegensatz dazu Potenziale schlummern (Bauwelt 26.2021). Klar ist: In der Europacity sind private Investoren am Werk, keine öffentlichen Gesellschaften, keine Genossenschaften, keine Baugruppen. Bezahlbarer Wohnungsbau: Fehlanzeige. Stadtentwicklungspolitisch ist das ein Fiasko. Kann unter solchen Bedingungen gute Architektur entstehen? Wir sind immer wieder fündig geworden, etwa beim Tour Total von Barkow Leibinger (Bauwelt 28.2013) oder dem KPMGTurm von Allmann Wappner (Bauwelt 12.2024) und nun bei zwei bemerkenswerten Wohn- und Gewerbeblöcken von Robertneun Architekten und dem 500 Meter langen Büro- und Gewerbebau von EM2N.

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